«Als Kind rief man mir rassistisches Zeugs nach»

Aktualisiert

Kantonsrätin Sarah Akanji«Als Kind rief man mir rassistisches Zeugs nach»

Sarah Akanji (25) ist eine begabte Fussballspielerin. Doch nun will sich die Schwester des Nati-Spielers Manuel Akanji im Kantonsrat für mehr Gerechtigkeit einsetzen.

Maja Sommerhalder
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Maja Sommerhalder
Sarah Akanji (25) spielt gern Fussball.
Sie gründete etwa die erste Frauenmannschaft des FC Winterthur mit.
Akanji mit ihren zwei Geschwistern: Ihr Bruder Manuel ist Nati-Spieler und hat sie als Kind mit dem Fussballfieber angesteckt.
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Sarah Akanji (25) spielt gern Fussball.

Dieter Meierhans Henggart

Frau, Akanji, am Sonntag wurden Sie mit einem Glanzresultat in den Kantonsrat gewählt. Die Freude über die meisten Stimmen in der Stadt Winterthur muss riesig sein.

Sarah Akanji: Natürlich. Ich war auf dem Fussballplatz, als ich es erfuhr, und hätte niemals damit gerechnet. Ich realisiere meinen Erfolg erst jetzt langsam.

Sie sind die Schwester des Nati-Verteidigers Manuel Akanji, und viele Medien haben vor der Wahl über Sie geschrieben. Könnte der Wahlerfolg damit zusammenhängen?

Es half sicher, dass die Leute über die Medien erfuhren, dass ich kandidiere. Aber man kannte mich schon vor dem Wahlkampf, weil ich mich etwa in Winterthur für den Sport einsetzte und vor fast drei Jahren die erste Frauenmannschaft des FC Winterthur mitgründete.

Hat Ihr Bruder Sie mit dem Fussballfieber angesteckt?

Ja, als Kind habe ich viel mit ihm gespielt. Ich bin dann dem FC Wiesendangen beigetreten – damals war ich das einzige Mädchen im Team.

War das schwierig?

Am Anfang haben mich die Jungs akzeptiert. Später als Jugendliche musste ich mir aber schon Sprüche anhören. So sagte man mir, dass nur Jungs gut im Fussball sein könnten. Aufhalten liess ich mich davon nicht. Ich wollte es diesen Nörglern zeigen.

Das haben Sie auch geschafft. Sie spielten eine Saison beim FC St. Gallen in der höchsten Liga. Warum verfolgten Sie die Profikarriere nicht weiter?

Ich war damals im Gymnasium. Da war neben der Schule der Weg nach St. Gallen weit und Verletzungen haben mich ausgebremst. Es lohnte sich auch finanziell nicht, voll auf die Karte Fussball zu setzen. Als Frau verdient man dort im Gegensatz zu den Männern wenig.

Wären Sie manchmal lieber ein Mann wie Ihr Bruder?

Nein. Aber dass Frauen im Fussball benachteiligt sind, ist für mich ein Ansporn, für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Im Fussball geht es mir dabei aber um das System und nicht um die einzelnen Spieler. Ich habe mich immer extrem gefreut, dass mein Bruder so erfolgreich ist. Von Neid keine Spur. Auch sein Lohn ist bei uns nie Thema. Generell bin ich aber für Lohngleichheit.

Spielte neben Fussball auch Politik in Ihrer Familie eine grosse Rolle?

Nein, das war bei uns nie ein grosses Thema. Ich war aber schon immer ein politischer Mensch, in einer Partei war ich aber nicht. Dazu bin ich erst vor einem Jahr gekommen, als ich nach meinem Bachelor in Geschichte und Politik ein Praktikum bei der SP Zürich machte. Dort arbeite ich noch heute als Campaignerin. Ich merkte, wie viel man als Parteimitglied bewirken und gestalten kann.

Das können Sie ja nun im Kantonsrat. Fehlt Ihnen dazu nicht etwas politische Erfahrung?

Nein, ich bin sehr motiviert und werde von meiner Partei gut unterstützt. Ich freue mich sehr, dass im Kantonsrat in den nächsten vier Jahren soziale und ökologische Themen mehr Gewicht haben. Unter anderem will ich mich für mehr Velowege und einen besseren ÖV starkmachen. An der SP gefällt mir, dass sie sich für Gerechtigkeit einsetzt.

Ihr Vater ist Nigerianer. Werden Sie da mit Vorurteilen konfrontiert?

Ja, so werde ich etwa oft auf Englisch angesprochen, oder als Kind rief man mir manchmal rassistisches Zeugs nach. Oft hatte ich wegen meiner Hautfarbe das Gefühl, nicht ganz dazuzugehören. So habe ich etwa als Jugendliche meine Haare gestreckt, weil mir meine afrikanischen Locken nicht gefielen. Sie waren so anders. Das ist aber schon lange vorbei. Ich bin angekommen und möchte anderen Mut machen, zu ihrer jeweiligen Individualität zu stehen.

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