Darf die Fasnacht rassistisch sein?

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SchweizDarf die Fasnacht rassistisch sein?

Ein Umzugswagen fuhr am Samstag durch eine Zuger Gemeinde. Ihr Thema: «Neger im Urwald», die Insekten essen. Wie weit darf man an der Fasnacht gehen?

von
Qendresa Llugiqi
Leser-Reporterin S. H.* (20) beobachtete den Umzug am Samstag aus dem Fenster ihres Wohnhauses in Allenwinden ZG. «Ich fand den Wagen so schlimm. Einfach nur rassistisch.»
Der Insekten-Wagen ist nicht der einzige, der während dieser Fasnachtszeit negativ aufgefallen ist. So zogen die Hülsnerbuben Dietschwil mit einem «Asylparadies Schweiz»-Wagen durch Aadorf TG.
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Leser-Reporterin S. H.* (20) beobachtete den Umzug am Samstag aus dem Fenster ihres Wohnhauses in Allenwinden ZG. «Ich fand den Wagen so schlimm. Einfach nur rassistisch.»

Leser-Reporter

«Die Neger im Wald haben es schon lange auf der Speisekarte. Bei uns gibt es das jetzt auch und im Coop muss man sogar darauf warten», hiess es auf einem Banner, der an einem Fasnachtswagen angebracht war. Zu sehen ist ein Haus und aufgezeichnete Insekten.

Leser-Reporterin S. H.* (20) beobachtete den Umzug am Samstag aus dem Fenster ihres Wohnhauses in Allenwinden ZG. «Ich fand den Wagen so schlimm. Einfach nur rassistisch», sagt sie. Sowieso habe sie es erschreckend gefunden, dass der Wagen überhaupt losziehen durfte. «Fährt der Wagen erstmal los, hat man in diesem ganzen Tumult wenig Chancen, was auszurichten.»

Leser-Reporterin S. H.* (20) beobachtete den Umzug am Samstag aus dem Fenster ihres Wohnhauses in Allenwinden ZG. «Ich fand den Wagen so schlimm. Einfach nur rassistisch.»

Nicht der erste Ärger-Wagen

Der Insekten-Wagen ist nicht der einzige, der während dieser Fasnachtszeit negativ aufgefallen ist. So zogen die Hülsnerbuben Dietschwil mit einem «Asylparadies Schweiz»-Wagen durch Aadorf TG.

Verstossen diese Fasnachtswagen gegen die Rassismusstrafnorm? Laut Alma Wiecken, Juristin bei der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR), kommt es bei dieser Frage auf den Gesamtzusammenhang an und lässt sich nicht so einfach beantworten.

«Die Rassismusstrafnorm ist nur für Fälle gedacht, in denen eine Person oder eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer Ethnie, Rasse oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Art und Weise herabgesetzt werden. Es muss also eine gewisse Intensität der Herabsetzung gegeben sein», erklärt Wiecken. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn eine bestimmte ethnische Gruppe als Tiere dargestellt werde oder pauschal als gewaltsame Verbrecher beschrieben werden würden, die eingesperrt gehören. Wiecken: «In diesen Fällen wird den betroffenen Personen die allgemeine Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit als Mensch abgesprochen und es liegt ein Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm vor.»

Verstoss kann gemeldet werden

Auch weist die Juristin darauf hin, dass es in der Schweiz keine Wörter gibt, die per se einen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm darstellen. «Es kommt immer auf den Gesamtzusammenhang an», so Wiecken. So wurde eine Frau, die eine andere Frau im Bus als Negerin bezeichnet hatte und dazu eindeutig rassistische Lieder sang, von der Staatsanwaltschaft wegen der Verletzung der Rassismusstrafnorm verurteilt.

Beim Strafrechtsartikel handelt es sich um ein Offizialdelikt. Das heisst, dass jede Person einen Vorfall, den sie als Verstoss gegen die Bestimmung empfindet, bei der nächsten Polizeistelle beziehungsweise bei einem Untersuchungsrichter melden kann. Diese Möglichkeit steht auch der Leser-Reporterin offen, die sich an dem Insekten-Wagen stört. Laut Wiecken ist es dann Aufgabe der Staatsanwaltschaft, zu entscheiden, ob in einem konkreten Fall ein Verstoss vorliegt.

«Geschmacklos und verletzend»

«Geschmacklos» sei der Insekten-Wagen aber schon, so Wiecken. «Er stellt Schwarze als Urwaldbewohner dar und nutzt dazu den belasteten Begriff ‹Neger›.» Auch der «Asylparadies Schweiz»-Wagen sei «verletzend»: «Das Sujet des Wagens spielt mit der weit verbreiteten falschen Information, es gäbe für Asylsuchende gratis Handys», erklärt Wiecken. «Auch die ‹Asylbar› und die Aufschrift ‹Asylparadies Schweiz› suggerieren, Asylsuchende würden hier in der Schweiz ein sehr angenehmes Leben führen.»

Laut Wiecken werden diese Desinformationen teilweise gezielt gestreut, um Vorurteile und Stimmung gegen Asylsuchende anzufeuern. «Dabei wird oft vergessen, dass es hier um Menschen geht, die oft alles verloren und schreckliche Dinge erlebt haben», so die Juristin. Dies sollte bedacht werden, wenn ein solches Sujet für die Fasnacht gewählt wird.

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