Lobbyismus im Parlament«200 Apéro-Einladungen pro Jahr» – so beeinflussen Lobbyisten die Politik
Wer bestimmt wirklich, was im Bundeshaus entschieden wird? 20 Minuten blickt in den nächsten Wochen auf die wichtigsten Lobby-Vertreter. Parlamentarier erzählen von ihren Erlebnissen.
Darum gehts
Bis zu zehn Mittagessen gleichzeitig organisieren Lobbyisten, um Politikerinnen und Politiker in ihrem Sinn zu beeinflussen.
Am aktivsten ist die Gesundheits- und Pharma-Lobby, sagt der Grüne Nationalrat Felix Wettstein.
Das massive Lobbying sorgt für Kritik. Ein Nationalrat bezeichnet Lobbyisten sogar als «Wegelagerer».
Gerade im Wahljahr äugt die Bevölkerung kritisch nach Bundesbern. Denn die Parteien wiederholen unablässig ihre Kernbotschaften. Doch welche Interessen wirklich hinter den politischen Entscheiden stecken, bleibt oft unklar.
Hinter verschlossenen Türen und in den Mailboxen der Politikerinnen und Politiker tummeln sich Lobby-Vertreter diverser Branchen. Allein die schiere Menge an Einflussversuchen sei gigantisch, erzählt Felix Wettstein. Der Nationalrat der Grünen zählt regelmässig die Zahl von Mails und Einladungen.
«Alleine für die letzte Sommersession habe ich 49 sogenannte Sessionsbriefe von Lobbyorganisationen erhalten,» sagt Wettstein. In diesen Briefen bitten Lobbyorganisationen Parlamentsmitglieder, jeweils in einem bestimmten Sinn abzustimmen.
In drei Wochen Session kann man sich durchfüttern – wenn man will
«Es gibt Mittagspausen mit sechs bis zehn Anlässen gleichzeitig», sagt Wettstein. «An diesen Events tritt der berühmte ‹Berner Filz› zutage. Viele dieser Apéros werden von Ratskollegen mitorganisiert, welche in den entsprechenden Verbänden tätig sind.»
Am aktivsten sind nach Wahrnehmung von Wettstein die Lobbyisten aus dem Gesundheits- und Pharma-Bereich, gefolgt von Banken, Versicherungen und Immobilien- und Baulobby. «Immer wieder werden wir auch von staatsnahen Organisationen wie den Konferenzen der Kantonsregierungen oder vom Städteverband kontaktiert.»
20 Minuten recherchiert für dich
«Wer ist so ‹blöd› einen Lobbyisten zu bezahlen?»
Das fragt SVP-Hardliner Andreas Glarner rhetorisch. Er bezeichnet gewisse Lobbyisten gar als «Wegelagerer», da sie bei den Eingängen des Nationalratssaals regelrecht auf Parlamentsmitglieder lauern würden. «In der Schweiz kann man mit jedem Parlamentsmitglied direkt reden. Dass man da noch Lobbyisten dazwischenschaltet, finde ich seltsam.»
Glarner kann nur den Kopf schütteln. Er kritisiert aber nicht nur die Lobbyisten in der Wandelhalle, sondern besonders auch jene, die als gewählte Volksvertreterinnen und Vertreter im National- und Ständerat sitzen: «Ich habe ja einmal in einem Vorstoss gefordert, dass man als Mitglied der Gesundheitskommission kein bezahltes Mandat aus der Gesundheitsbranche haben darf, das wurde ja bekanntlich abgelehnt – was ja auch etwas über die Gesundheitslobby und ihre lukrativen Jobs aussagt.»
Ein bisschen Lobbyismus ist ok
Sowohl Grünen-Wettstein, als auch SVP-Glarner wollen den Lobbyismus nicht total verdammen. «Gesellschaftliche Gruppen und Verbände sollten einen Draht haben ins Bundeshaus», sagt Wettstein. Seines Erachtens sollte es aber mehr Transparenz geben. «Die Höhe von Honoraren sollte ausgewiesen werden müssen», sagt er.
Und Glarner ergänzt: «Einen gewissen Nutzen haben Lobbyisten durchaus.» Denn als Milizpolitiker könne man nicht alles wissen. «Bei gewissen Vorlagen braucht es darum Interessenvertreter, die einem ihre Sicht der Dinge erklären, das verhindert auch Fehlentscheide des Parlaments.»
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