40 Prozent fürchten sich vor mehr Überwachung

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Contact-Tracing-App40 Prozent fürchten sich vor mehr Überwachung

Eine Contact-Tracing-App registriert Begegnungen der Nutzer mit anderen Personen und speichert diese anonym. Zwei von fünf Schweizern befürchten, dass dies zu einer stärkeren Überwachung führen könnte.

Mit einer Contact-Tracing-App auf dem Smartphone könnte man vielleicht schon bald die Ansteckungskette des Coronavirus unterbinden.
Das planen App-Entwickler aus ganz Europa.
Das Ziel ist, dass positiv Getestete ihre Infektion der App melden, sodass diese automatisch Kontakt aufnehmen kann mit Personen, die dem Erkrankten zu nahe gekommen sind.
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Mit einer Contact-Tracing-App auf dem Smartphone könnte man vielleicht schon bald die Ansteckungskette des Coronavirus unterbinden.

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Darum gehts

• Mit einer Contact-Tracing-App soll registriert werden, welchen Personen die Nutzer begegnet sind. Wer mit Sars-CoV-2 infiziert wurde, kann dies in der App melden. Personen, die dem Infizierten begegnet sind, können so vor einer möglichen Infektion gewarnt werden.

• 68 Prozent der Schweizer wollen die App installieren oder ziehen dies in Erwägung. 40 Prozent befürchten, dass eine solche Contact-Tracing-App zu einer stärkeren Überwachung der Bevölkerung führen könnte.

• Ein Experte begrüsst die kritische Haltung der Bürger. Nun müsse der Bund Transparenz schaffen und Vertrauen aufbauen.

Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus ist in der Schweiz zurückgegangen. Eine Contact-Tracing-App soll eingesetzt werden, um Ansteckungsketten verfolgen zu können. App-Nutzer, die Kontakt zu einer infizierten Person gehabt haben, sollen so vor einer möglichen Ansteckung gewarnt werden. Die App soll ab dem 11. Mai zur Verfügung stehen.

Wie die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mitteilte, beabsichtigen 68 Prozent der Schweizer, die App «auf jeden Fall oder wahrscheinlich zu installieren». Dies geht aus einer repräsentativen Befragung hervor, die die ZHAW School of Management and Law durchgeführt hat. Untersucht wurde, was die Schweizer von einer freiwilligen und anonymen Aufzeichnung von Begegnungen via Bluetooth halten.

Transparenz ist wichtig

Nicht alle stehen der App bedenkenlos gegenüber: 40 Prozent befürchten eine stärkere Überwachung. «Trotz der hohen grundsätzlichen Akzeptanz gibt es in der Bevölkerung offenbar einige Bedenken – selbst gegenüber einer Contact-Tracing-App, die keine Standort- und Bewegungsdaten erfasst», sagt Nico Ebert, Dozent am Institut für Wirtschaftsinformatik der ZHAW.

Weiter haben etwa 30 Prozent Bedenken, dass ihr Smartphone wegen der App leichter gehackt werden könnte. «Es ist deshalb wichtig, bei der Einführung einer Contact-Tracing-App auf diese Sorgen einzugehen. So braucht es etwa Transparenz über die genaue Funktionsweise der App und über Massnahmen zur Wahrung des Datenschutzes», sagt Michael Widmer, Dozent am Zentrum für Sozialrecht der ZHAW.

Der Wille, andere zu schützen, ist jedoch offenbar vorhanden: Gemäss Studie würden neun von zehn Personen eine Corona-Infektion «auf jeden Fall oder wahrscheinlich» in der App erfassen. Viele würden der App auch bei einer Aufforderung zur Reduzierung der Kontakte Folge leisten. «Zumindest in Bezug auf das beabsichtigte Nutzungsverhalten der Menschen wäre somit eine Voraussetzung gegeben, damit die App ihren Zweck erfüllen kann», sagt Ebert.

Unklar, wie lange die App genutzt wird

«Ich halte die Bedenken der Bevölkerung für berechtigt, denn solche Tracing-Apps haben Überwachungspotenzial und unser Staat ist datenhungrig», sagt Rechtsanwalt Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft. Mit einer dezentralen Speicherung der Daten sei die Schweiz jedoch auf einem guten Weg.

Bedenken kommen laut Steiger auf, weil man nicht weiss, wie lange die App im Einsatz sei: «Es stellt sich die Frage: ‹Wie lange brauchen wir diese App?› Die Pandemie hat schliesslich kein Enddatum.» Hinzu komme die Befürchtung, ob solche Tracing-Daten nicht auch für andere Zwecke genutzt würden.

Obligatorium nicht zielführend

«Den Bedenken muss man aktiv begegnen», findet Steiger. Wenn es im Zusammenhang mit der App Negativschlagzeilen gebe, sei das Vertrauen schnell verloren. Deshalb müsse der Bund Transparenz schaffen: «Der Quelltext der App insbesondere muss dauerhaft verfügbar sein, damit Fachleute diesen untersuchen können.» So könne man verhindern, dass die App für andere Zwecke missbraucht werde. «Es braucht zudem ein Bekenntnis dazu, dass die App tatsächlich nur in Bezug auf die aktuelle Situation genutzt wird.»

Wichtig sei zudem das Prinzip der Freiwilligkeit. Ein Obligatorium sei nicht zielführend: «Durch eine freiwillige Nutzung der App kann Vertrauen geschaffen werden», sagt Steiger.

Dezentraler Ansatz

In der Schweiz wird an einem Modell gearbeitet, das auf einem dezentralen Ansatz beruht. Das heisst, dass heikle personenbezogene Daten das Handy nicht verlassen. Der Datenschutz ist sozusagen in der App integriert. Die Smartphones, auf denen die App installiert ist, kommunizieren nur untereinander, und die Daten werden nicht zentral gespeichert.

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