90 LeichenGruselgeschichten vom Seegrund
Ertrunkene wie den 49-jährigen Motorjachtbesitzer gibt der Bodensee selten wieder her. Zu den rund hundert Verschollenen gehören auch einige dubiose Gestalten.

Die am 24. Januar 1994 in den Bodensee gestürzte Cessna wurde am 7. Februar geborgen. Während Tagen vor der Bergung wurde vermutet, in der Maschine befinde sich radioaktives Material.
Heftige Böen hatten am 1. August die Sitzkissen von Beda M.s Motorjacht in den See gefegt. Als dieser sie herausfischen wollte, fiel er in den See und ertrank. Gestern wurde die Suche nach dem Schweizer Geschäftsmann eingestellt.
«Wir haben keine Hoffnung mehr, dass der Mann noch lebt», sagte der St. Galler Polizeisprecher Hanspeter Krüsi am Mittwoch gegenüber dem St. Galler Tagblatt. Vermutlich wird der See den Geschäftsmann gar nicht mehr hergeben: Personen, die nicht in Ufernähe im Bodensee ertrinken, werden höchst selten geborgen. So wurden bis Ende 2009 88 Personen gezählt, die im See verschollen sind. «Die Statistik reicht nur bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück, vermutlich liegen darum noch viel mehr Leichen auf dem Grund des Bodensees», sagt Dietmar Issler, Leiter der Wasserschutzpolizeistation Friedrichshafen.
Wieso Ertrunkene nur selten wieder gefunden werden, liegt an der Tiefe des Bodensees: bis zu 254 Meter. Ertrunkene versinken meist sehr schnell und werden gleichzeitig von Unterwasserströmungen fortgetragen. «So entpuppt sich die Suche nach der Leiche wie die nach einer Stecknadel im Heuhaufen», sagt Issler. In der Tiefe ist das Wasser zudem sehr kalt, wodurch der Körper nur langsam verwest. Liegt die Leiche dann auf Grund, verhindert der grosse Druck, dass sie durch Fäulnisgase wieder hochgetrieben wird. «Die Leichen bleiben darum wohl für immer auf dem Seeboden», so Issler.
Strahlende Fracht im Bodensee?
Hinter einigen Verschollenen stecken spektakuläre Geschichten. Die dramatischste ist wohl die der im Januar 1994 in den See gestürzten Cessna, die in Altenrhein SG landen wollte. An Bord der aus Prag kommenden Maschine befanden sich zwei berüchtigte Berliner Geschäftsleute, zwei Frauen und ein Hund. Die Maschine konnte erst zwei Wochen nach dem Absturz geborgen werden. Bis zur Bergung jagte ein dramatisches Gerücht das nächste. Denn man hatte Angst, die Cessna habe radioaktives Material, sogenanntes Caesium, geladen. Die beiden Geschäftsleute Josef Rimmele und Klaus Eichler hatten laut Interpol bereits mit solchen strahlenden Stoffen aus der Ex-Sowjetunion gehandelt und wollten offenbar nach China weiterfliegen.
Als die kleine Maschine geborgen wurde, fand sich jedoch keine Spur von radioaktivem Material. Zwei der vier Leichen konnten damals geborgen werden. Zwei weitere Personen blieben für immer verschollen.
Jacques Piccard tauchte zur Verbrechensaufklärung ab
Ein knappes Jahr vor der Cessna soll ein arabischer Helikopter vor Friedrichshafen in den See gestürzt sein. Die vier nicht wieder aufgetauchten Opfer sollen hochrangige Geheimagenten gewesen sein.
Stoff für Krimis bietet auch die Geschichte von Doris Blass, der Gattin eines Ulmer Ingenieurs, die im August 1976 bei einem dubiosen Untergang einer Segeljacht vor Romanshorn ums Leben kam. Sie wollte sich offenbar von ihrem Mann scheiden lassen und befürchtete deswegen «einmal von einer Segeltour nicht zurückzukehren». Laut ihrem Mann soll die Jacht an jenem Tag Feuer gefangen haben. Er flutete sie angeblich, um den Brand zu löschen. Ihn konnten Segler an jenem Tag retten, Doris Blass blieb jedoch spurlos verschwunden.
Deshalb machte sich Jacques Piccard im März 1979 im Auftrag der Ulmer Anklagebehörde mit einem Mini-U-Boot auf die Suche nach der Frau. Zehn Tage lang war er im Bodensee und suchte 100 000 Quadratmeter Grund rund um die Unglücksstelle ab. Doris Blass blieb jedoch verschwunden.
Spektakuläre Abstürze in den Bodensee:
Februar 1989: Die Turboprop-Maschine Aero Commander 90 der Rheintalflug flog an jenem Morgen von Wien nach Hohenems A bei Dornbirn. An Bord des Flugzeugs befinden sich zwei Piloten und neun Passagiere. Unter ihnen der österreichische Sozialminister Alfred Dallinger und einige hochrangige Betriebsmanager. Wegen Nebel kann nicht in Hohenems gelandet werden. Die Turboprop weicht auf Altenrhein aus, wo nur zeitweise dichter Nebel herrscht. Beim Landeanflug durch den Nebel stürzt die Maschine ins Wasser. Alle elf Insassen kommen ums Leben. Eine Woche nach dem Absturz wird die Maschine mit den Leichen geborgen.
Januar 1989: Zwei Zürcher, darunter ein erfahrener Rega-Pilot, brachen mit einem gemieteten Helikopter zu einem Flug nach Friedrichshafen auf. Kurz vor der Ladung stürzte der Helikopter bei dichtem Nebel in den Bodensee. Die Maschine wurde erst fünf Jahre später gefunden und zusammen mit den Leichen geborgen.
Juni 1957: Ein Schulflugzeug der Swissair startete von Kloten aus zu einem Trainingsflug. An Bord: zwei Fluglehrer, zwei Ingenieure, ein Techniker und fünf Flugschüler. Über dem Bodensee sollte unter anderem das Fliegen mit nur einem Motor geübt werden. Mitten in einer Übung stürzte das Flugzeug in der Nähe von Arbon in den See. Alle neun Insassen kamen ums Leben. Nur vier der neun Leichen konnten zusammen mit dem Wrack geborgen werden.
August 1955 und März 1958: Gleich zwei Maschinen des Schweizer Kampfjet-Eigenbaus P-16 stürzen in den Bodensee. Die Piloten überlebten nur dank Schleudersitz. Der Bundesrat entscheidet sich danach gegen die Anschaffung von 100 P-16.