«Histotainment»Jetzt kann man als Game-Figur vor Nazis flüchten
In einem Game können Spieler in die Rolle von Flüchtlingen im 2. Weltkrieg und in der Gegenwart schlüpfen. So soll ein neuer Zugang zur Geschichte entstehen.
«The Journey of Europe», so heisst das Videogame, welches von der Pädagogischen Hochschule Luzern und dem Zürcher Studio Inlusio Interactive produziert wird. Das Spiel basiere auf historischen Tatsachen zum Thema Flucht und soll laut den Machern «unterhalten, visuell bestechen und gleichzeitig Wissen vermitteln.» «Histotainment» nennt die PH den Mix aus Spiel und Geschichte in ihrer Mitteilung vom Dienstag.
Im Game steuern die Spieler zwei Flüchtlingskinder während des 2. Weltkrieges und in der Gegenwart durch Europa. Die beiden Mädchen treffen immer wieder auf Menschen, die sie auf ihrem Weg unterstützen oder auch behindern.
Flüchtlinge damals und heute
Der Fluchtweg des jüdischen Mädchen im 2. Weltkrieg führt dieses durch Nordeuropa bis in den Süden des Kontinents. Das Spiel basiere auf wahren Biographien vertriebener, geflüchteter und deportierter Europäer, so die Macher. Es thematisiere anhand eines möglichen Einzelschicksals die «Ausgrenzung, welche Millionen von Menschen während des Krieges erleiden mussten».
In der zweiten Geschichte geht es um ein Mädchen in der Gegenwart. Hier spielt sich die Ausgrenzung aber nicht innerhalb, sondern an einer der Küsten Europas ab: «So werden die Ausgrenzungen der Vergangenheit, welche als Konsequenz zur Entstehung eines friedlichen Europas führten, denjenigen der Gegenwart gegenübergestellt.»
«Neue Impulse im digitalen Zeitalter»
Interaktive Formate wie Games würden sich besonders gut dafür eigenen, einen neuen Zugang zur Geschichte zu ermöglichen. Deshalb hat die PH Luzern gemeinsam mit den Produzenten von Inclusio Interactive das Computerspiel entwickelt. Die Schüler sollen dort abgeholt werden, wo sie sich auch in ihrer Freizeit gerne bewegen: im Game-Universum. «Das Spiel hat das Potenzial, der Geschichtsvermittlung in Schule und Öffentlichkeit im digitalen Zeitalter neue Impulse zu geben und im Unterricht historisches Lernen zu ermöglichen», erklärt
Peter Gautschi, Leiter des Projekts.
«Den Holocaust kann man nicht ausschalten»
«Gamification», also die Gamifizierung von historischen Ereignissen sorgte auf dem «stARTcamp.ch» in Aarau für Diskussionen. Unter anderem ging es um Fragen, ob Aspekte des Holocaust «ausgehandelt» werden dürfen. Dabei gabs auch Kritik; man könne den Holocaust nicht einfach ausschalten wie ein Game, wie «public-history-weegly.com» schreibt. Andere argumentierten damit, dass das Spielen mit dem Holocaust ohnehin stattfinden würde. Die Spiele müssten aber ehrlich und sensibel mit den Themen umgehen.
Beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) kommt das neue Game der PH Luzern jedenfalls gut an. «Ein Videospiel ist ein möglicher Ansatz, um Jugendlichen solche Themen verständlich und anschaulich zu vermitteln. Es ist zu begrüssen, wenn sich Bildungsinstitutionen, um Wissensvermittlung, Aufklärung und mehr Verständnis bei solchen Themen bemühen, sei das nun im Unterricht oder per Videospiel», sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des SIG.
Das erste Kapitel des Games «The Journey of Europe» wird am Europatag im Mai 2020 für Schulen vorveröffentlicht, anlässlich des 70. Jahrestags von Frieden und Einheit in Europa.