5 Jahre Covid-19«Fehler waren unvermeidbar» – Berset blickt auf Corona zurück
Alain Berset blickt auf seine Zeit als Innenminister während der Corona-Pandemie zurück. Er erzählt, was er von Staatskritik hält und wie er als Chef des Europarats versuchen will, die Perspektiven der jungen Generation zu verbessern.
Darum gehts
Alain Berset reflektiert im Interview über seine Zeit als Innenminister während der Corona-Pandemie.
Er betont, dass Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden mussten und Fehler unvermeidlich waren.
Er äussert Sorgen über die Zukunft der jungen Generation in einer Welt voller Krisen und Konflikte.
«Immer diese Frage: Welche Fehler haben Sie gemacht? Das ist die falsche Frage!»: Fünf Jahre ist es her, als der Lockdown wegen der Corona-Pandemie ausgerufen wurde. Alain Berset (SP) war damals Innenminister im Bundesrat und zuständig für die Massnahmen, die ergriffen wurden.
In einem Interview mit CH Media entsinnt er sich zurück an die schwierige Zeit, wie sie mit heutigen Entwicklungen im Zusammenhang steht und wie er das damals Gelernte auf heutige Herausforderungen als Präsident des Europarats anwenden kann.
«Zu erstarren wäre das Schlimmste»
«Mit anderen Informationen hätten wir logischerweise andere Entscheide getroffen», antwortet Berset auf die Frage, welche Fehler er gemacht habe. «Uns war sehr bewusst, dass unsere Entscheide sofort erhebliche Konsequenzen für jede und jeden haben. Uns war auch klar, dass wir unmöglich all die Konsequenzen – wirtschaftlich, finanziell, gesellschaftlich – bedenken können», so der Alt-Bundesrat.
«Doch man muss handeln, zu erstarren wäre das Schlimmste», fährt Berset fort. «In der Schweiz haben wir die Tendenz, alles zu 100 Prozent abzuklären und erst dann zu entscheiden.» In Krisenzeiten gehe das nicht. Dann müsse man akzeptieren, dass eine Entscheidung falsch sein kann und später wieder korrigiert werden muss. Fehler seien in solchen Situationen unvermeidbar.

Alain Berset (2. v.l.) bei der Pressekonferenz des Bundesrates im Februar 2020, an der die ersten Massnahmen gegen die Covid-Pandemie verkündet wurden.
Screenshot Youtube / Der Schweizerische Bundesrat - Le Conseil fédéral suisse - Il Consiglio federale svizzero«Man kann Krisenmanagement nicht erlernen», kommt Berset zum Schluss. Krise könne man nur üben. «Wenn man übt und überlebt, hat man etwas gelernt.» Die Erfahrung, dass man unter extremer Unsicherheit entscheiden muss, helfe einem sehr.
Staatskritik findet Berset «nicht schlecht»
Auf die Frage hin, welche Auswirkung die Pandemie auf heutige Entwicklungen hatte, weist Berset darauf hin, dass seit Jahren eine Krise auf die andere folgt. «Ich glaube, es ist schwierig zu isolieren, was auf die Pandemie zurückzuführen ist und was nicht», sagt er und findet dann aber doch noch zwei Punkte. Während der Pandemie habe es grosse Solidaritätsbewegungen gegeben, die durch den Ukraine-Krieg hindurchzogen. Auf der anderen Seite hätten die Krisen «wie ein Katalysator für Menschen gewirkt, die sich empören».
Wie siehst du die Zukunft für die junge Generation in der aktuellen Weltlage?
Berset betont: «Ich finde es nicht schlecht, wenn die Leute dem Staat kritisch gegenüberstehen.» Aber die Kritik müsse auf Fakten beruhen und konstruktiv sein. Er ist sich sicher, diese Menschen habe bereits vor der Pandemie gegeben, aber seien durch sie sichtbarer geworden. «Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass sich die Menschen fanden, die gleich denken.» Berset findet es ausserdem bemerkenswert, wie beständig diese Gruppe von Menschen sei. «Nach der Pandemie haben sie einfach ihr Thema geändert: Statt Corona ist es jetzt die Ukraine oder etwas anderes.»
Berset sieht düstere Zukunft für junge Generation
Am Ende des Interviews wird der Blick von der Vergangenheit losgelöst und auf die Krisen der Gegenwart gerichtet. Hier zeigt sich Berset etwas pessimistisch. «Das Schlimmste wäre, dass sich diese Welt ohne Regeln, die Welt des Stärkeren, durchsetzt», meint der Generalsekretär des Europarats. Dies geschehe, wenn kriegerische Aggressionen zu Erfolg führen, wenn die Handelskriege weitergehen und die Zersplitterung sich fortsetzen würde.

Nach Corona nimmt sich Alain Berset der nächsten Krise an – nicht mehr als Bundesrat, sondern in seiner neuen Rolle als Generalsekretär des Europarats.
IMAGO/ZUMA Press WireBerset zeigt sich besorgt, dass diese Entwicklungen die Perspektiven der Bevölkerung verschlechtern. «1992 war ich 20 Jahre alt, die Welt stand uns allen offen. Alles schien möglich, die Zukunft war vielversprechend! Für einen heute 20-Jährigen sehen die Perspektiven leider ganz anders aus.» Die Achtung der Menschenrechte, friedliche Beziehungen zwischen den Staaten und Dialog statt Krieg würden bessere Aussichten für die neuen Generationen schaffen. Und dafür wolle er sich mit dem Europarat einsetzen.
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