VolksinitiativeZentralrat will Minarettverbot kippen
Der Islamische Zentralrat Schweiz plant, das Minarettverbot «auf schnellstmöglichem Weg» zu beseitigen. Er will deshalb eine Volksinitiative lancieren. Auch die Minarettgegner melden sich zu Wort.
Auf den Tag genau ein Jahr nach der denkwürdigen Abstimmung über die Anti- Minarett-Initiative kündigte der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) am Montag eine Volksinitiative gegen das Minarettverbot an. Wenn das Verbot aufgehoben werden solle, müsse dies auf dem gleichen Weg geschehen, wie es eingeführt wurde, nämlich durch eine Volksinitiative, begründeten Vertreter des IZRS vor den Medien in Zürich. Die staatsrechtlichen Bedingungen der Schweiz liessen keine andere Möglichkeit zu.
Gemäss des provisorischen Initiativtextes soll das Minarettverbot ersatzlos aus der Bundesverfassung gestrichen werden. Nicht abgesprochen wurde die Initiative mit den übrigen islamischen Organisationen in der Schweiz, wie Abdel Azziz Qaasim Illi vom Vorstand des IZRS einräumte (siehe auch Infobox). Die Diskussion über eine zweite Initiative sei bisher aus taktischen Gründen streng geheim gehalten worden. Der Zentralrat IZRS mit seinem Präsidenten Nicolas Blancho zählt nach eigenen Angaben rund 1700 Mitglieder und vertritt 13 islamische Vereine. In den Fokus des öffentlichen Interesses geriet er, weil er als fundamentalistisch gilt. Das Initiativkomitee soll dennoch breit abgestützt sein und sich bis Ende Dezember konstituiert haben, wie es an der Medienkonferenz hiess. Allerdings blieb zunächst offen, von wem die breite Unterstützung kommen soll, da die beiden grossen muslimischen Verbände sind nicht an Bord geholt worden.
«Politischen Fehlentscheid korrigieren»
Eine Klage vor dem Strassburger Gerichtshof für Menschenrechte könne keine vom Volk beschlossene Aufhebung eines Verfassungsartikels bewirken, begründete Abdel Azziz Qaasim Illi vom Vorstand des IZRS. Ausser Unverständnis im In- und Ausland habe das Minarettverbot keinerlei Nutzen gebracht, sagten IZRS-Vertreter. Das Verbot stehe im Widerspruch zur Schweizerischen Bundesverfassung und verstosse gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Volksentscheid vor einem Jahr sei ein Schock für die islamische Welt gewesen, sagte Nicolas Blancho. Das einst glänzende Image der Schweiz habe mit einem Schlag seine Brillanz verloren. Nun gelte es «den politischen Fehlentscheid» einzugestehen und ihn rückgängig zu machen.
Oscar Bergamin, politischer Berater der IZRS, ist überzeugt, dass gute Chancen bestehen, den Volksentscheid wieder rückgängig zu machen. Das Minarettverbot ziele eindeutig auf eine Herabsetzung der Muslime in der Schweiz ab. Es gebe keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass ausschliesslich der Bau von muslimischen Sakraltürmen verboten sein soll. In ästhetischer und baurechtlicher Hinsicht gebe es keinen Unterschied zu anderen religiösen Bauten - etwa buddhistischen oder hinduistischen Tempeln oder christlichen Kirchtürmen.
IZRS kritisiert mangelnde Debatte
Der IZRS habe vergeblich auf eine staatsrechtliche Debatte gehofft, wie die muslimische Minderheit als vollwertige, unstigmatisierte Bürgerinnen und Bürger der Schweiz akzeptiert werden könnten. Stattdessen begnügten sich die politischen Eliten damit, den Volksentscheid im Ausland als «unglücklichen Fauxpas» zu entschuldigen.
Das Schweizer Stimmvolk hatte die Anti-Minarett-Initiative aus Kreisen von SVP und EDU am 29. November 2009 mit 57 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Im Oktober dieses Jahres hatte es der Ständerat abgelehnt, auf das Minarettverbot zurückzukommen. Er lehnte eine Petition ab, die das Verbot wieder aus der Bundesverfassung streichen wollte.
Anti-Minarett-Befürworter erinnern an Volkswillen
Am Jahrestag der Abstimmung meldeten sich auch die Minarettgegner zu Wort. Sie fordern, das Verbot sei ohne Ausnahme zu akzeptieren. Das Komitee «Ja zum Minarettverbot» stösst sich besonders am Entscheid des Berner Regierungsrats, welcher die Baubewilligung für das geplante Minarett in Langenthal im September bestätigt hat. SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer verlangte am Montag vor den Medien in Bern, der Bundesrat müsse gegen den Kanton Bern einschreiten.
Die Minarettgegner nehmen den Jahrestag ihres Abstimmungserfolgs zudem zum Anlass, ein Manifest mit dem Titel «Nein zur Islamisierung der Schweiz» zu präsentieren. Darin wird das «christliche Fundament» der Schweiz unterstrichen. Zum wiederholten Mal wird ausserdem vor der Gefahr eines an der Scharia orientierten «Parallelrechts» gewarnt.
Neu ist die Forderung, dass Personen muslimischen Glaubens nur eingebürgert werden dürfen, wenn sie sich vorgängig in einer Erklärung zur Respektierung der Schweizerischen Bundesverfassung bekennen. Weiter fordern die Verfasser, dass Muslimen, die sich der Integration verweigern, die Aufenthaltsbewilligung entzogen werde. Den Gegnern des Minarettverbots stehe es offen, den vor einem Jahr vom Souverän gefällten Entscheid mit einer Gegeninitiative anzufechten, liess das Komitee weiter verlauten. (sda)
Keine Absprache mit den anderen Verbänden
Die beiden grossen muslimischen Verbände in der Schweiz hatten gemäss eigener Aussage keine Kenntnis von den Plänen des IZRS. «Wir wurden weder über die Pläne orientiert, noch ist die Aktion mit uns koordiniert worden», sagt Farhad Afshar. Der Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) betonte deshalb, dass die Unterstützung des Verbandes noch unklar ist. «Wir würden ein Ende der Ungleichbehandlung begrüssen, ob wir aber diesen Weg einschlagen, müssen wir prüfen», so Afshar. Diese Meinung vertritt auch Hisham Maizar. Der Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (Fids) betonte, dass es keine Anfrage von Seiten des IZRS gegeben haben. Ob die Fids die Initiative unterstützen wird, sei unklar. «Wir müssen die Möglichkeit erst diskutieren», so Maizar. Man habe sich zwar mit dieser Idee beschäftigt, habe aber keine Details erarbeitet. Zunächst habe man sich darauf geeinigt die juristischen Möglichkeiten auszunützen, bisher habe es aber seit der Annahme des Verbotes gar keine Anfrage für ein Minarett gegeben und somit auch keinen Handlungsgrund. Für Maizar ist ein Schwachpunkt der geplanten Volksinitiative, dass der Lead beim nicht umstrittenen IZRS liegt. «Das könnte gar kontraproduktiv werden», so Maizar. Die Verbände Kios und Fids vertreten die Mehrzahl der meist nach Nationen getrennten muslimischen Verbänden, weshalb sich im Zusammenhang mit der geplanten Volksinitiative des IZRS die Frage stellt, wer die breite Unterstützung bieten soll, wenn die Dachverbände nicht an Bord geholt wurden.
Bestätigung für die Befürchtungen von Fids-Präsident Maizar liefert die FDP in einer Medienmitteilung zur Volksinitiative: Die FDP habe sich vor einem Jahr gegen das Minarettverbot engagiert, doch der Volksentscheid ist zu respektieren, heisst es darin. Es befremde, dass ausgerechnet der Zentralrat sich auf individuelle Rechte berufe, um das Verbot umzustossen. «Diese extremistische islamische Organisation hat wiederholt öffentlich das Schweizer Rechtssystem in Frage gestellt und die Gleichberechtigung von Mann und Frau verneint», schreibt die FDP. Der IZRS müsse sich erst zu den Werten der Schweiz bekennen, bevor er auf demoktratische Rechte poche. «Alles andere ist unglaubwürdig, illegitim und politisch nicht ernst zu nehmen», findet die FDP.
(amc)