Alstom-Stellenabbau12'000 Industriejobs weg seit Mindestkurs-Aus
Rabenschwarzer Tag für den Werkplatz Schweiz: Der Technologie-Konzern Alstom streicht in der Schweiz 1300 Jobs. Ist der Abbau in der Industrie noch umkehrbar?
Noch bei Bekanntwerden der Übernahme von Alstom durch den US-Konzern General Electic (GE) im Sommer 2014 hatte sich Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann zuversichtlich gezeigt, dass Schweizer Jobs nicht gefährdet seien. Eineinhalb Jahre später und fast auf den Tage genau ein Jahr nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank ist die Realität eine andere. Am Mittwochmorgen gab GE bekannt, europaweit 6500 Jobs abzubauen, rund 1300 davon bei Alstom in der Schweiz.
Die Ankündigung ist auch für den Kanton Aargau ein harter Schlag (siehe Box). Bei Alstom wird rund jeder vierte Arbeitsplatz in der Schweiz abgebaut – nach dem Kahlschlag verbleiben hierzulande noch 4200 Alstom-Jobs. In Baden haben die Divisionen Power Services und Steam Power Systems ihre Hauptsitze, zudem unterhält die Firma Werke in Turgi, Dättwil, Birr und Oberentfelden.
«Synergieeffekte bedeuten immer Arbeitsplatz-Abbau»
Wie stark hängt Alstoms Jobabbau mit der Übernahme durch GE zusammen? Dazu sagt Arbeitsmarktspezialist Yngve Abrahamsen von der Konjunkturforschungsstelle Kof, dass eine Zusammenlegung mit GE nur Sinn ergebe, wenn damit Einsparungen zu erzielen seien. «Diese sogenannten Synergieeffekte bedeuten immer einen Arbeitsplatzabbau. Zudem ist das Marktumfeld für Gasenergie nicht gerade positiv. Es geht also auch um einen normalen Strukturwandel», sagt Abrahamsen zu 20 Minuten.
Laut Abrahamsen hat die Frankenstärke allerdings den generellen Arbeitsplatzabbau beschleunigt. Zwischen 2003 und 2008, als der Franken niedrig stand, hätten in der Schweiz die industriellen Arbeitsplätze zugelegt. Die Abbauwelle habe danach eingesetzt und sich nun verstärkt.
«Ein Schlag ins Gesicht aller Angestellten»
Von einem Kahlschlag für die Schweizer Industrie spricht der Verband Angestellte Schweiz. Viel rascher als gedacht zeige der amerikanische Konzern seine Zähne, heisst es in einem Communiqué. Erst im November 2015 waren die Schweizer Betriebsteile von Alstom zu GE übergegangen. «Dass nun in einem derart massiven Umfang Stellen so rasch nach der Übernahme abgebaut werden, ist ein Schlag ins Gesicht aller Angestellten – the american style of management ist definitiv auf dem Werkplatz Schweiz angekommen», kritisiert Christof Burkard von Angestellte Schweiz.
Entsetzt über den Stellenabbau zeigt sich auch die Gewerkschaft Syna. «Der Schweizer Werkplatz erleidet einen weiteren Tiefschlag, den der durch die Frankenstärke arg gebeutelte Industriesektor nur schwer verdauen kann», heisst es in einer Stellungnahme. GE wolle die Produktion von Gasturbinen an ihren Standorten in der Schweiz aufgeben und am Standort in Belfort, Frankreich, konzentrieren. Dies wegen Überkapazitäten und der allgemeinen konjunkturellen Weltlage. In der Schweiz verbleibt die Wartung der Turbinen.
12'000 Industriejobs sind bereits weg
Seit der Aufgabe des Mindestkurses dürften in der Schweiz mindestens 12'000 Industriejobs verloren gegangen sein. Zwischen Anfang und Mitte 2015 hat sich die Anzahl Beschäftigte in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) gemäss offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik um rund 4500 reduziert. «Wir gehen davon aus, dass im zweiten Halbjahr mindestens noch einmal so viele Stellen abgebaut wurden», sagt Swissmem-Sprecher Ivo Zimmermann zu 20 Minuten.
Zudem dauere es mindestens sechs Monate, bis eine Ankündigung eines Stellenabbaus auch in den offiziellen Statistiken sichtbar werde. Gründe dafür sind Konsultationsverfahren, Kündigungsfristen sowie die Staffelungen des Abbaus. «Das volle Ausmass der Folgen der Überbewertung des Schweizer Frankens wird sich erst im Verlauf des Jahres 2016 zeigen», so Zimmermann.
«Gemeinsam für Jobs und unser Land»
Die Nachricht vom Kahlschlag bei Alstom kommt neben den betroffenen Angestellten und dem Kanton Aargau auch Wirtschaftsminister und Bundespräsident Schneider-Ammann ganz ungelegen. «Gemeinsam für Jobs und unser Land» hat er kürzlich als Motto seines Präsidialjahres ausgerufen.
Nach Bekanntwerden des Jobabbaus lies Schneider-Ammann verlauten, die Märkte hätten sich verändert, die Rahmenbedingungen seien nicht mehr die gleichen. «So gesehen muss man ein gewisses Verständnis haben.» Für die Betroffenen in den Unternehmen sei das jedoch dramatisch. Der Bundespräsident hofft nun, dass der Schaden für den Standort Schweiz in Grenzen gehalten werden kann.
Mitarbeit: Isabel Strassheim und Fabian Lindegger
Kanton Aargau setzt Task Force ein
«Ein Stellenabbau in dieser Dimension ist ein harter Schlag», lässt sich der Aargauer Regierungsrat Urs Hofmann, Vorsteher des Departements Volkwirtschaft und Inneres, in einer Mitteilung zitieren. Der Regierungsrat des Kantons Aargau will deshalb eine Task Force einrichten, wie es weiter heisst. Zusammen mit der Unternehmensleitung und den Sozialpartnern sollen so Massnahmen erarbeitet werden, damit so wenig Stellen wie möglich abgebaut werden müssen und der verbleibende Abbau sozialverträglich erfolge. Der Aargauer Regierungsrat hofft zudem, dass durch Kurzarbeit die Zahl der gestrichenen Stellen möglichst klein gehalten werden kann. (lin)
Frankreich sicherte sich die Jobs
Frankreich rang GE im Zuge der Übernahme von Alstoms Energiesparte Garantien für die französischen Standorte ab. So sollen während den nächsten drei Jahren Netto 1000 Stellen in Frankreich geschaffen werden. Laut einem Bericht der BBC hält GE an diesen Plänen fest. Die Schweizer Gewerkschaft Syna kritisiert in einer Mitteilung nun, dass die «Schweizer Politik mit ihrer gänzlich fehlenden Industriestrategie indes nicht den kleinsten Finger gekrümmt» hat. (lin)