Bezirksgericht Zürich : 4-Franken-Lohn-Chef kassiert 10 Jahre Gefängnis wegen Menschenhandel

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Bezirksgericht Zürich4-Franken-Lohn-Chef kassiert 10 Jahre Gefängnis wegen Menschenhandel

Der Geschäftsführer eines Gipsergeschäftes, der Arbeitskräfte aus Osteuropa schamlos ausgenutzt hat, ist wegen Lohndumpings und weiteren Delikten schuldig gesprochen worden

«Er hat sie wie Dreck behandelt» – Arbeiter aus Ungarn und Moldawien werfen dem Chef Ausbeutung vor.
Die Arbeiter erhielten zu wenig Lohn, mussten zu lange arbeiten und lebten in desolaten Unterkünften.
Nun hat das Bezirksgericht Zürich den 4-Franken-Lohn-Chef wegen Menschenhandels verurteilt. 
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«Er hat sie wie Dreck behandelt» – Arbeiter aus Ungarn und Moldawien werfen dem Chef Ausbeutung vor.

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Darum gehts

  • Ein 42-jähriger Bauunternehmer muss für zehn Jahre ins Gefängnis.

  • Das Bezirksgericht Zürich ordnete wegen Fluchtgefahr Sicherheitshaft an. 

  • Er hat mit Arbeitskräften aus Ungarn und Moldawien Menschenhandel betrieben. 

  • Der Geschäftsführer eines Gipserunternehmens beutete die Arbeiter aus und betrieb Lohndumping. 

Dem 42-jährigen Schweizer ist vorgeworfen worden, Gipsarbeiter in Ungarn mit Stundenlöhnen von 16 bis 18 Franken angelockt, in der Schweiz dann nur vier bis neun Franken pro Stunde bezahlt zu haben. Arbeitskräfte aus dem noch viel ärmeren Moldawien haben laut Anklage Stundenlöhne von 80 Rappen bis 3.50 Franken erhalten – versprochen wurde ihnen ein Monatslohn von 1800 Euro. Die Anwerbung von Arbeitskräften zum Zwecke der Ausbeutung gilt strafrechtlich als Menschenhandel.

Mehr als die Staatsanwältin gefordert hat

Nun hat das Bezirksgericht Zürich am Montagnachmittag ein Urteil gefällt. Es hat den 42-Jährigen wegen gewerbsmässigen Menschenhandels, Betrugs, ungetreuer Geschäftsbesorgung, Misswirtschaft und einer Vielzahl von weiterer Delikte schuldig gesprochen. Es verurteilt den Beschuldigten zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren, abzüglich rund drei Jahren Untersuchungshaft. Zudem muss er eine Geldstrafe von 6150 Franken berappen. Dazu kommen Gerichtsgebühren sowie Genugtuung und Entschädigung für die ausgebeuteten Arbeiter in der Höhe von gegen hunderttausend Franken. Mit dem Urteil ist das Gericht über den Antrag der Staatsanwältin gegangen. Diese hat am Prozess Ende Februar eine unbedingte Freiheitsstrafe von acht Jahren und vier Monaten und eine unbedingte Geldstrafe von 5400 Franken verlangt.

Für das Gericht hat der Beschuldigte die Arbeiter aus Osteuropa, welche sich in einer wirtschaftlich prekären Situation befanden, ausgenutzt. Sie hätten zu viel arbeiten müssen, zu wenig Lohn erhalten, in desolaten Unterkünften leben müssen und keine geeigneten Arbeitskleider erhalten. Straferhöhend wirkten sich die vielen Vorstrafen und die lange Liste der angeklagten Delikte aus.

Fluchtgefahr wegen Doppelbürgerschaft

Gegen den Beschuldigten, der am Prozess und auch an der Urteilseröffnung fernbleiben durfte, ordnet das Gericht Sicherheitshaft an. «Es besteht Fluchtgefahr», so der Richter. Nicht nur wegen der Reststrafe von sieben Jahren, sondern weil er neben dem Schweizer Pass noch einen von Österreich besitzt. Die Kantonspolizei Zürich hat den Auftrag erhalten, den Mann zu verhaften. 

Die Bauarbeiter mussten täglich bis zu zehn Stunden arbeiten, am Samstag acht bis neun Stunden. Ihnen blieb kaum Geld für Essen übrig. Sie lebten in einer heruntergekommenen und schimmligen Altbauliegenschaft in Uznach SG und waren teilweise zu zwölft in einer 7,5-Zimmer-Wohnung untergebracht. Weiter soll der Beschuldigte die Angestellten mit einem Elektroschocker bedroht und sie beschimpft haben. Er stellte ihnen ungenügende Schutzkleidungen zur Verfügung. In der Anklageschrift sind sieben Männer aus Ungarn und 16 Männer aus Moldawien aufgelistet. Tatsächlich soll es sich aber um gegen hundert Personen gehandelt haben. Die Delikte wurden 2012 bis 2016 verübt. Im Februar 2017 wurde der Beschuldigte verhaftet und sass drei Jahre in Untersuchungshaft.

Der Anwalt des 42-Jährigen hat einen Freispruch im Hauptanklagepunkt Menschenhandel und für die meisten der 15 weiteren angeklagten Delikte verlangt. Sein Mandant sei lediglich wegen Misswirtschaft und ausländerrechtlicher Nebendelikte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten zu verurteilen. Die Untersuchung wurde einseitig geführt, argumentierte er am Prozess. «Die Arbeiter aus Ungarn und Moldawien sind aus freien Stücken in die Schweiz gekommen und haben jederzeit wieder gehen können.» 

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