«Religiöse Teenager sind homophober eingestellt»

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Angriffe auf Schwule«Religiöse Teenager sind homophober eingestellt»

Schwule Männer sind im Zürcher Niederdorf erneut angegriffen worden. Ein Experte erklärt die Gründe für Homophobie bei Jugendlichen.

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Beim Club Heaven in Zürich sind am Wochenende Schwule angegriffen worden, wie mehrere Leser-Reporter berichten.
Der Gay-Club Heaven liegt an der Spitalgasse im Zürcher Niederdorf. Dort waren die fünf schwulen Männer zu Gast.
Laut der Jugendanwaltschaft Kanton Zürich wurden drei Männer im Alter zwischen 21 und 37 Jahren nicht lebensgefährlich verletzt. Einer von ihnen erlitt aber eine Stichverletzung im Bereich des Oberkörpers.
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Beim Club Heaven in Zürich sind am Wochenende Schwule angegriffen worden, wie mehrere Leser-Reporter berichten.

Leser-Reporter

In der Nähe des Gay-Clubs Heaven sind in der Nacht auf Sonntag mehrere schwule Männer attackiert worden. Laut der Jugendanwaltschaft Kanton Zürich wurden drei Männer im Alter zwischen 21 und 37 Jahren verletzt. Einer von ihnen erlitt eine Stichverletzung im Bereich des Oberkörpers. Ein 15-jähriger Syrer konnte in der Zwischenzeit verhaftet werden, es laufen Ermittlungen.

Dirk Baier ist Leiter Institut Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Er erklärt in einem Interview die Gründe für Homophobie bei Teenagern.

Warum gehen Jugendliche auf Homosexuelle los?

Homosexuelle sind insbesondere abends im Ausgang mit verbaler und physischer Gewalt konfrontiert. Es sind insbesondere junge Männer, von denen die Gewalt ausgeht. Sie sind in Gruppen unterwegs und weisen eine gewisse Grundaggressivität auf. Homosexuelle im Ausgang sind einfach erkennbar und werden daher zu Zielscheiben der Jugendlichen.

Was sind das für Jugendliche?

Auf Basis von Befragungsstudien lässt sich klar sagen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund und religiöse Jugendliche homophober eingestellt sind – im Übrigen nicht nur Jugendliche mit islamischer Religionszugehörigkeit.

Was sind die Motive?

Gruppenzwang spielt zweifellos eine Rolle. Zusätzlich ist sicher auch der Alkohol- und Drogenkonsum als Auslöser zu benennen. Diese Gründe sind aber nicht hinreichend. Hinzu kommt ein eindimensionales Geschlechterverständnis, ein übertriebenes Männlichkeitsbild, das keinen Platz für Differenzierungen zulässt. Die jungen Menschen haben in ihrer Kindheit und Jugend nicht ausreichend vermittelt bekommen, alternative Geschlechtsidentitäten zu tolerieren.

Warum hat ein Jugendlicher überhaupt ein Messer dabei?

Man kann von einer Modeerscheinung sprechen. Aus Deutschland liegen Daten vor, die zeigen, dass junge Männer häufiger als früher Messer in der Freizeit mit sich führen. Und dann gibt es ein Risiko, dass das Messer auch eingesetzt wird. Diese Entwicklung ist mit Sorge zu betrachten.

Haben die Angriffe durch Jugendliche auf Schwule zugenommen?

Es gibt bislang keine verlässlichen Statistiken hierzu. Möglicherweise haben solche Übergriffe zugenommen, weil beispielsweise der Anteil an Migrantenjugendlichen in der Jugendgeneration steigt oder weil es einen Nachahmungseffekt gibt: Weil es andere Jugendliche tun, führt man selbst auch Gewalt gegen Homosexuelle aus.

Möglicherweise hat aber auch die Anzeigebereitschaft zugenommen. Das heisst, dass homosexuelle Opfer der Polizei oder der Öffentlichkeit von ihren Erlebnissen berichten. Das wäre aus meiner Sicht eine gute Entwicklung.

Was kann man dagegen tun?

Aus meiner Sicht sind das Elternhaus und die Schulen gefordert, Toleranz gegenüber Homosexuellen zu vermitteln. Zugleich braucht es auch eine Initiative der verschiedenen Religionen der Schweiz, die unmissverständlich klarmachen sollten, dass verschiedene sexuelle Orientierungen zu akzeptieren sind.

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