«Betreiber halten Grenzwerte nicht ein»

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Digitale Werbeflächen in Zürich«Betreiber halten Grenzwerte nicht ein»

12 neue digitale Werbeflächen sollen ab nächstem Jahr ins Stadtbild von Zürich aufgenommen werden. Das sorgt nicht bei allen für Applaus.

von
Jennifer Furer

So funktionieren die digitalen Werbetafeln – ein Zeitraffer. (Video: tam)

Sie blinken, leuchten und wechseln im vorgegebenen Takt die Bilder: digitale Werbebildschirme. In der Schweiz sind sie auf dem Vormarsch, denn die Wirtschaft setzt auf die bewegten Bilder, welche die Aufmerksamkeit von Passanten und Pendlern wecken. Auch in Zürich breitet sich die Werbeform aus.

Bereits jetzt stehen 35 digitale Werbeanlagen und Citypläne auf dem Stadtzürcher Grund. Nun sollen 12 weitere folgen, wie 20 Minuten weiss. Derzeit sucht die Stadt Zürich mittels öffentlicher Ausschreibung nach einer Pächterin der 12 neuen Werbeanlagen. Der Gewinner soll bis Ende Jahr bekannt gegeben werden, die Anlagen werden 2020 aufgestellt.

Eigene Messung der Grenzwerte

Die 12 neuen statischen oder animierten Anlagen zieren bald die Landschaft unter anderem am Bleicherweg, am Bellevueplatz, an der Löwenstrasse und an der Bahnhofstrasse. «Digitale Werbeanlagen werden sehr gezielt dort positioniert, wo hohe Frequenzen vorhanden sind: Einkaufsstrassen, Verkehrsknoten und Quartierzentren», sagt Fabian Korn, Projektleiter Kommunikation beim Amt für Städtebau. Zudem müssten die Standorte städtebaulichen, stadträumlichen und sicherheitstechnischen Anforderungen genügen.

Unter anderem an der Badenerstrasse in Zürich wird 2020 eine digitale Werbeanlage aufgebaut.
Bereits jetzt stehen 35 digitale Werbeanlagen und Citypläne auf dem Stadtzürcher Grund.
In den letzten Jahren sind rund 150 der aktuell rund 1800 konventionellen Plakatwerbeanlagen verschwunden und bis ins Jahr 2023 sollen weitere 75 Flächen abgebaut werden.
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Unter anderem an der Badenerstrasse in Zürich wird 2020 eine digitale Werbeanlage aufgebaut.

Alles andere als glücklich über die neuen digitalen Werbeanlagen ist Lukas Schuler, Präsident von Dark-Sky Switzerland. Denn bereits die heutigen Werbeanlagen würden die von der Stadt festgelegten Grenzwerte der Leuchtdichte zum Teil massiv überschreiten: «Die Betreiber halten die Grenzwerte nicht überall ein und überschreiten diese. Das haben unsere Messungen kürzlich ergeben.»

Das sei unter anderem ökologisch problematisch und stehe im «krassen Widerspruch» zum Vorsorgeprinzip im Umweltschutz. «Je mehr Licht wir produzieren, desto mehr Energie brauchen wir unnötig und desto schädlicher für die Umwelt», so Schuler. Ausserdem werde die Nacht immer mehr zum Tag gemacht. «Das ist unnatürlich und schadet unserer Erholung.»

Schuler sagt: «Wir pflegen den Kontakt zur Stadt Zürich seit längerem, um die Situation allgemein zu verbessern. Wir werden unsere Resultate vorlegen und erneut auf Einhaltung der Normen und Grenzwerte pochen.»

Betriebszeiten festgelegt

Projektleiter Fabian Korn sagt, dass sowohl die Leuchtdichte als auch die Betriebszeiten von den Betreibenden eingestellt werden können. «Grundsätzlich vertrauen wir den Betreibenden, dass die Betriebsmodalitäten eingehalten werden, die Vorgaben werden aber bei Reklamationen oder im Rahmen von Stichproben überprüft.» Die Vorgaben würden einen sicheren und verträglichen Betrieb garantieren.

Ursulina Stecher, Sprecherin von Clear Channel, der Betreiberin der Anlagen, sagt: «Wir stellen unsere Geräte auf die vorgegebenen Werte ein und überprüfen sie periodisch.» Zudem seien alle Screens mit Tageslichtsensoren ausgestattet, welche die Helligkeit steuern würden. «Bei unserer letzten Prüfung in Zürich haben wir an zwei Standorten Anpassungen vorgenommen.»

Ökobilanz verbessern

Nebst der Leuchtdichte, würden unter anderem auch die Betriebszeiten vertraglich festgesetzt: Die 55-Zoll-Bildschirme dürfen nur zwischen der Morgendämmerung und 22 Uhr leuchten. In den Betriebsvorgaben ist ebenso festgehalten, dass die energieeffizientesten Geräte eingesetzt werden müssten.

«Eine vergleichende Ökobilanz der ersten Testanlagen 2015 hat gezeigt, dass digitale Werbemedien in der Herstellung und im Betrieb zwar mehr Energie als konventionelle Plakate benötigen», sagt Korn. Hingegen in der Logistik könne Energie eingespart werden, da die Bewirtschaftung der digitalen Anlagen quasi per Knopfdruck erfolgen könne und nicht mehr mit dem Auto bewirtschaftet werden müsse. «Zudem entfällt der Aufwand für Druck und Papier.»

Um die Ökobilanz der Anlagen laufend zu verbessern, würden seit dem Test grösstenteils kleinere 55- statt 75-Zoll Bildschirme verwendet und die Plakatfirmen vertraglich verpflichtet, ausschliesslich Hardware mit hoher Energieeffizienz einzusetzen. «Zudem wird zur Kompensation ein Mehrfaches an konventionellen Plakatstellen im öffentlichen Grund aufgehoben», so Korn.

Abbau von weiteren 70 Plakatflächen

So seien in den letzten Jahren rund 150 der aktuell rund 1800 konventionellen Plakatwerbeanlagen verschwunden und bis ins Jahr 2023 sollen weitere 75 Flächen abgebaut werden.

Mit diesen Zahlen entgegnet Korn vom Amt für Städtebau der bereits mehrfach geäusserten Kritik von der IG Plakat, Raum und Gesellschaft, dass Werbebildschirme nicht in den öffentlichen Raum gehörten und der Ausbau zu stoppen sei.

Stadt erhält 45'000 Franken pro Monat

«Die Stadt Zürich will sich der Digitalisierung nicht verschliessen», so Korn. Zudem wolle sie das Geschäft nicht allein den Privaten überlassen. «Die Stadt Zürich will die Entwicklung in diesem Bereich mitsteuern.» Werbung sei seit über hundert Jahren Teil der Stadt und Ausdruck für wirtschaftliche Vitalität und Prosperität.

Für die Stadt geht es aber auch um viel Geld: Für den Betrieb von 15 digitalen Stadtplänen mit Werbebildschirmen auf einer Seite zahlt Clear Channel der Stadt zurzeit knapp 45'000 Franken pro Monat.

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