Die Überflieger aus dem Nichts

Aktualisiert

TP MazembeDie Überflieger aus dem Nichts

Ein hopsender Goalie, ein schillernder Präsident und ein lange gesperrter Star: Das ist TP Mazembe, der beste Fussballklub aus Afrika – jetzt zittert Inter vor den Kongolesen.

von
Reto Fehr

An Fussball denkt man nicht unbedingt, wenn man «Kongo» hört. Da fallen einem eher Begriffe wie grausamer Bürgerkrieg, das schwarze Herzen Afrikas oder der Tyrann Mobutu Sese Seko ein. Aktuell sorgt jedoch TP Mazembe für einmal für positive Schlagzeilen aus dem Riesenreich. Die Kicker schalteten an der Klub-WM in Abu Dhabi mit zwei Traumtoren im Stil von Brasilianern ausgerechnet Internacional Porto Alegre, den Copa-Libertadores-Sieger aus dem Land der Samba-Kicker, praktisch mit den eigenen Waffen aus. (Video unten) – womöglich eine der peinlichsten Niederlagen für die Brasilianer.

Für viele gleicht der Effort einer Sensation. Erstmals spielt ein afrikanisches Team um den Titel des Klub-Weltmeisters. Gegner im Final vom Samstag ist Inter Mailand. Bei den Italienern sitzt Rafael Benitez nicht mehr so sicher auf dem Trainerstuhl. Eine Niederlage dürfen sich die Nerazzurri nicht leisten.

Hopsender Keeper und ausflippender Superstar

In der Schweiz sind die Spieler aus dem Kongo unbekannt – obwohl es einige sehr interessante Akteure darunter gibt. Da wäre zum einen der Torhüter Muteba Kidiaba. Der 34-jährige fällt durch seinen Zopf und seinen Torjubel auf. Trifft sein Team, hopst er auf seinem Allerwertesten durch den Strafraum (Video unten). Er ist der grosse Held vom Halbfinal gegen Internacional mit unzähligen Paraden. Dabei wollte Kidiaba schon längst zurücktreten. 2009 schielte er auf einen Job als Goalie-Trainer. Dann spielte er doch noch einige Wochen weiter und reiste mit Mazembe an die Klub-WM 2009, wo er im Playoff-Spiel gegen Auckland City mit einer roten Karte als Mitschuldiger für die Niederlage ausgemacht wurde. Trotzdem wurden aus den Wochen Monate und jetzt steht er im Final in Abu Dhabi.

Der andere Star ist der grosse Abwesende: Tresor Mabi Mputu. Als «besser als Samuel Eto'o» bezeichnete ihn Entdecker Claude Le Roy einst. Vereine aus Deutschland, England und Frankreich – unter ihnen Arsenal – wollten ihn nach Europa locken. Erfolglos. Aber Genie und Wahnsinn liegen nahe beisammen. Der 25-Jährige Regisseur, Stürmer und normalerweise Captain ist ein Jahr lang – bis im September 2011 – gesperrt. Grund dafür ist eine wüste Attacke auf den Schiedsrichter im Spiel gegen APR.

Einmal vom Himmel in die Hölle - und zurück

Statt aufgrund des verletzten Stars zu verzweifeln, setzt der senegalesische Trainer Lamine N'Diaye auf das Kollektiv: «Natürlich hätten wir lieber einen Weltklassespieler wie ihn in der Mannschaft. Doch daraus wird definitiv nichts, also müssen wir eine andere Lösung finden.» Das ist N'Diaye gelungen. Viele Spieler aus dem Kongo und Sambia bilden das Gerüst des Teams, dazu kommen Kicker aus Kamerun, Zimbabwe oder der Zentralafrikanischen Republik. Im Halbfinal gegen Internacional standen sieben Nationalspieler in der Startelf. Dabei kommt der Erfolg nicht aus dem Nichts. Schon im letzten Jahr gewannen die Kongolesen die afrikanische Champions League, in der nationalen Liga holten sie seit 2000 fünf der zehn vergebenen Titel. Obwohl die «Krähen» schon in den späten 60er-Jahren ähnlich erfolgreich (3 Meistertitel, 2 CL-Titel, 2 Cupsiege) waren, versanken sie danach im Niemandsland. Bis Moise Katumbi übernahm.

Der starke Mann beim Team aus dem Süden des Kongos ist Präsident Katumbi, seines Zeichens Millionär und Gouverneur der Region Katanga, welche dank Mineralien wie Kupfer zu den reichsten des Landes gehört. Nach Unabhängigkeitswünschen der Region und Bürgerkrieg hat er den Verein wieder an die afrikanische Spitze geführt. «Nichts ist unmöglich in Mazembe» lautet die Devise des Vereins aus Lubumbashi. 1939 wurde dieser im ehemaligen Elisabethville von Benediktinermönchen gegründet. Obwohl das Team auch die «Krähen» genannt wird, frisst auf dem Wappen ein Krokodil einen Ball. Später wurde der Name «Engelbert» von einem Sponsor (Reifenhersteller) dem Klubnamen hinzugefügt, welcher mittlerweile jedoch wieder in den zweiten Rang getreten ist. Dafür ist das TP markant, welches nach den ersten grossen Erfolgen nicht ganz unbescheiden in den Namen aufgenommen wurde. TP steht für «Tout puissant» – total schlagkräftig. Aktuell stimmt das wieder.

Selfmade-Millionär buttert Millionen in den Klub

Katumbi ist ein Selfmade-Millionär. Als Sohn eines Griechen und einer Kongolesin verdiente er sich schon als 13-Jähriger mit Fischverkauf Geld, heute gilt er als schlauer Geschäftsmann und wurde 2007 zum ersten frei gewählten Gouverneur Katangas erkoren, wo er mit sonst bei afrikanischen Politikern so gar nicht vorhandenen Tugenden glänzt: Er gilt als ausgesprochen ehrlich, baut mit eigenem Geld Schulen und Spitäler und wird von seinen Anhängern als «Afrikas Obama» bezeichnet. Die Stadt Lubumbashi mit ihren knapp 1,5 Millionen Einwohnern erlebt auch dank ihm aktuell einen kleinen Boom mit einigen Investoren aus Europa und den USA.

Neben seinem politischen Engagement pumpt Katumbi jährlich rund zehn Millionen Euro in den Verein Mazembe – was für afrikanische Verhältnisse extrem viel ist. «Vergesst nicht, dass wir die Hoffnung eines ganzen Kontinents sind», gab der Patron seinen Kickern vor der Klub-WM mit auf den Weg. Sie scheinen verstanden zu haben.

Die herrlichen Tore gegen Internacional und der Hopser von Torhüter Kidiaba

(Quelle: YouTube)

Bezug zur Schweiz

Ehemaliger Spieler von TB Mazembe ist Leonard Saidi, welcher auf den Übernamen Suisse» hört. Grund dafür ist ein neunmonatiger Aufenthalt Saidis in der Schweiz.

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