Übersicht5 Fragen rund um nachhaltige Ernährung
Bei der Ernährung herrscht kein Konsens darüber, wie der Planet am besten geschützt werden kann. Hier findet ihr die wichtigsten Erkenntnisse dazu.

Rund ein Drittel der konsumbedingten Umweltbelastungen in Europa wird durch die Ernährung verursacht.
Foto: iStockBeim Thema nachhaltige Ernährung gehen die Meinungen stark auseinander. Auch viele Nachhaltigkeitsexperten sind sich uneinig, welche Faktoren bei der Ökobeurteilung wie stark gewichtet werden sollen. Betrachten wir in erster Linie die bei der Produktion entstandenen CO2- und Treibhausgasemissionen? Welche Rolle spielt der Wasserverbrauch? Wie wichtig sind Tierwohl und Artenvielfalt? Was ist mit Chemikalien, Pestiziden und Antibiotika? Auf solche Fragen gibt es meistens keine allgemeingültigen Antworten, und jeder Konsument muss diese Entscheidungen täglich für sich selbst treffen.
Es ist schwierig, die Ökobilanz von Lebensmitteln mit einer genauen Kennzahl anzugeben. Die Ökobilanz gibt an, wie stark Anbau, Transport, Verarbeitung oder Lagerung von Lebensmitteln die Umwelt belasten. Für die Berechnung von Umweltaspekten auf dem gesamten Lebensweg werden jedoch viele Zahlen und Informationen benötigt, die nicht auf der Packung stehen und nur schwer zurückverfolgt werden können. Ausserdem unterscheiden sich die Produktionsweisen je nach Landwirt stark. In gewissen Punkten sind sich die Experten aber einig, und es gibt einige Richtlinien für eine nachhaltige Ernährung. Unten werden fünf Fragen dazu beantwortet.
Worauf sollten umweltbewusste Konsumenten beim Lebensmitteleinkauf achten?
Rund ein Drittel der konsumbedingten Umweltbelastungen in Europa wird durch die Ernährung verursacht. Die Produktion macht den Hauptanteil aus. Verpackung, Transport, Lagerung, Zubereitung und Entsorgung fallen in der Regel deutlich weniger ins Gewicht. Besonders umweltbelastend ist die Tierhaltung: Sie ist sehr ressourcenintensiv und verursacht signifikant mehr Treibhausgasemissionen als der Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln. Tierische Proteine sind gemäss WWF im Schnitt für die Hälfte der ernährungsbedingten Umweltbelastungen verantwortlich. Ein vegetarisches Menü belastet das Klima im Durchschnitt dreimal weniger als ein Gericht mit Fleisch. Noch besser für die Umwelt wäre eine vegane Ernährung. So reduziert sich der ökologische Fussabdruck eines durchschnittlichen Schweizers im Bereich der Ernährung beispielsweise um 24 Prozent, wenn auf vegetarische Ernährung umgestellt wird. Wer gänzlich auf tierische Produkte verzichtet – sich also vegan ernährt –, hat in puncto Ernährung einen um 40 Prozent kleineren Fussabdruck. Pflanzliche Lebensmittel sind daher fast immer besser für die Umwelt als tierische Proteine. Wer regelmässig auf Fleisch, Milch und Eier verzichtet, kann also einen wertvollen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Auch lokal einkaufen macht einen Unterschied: Die Öko- und Energiebilanz von regionalen und saisonalen Produkten ist meistens signifikant besser als diejenige von importierten Lebensmitteln.
Zu guter Letzt gilt es Essen wertzuschätzen. Bis zu einem Drittel aller in der Schweiz produzierten Lebensmittel geht auf dem Weg zum Teller verloren oder wird verschwendet. Das sind pro Jahr rund zwei Millionen Tonnen Nahrungsmittel. Werfen wir einwandfreie Lebensmittel in den Abfall, werden knappe Ressourcen wie Wasser, Böden und fossile Energieträger also vergebens belastet oder verbraucht. Gleichzeitig verknappt eine durch Verluste erhöhte Nachfrage das weltweite Angebot an Lebensmitteln – während die Ernährungssicherheit vieler Menschen nicht garantiert ist. Man sollte deswegen nur einkaufen, was auch konsumiert wird. Reste können vielfach problemlos wiederverwertet werden. So gehen keine wertvollen Nahrungsmittel verloren.
Was beeinflusst die Ökobilanz von Lebensmitteln massgeblich?
Ein wichtiger Aspekt bei der Ökobeurteilung von Lebensmitteln ist die graue Energie. Dabei handelt es sich um die Energiemenge, die auf dem gesamten Lebensweg der Produkte benötigt wird. Sie steckt zum Beispiel im Wärme- und Strombedarf bei der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln, im verbrauchten Treibstoff für den Transport, in der Produkteverpackung, sowie Strom- und Wärmebedarf bei Lagerung, Verkauf und Zubereitung. Neben den Lebensmittelproduzenten tragen auch die Käufer zur Öko- und Energiebilanz von Lebensmitteln bei. Dies ist mit der Wahl des Verkehrsmittels für die Anreise zum Laden oder Markt, dem Einkaufsort und der Aufbewahrung sowie Verwertung der Produkte möglich.
Bei Fleisch setzt sich die graue Energie beispielsweise zusammen aus der Gesamtenergiemenge für die Produktion der Futtermittel der Tiere, dem Treibstoffverbrauch beim LKW-Transport, dem Stromverbrauch für den Schlachthof und der Kühlung des Fleisches, der Lagerung, der Plastikproduktion für die Verpackung, dem Strombedarf für das Licht und die Kühlung beim Verkauf im Handel, der Herstellung der Holzkohle für den Grill und der Entsorgung von Verpackungen. Am meisten Energie wird dabei typischerweise beim Anbau des Futters für die Tiere eingesetzt. So werden zum Beispiel fast zwei Tonnen Milch und Heu benötigt, um ein Kalb mit rund 200 Kilogramm Lebendgewicht aufzuziehen.
Ist eine vegane Ernährungsweise in jedem Fall besser für die Umwelt?
Wie oben beschrieben, steckt in Fleisch deutlich mehr graue Energie als in pflanzlichen Lebensmitteln. Dies ist vor allem auf die ressourcenintensive Aufzucht der Tiere zurückzuführen. Die Schweiz importiert pro Jahr über eine Million Tonnen Futtermittel. 300’000 Tonnen davon sind Soja, das grösstenteils aus Brasilien stammt. Gemäss einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen ist die Massentierhaltung zudem für rund 15 Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Auch wenn viele Fleischersatzprodukte aus Soja bestehen, wird der Löwenanteil der Sojaproduktion nach wie vor als Futtermittel für Nutztiere verwendet, und somit sind Fleischgerichte klar schlechter für die Umwelt als Sojaburger und dergleichen. Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen enthalten übrigens pro 100 Gramm vielfach mehr Proteine als Fleisch, und der Anbau von Hülsenfrüchten bindet Luftstickstoff im Boden. Dadurch lässt sich der Einsatz synthetischer Dünger reduzieren, die der Umwelt und dem Klima schaden.
Um zum Umwelt- und Klimaschutz beizutragen, ist es nicht nötig, sich komplett vegan zu ernähren – doch es kann nie schaden, den Konsum von tierischen Proteinen zu reduzieren. Fleisch, Milch und Eier sollten bewusst konsumiert werden, und die Lebensmittel stammen idealerweise von einem Biobauernhof aus der Region. Vegane Alternativen sind jedoch nicht immer umweltfreundlicher als tierische Lebensmittel: Statt Kuhmilch verwenden beispielsweise viele Veganer Mandelmilch, doch bei Mandeln sind der hohe Wasserbedarf und der lange Transport in die Schweiz problematisch. Auch die in vielen veganen Restaurants und Läden angebotenen Superfoods wie Quinoa, Acai- oder Gojibeeren sind für die Umwelt aufgrund grossflächiger Rodungen und langer Transportwege oftmals alles andere als super.
Welche Vorteile – neben Umwelt- und Klimaschutz – haben Früchte und Gemüse aus der Region?
Regionale und saisonale Lebensmittel enthalten mehr Vitamine und Nährstoffe als importierte Produkte. Frischprodukte, die aus fernen Ländern eingeführt werden, verlieren während des Transports wichtige Vitalstoffe. Die gesunden Inhaltsstoffe gehen durch Licht-, Sauerstoff- und Wärmeinwirkung verloren. Je kürzer die Transportwege von pflanzlichen Lebensmitteln sind, desto mehr Vitamine bleiben erhalten. Werden sie in Treibhäusern in wärmeren Ländern produziert, müssen Früchte und Gemüse wegen des feuchtwarmen Klimas ausserdem vermehrt mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden und weisen deswegen mehr Schadstoffrückstände auf als lokale Produkte.
Sind regionale Lebensmittel immer umweltfreundlicher als Importprodukte?
Die Faustregel, dass Produkte aus der Region umweltfreundlicher sind, sollte nicht bedingungslos angewandt werden: Wird Obst oder Gemüse in beheizten Gewächshäusern produziert, macht die Heizenergie den grössten Teil der auf dem Lebensweg der Produkte benötigten Energiemenge aus. Daher ist die Energiebilanz von Tomaten, Gurken oder anderen Gemüsesorten, die in der Schweiz ausserhalb der Hauptsaison in fossil beheizten Gewächshäusern produziert werden, schlechter als diejenige der gleichen Produkte aus Südeuropa. Der Transport mit Lastwagen fällt weniger ins Gewicht als die Beheizung der Gewächshäuser.