Dieses 10'000-PS-Monster fährt eine Schweizerin

Aktualisiert

Dragster-PilotinDieses 10'000-PS-Monster fährt eine Schweizerin

Jndia Erbacher bändigt 10'000 PS. Jetzt erklärt sie die wichtigsten Merkmale ihrer über 500 km/h schnellen Maschine.

von
Fabian Sangines

Jndia Erbacher stellt ihr 10'000-PS-Monster vor. Video: FS

Es muss einem kalt den Rücken runterlaufen, wenn man im Auto sitzt und plötzlich merkt, dass der Motor explodiert. Insbesondere, wenn man in einem Fahrzeug sitzt, das über 10'000 PS stark ist. Wenn es brennt, der Übername «Feuerkugel», der für die Dragster-Fahrzeuge gerne verwendet wird, plötzlich Realität wird. «Es fühlt sich schon brutal an, zumal man nicht genau weiss, was passiert ist», erzählt Jndia Erbacher und ergänzt: «Noch komischer wird es einem, wenn das Feuerwehrauto in Vollspeed auf einen zurast.» Sie hat das alles schon erlebt.

Die Schweizerin hat sich mittlerweile im Dragster-Rennsport etabliert. Kürzlich hat sie eine neue persönliche Bestmarke aufgestellt: Die 302 Meter lange Strecke in 3,99 Sekunden. Dabei erreichte sie eine Spitzengeschwindigkeit von über 500 km/h. «Die genauen Zahlen kennen wir nicht», sagt die 24-Jährige. Ob 502 oder 522 km/h, spielt ja auch keine grosse Rolle mehr.

Das mit Alkohol verdünnte Nitromethan fliesst Erbacher quasi in den Adern. Sie war erst drei Wochen alt, als sie ihrem Vater Urs erstmals auf der Rennstrecke zusah. Mit 18 entschied sie sich, ebenfalls ins Hochgeschwindigkeitsbusiness einzusteigen. Sie tauschte ihr Pferd gegen anfangs 5000 und mittlerweile 10'000 Pferdestärken, erlag der Faszination der Power – aber auch dem familiären Spirit des Teams.

Bilder: Die Dragrace-Höllenmaschinen

Er wirkt wie eine Mischung aus Auto und Rakete: Der sogenannte «Dragster».
In der Königsklasse des Dragracing treten die Dragster gegeneinander an. Die Strecke: gerade und eine Viertelmeile lang. Geschwindigkeiten bis zu 500 km/h werden erreicht.
Gleichzeitig gibt es im Dragracing noch viele Kategorien, in denen mit anderen Vehikeln als dem Dragster gefahren wird. Beispielsweise mit Motorrädern, ...
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Er wirkt wie eine Mischung aus Auto und Rakete: Der sogenannte «Dragster».

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Dragster-Fahrerin Jndia Erbacher am Hockenheimring. (Video: Tamedia/NitrOlympx)

Trotz seiner sechs Dragster-Europameistertitel war der Papa davon zu Beginn alles andere als begeistert. «Er konnte aber wenig ausrichten. Ich hatte schon meinen Sponsor und war volljährig», erzählt Erbacher und lächelt verschmitzt. So blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Tochter zu unterstützen.

Das tat er. Mit Know-how und vor allem seinem erfolgreichen Team. «Mit diesen Jungs sind wir auf bestem Weg, das Gleiche zu leisten, was sie mit meinem Vater geschafft haben», sagt die Rennfahrerin und verweist gleichzeitig auf Segen und Fluch. Als Tochter einer Dragster-Legende sind Erwartungen automatisch nicht weit weg: «Das ist schon nicht ganz einfach, die Fussstapfen sind riesig.» Da hilft es, dass sie selber schon ohnehin hohe Ansprüche an die eigene Leistung hat. Bereits im kommenden Jahr will sie um den EM-Titel mitfahren, Ende 2019 sogar in den USA angreifen, bei den ganz Grossen.

Kräfteunterschied von bis zu 10g

Ohnehin vergisst die Arlesheimerin alles um sich, sobald sie im Dragster sitzt. Richtig nervös ist sie nur beim Einsteigen, danach blendet sie alles aus: «Ich trete in eine Fantasiewelt ein, beim Bremsen werde ich dann in die Realität zurückgeholt.» Und das ziemlich unsanft: Während des Rennens ist der Körper einer Kraft von bis zu 6g ausgesetzt. Betätigt sie ihren Fallschirm und bremst ab, fällt die Kraft auf minus 4g – dieser Unterschied von 10g entspricht in etwa der Belastung, die Astronauten in der russischen Sojuskapsel beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre spüren: «Da wird die Wirbelsäule einmal richtig schön durchgestreckt.» Kein Wunder, hat Erbacher nach nahezu jedem Rennen Kopfschmerzen.

Um diese Kräfte auszuhalten, muss Erbacher körperlich in Topform sein. Die Belastung ist aber auch fürs Auto gross. Nach jedem Rennen müssen die geschmolzenen Kolben ersetzt werden, fast das ganze Auto muss einmal auseinandergeschraubt und wieder zusammengesetzt werden: «Jedes Rennen kostet uns total um die 30'000 Franken.»

Privat ist Erbacher gemächlicher unterwegs, fährt statt eines Sportwagens einen SUV: «Ich kann mir meinen Geschwindigkeitskick auf der Rennstrecke holen.» Und auch dort hat sie einen gesunden Respekt vor ihrer Maschine, die sie liebevoll «Jasmine» nennt: «Wenn ich merke, dass etwas nicht stimmt, gehe ich sofort vom Gas – auch wenn es den Sieg kostet. Gesund aus dem Auto zu steigen, ist wichtiger als eine Medaille.»

Die wichtigsten Merkmale ihres Dragster-Wagens und weshalb er «Jasmine» heisst, erklärt Erbacher oben im Video.

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