Schweizer Uhrenindustrie500 Gebäude sollen mit Radium verseucht sein
Das Bundesamt für Gesundheit schätzt, dass es schweizweit 500 mit radioaktiven Radiumresten aus der Uhrenindustrie kontaminierte Gebäude gibt.

Auf dieser Baustelle in Biel wurde im Juni diesen Jahres radioaktives Material entdeckt. (Archivbild)
Bei diesen Gebäuden handelt es sich um ehemalige Uhren-Ateliers. Sie befinden sich dort, wo die Uhrenindustrie heimisch ist, also im Jurabogen. Das gaben Vertreter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und der Suva am Dienstag in Biel bekannt. Mit einem Aktionsplan wollen nun Bund und Suva bis 2019 alle Gebäude untersuchen und, wo nötig, sanieren.
Die Gebäude mit möglichen Resten des potenziell krebserregenden Radiums befinden sich in den Kantonen Bern, Neuenburg, Jura, Solothurn und Genf. Privatpersonen haben zudem Liegenschaften in den Kantonen Tessin und Basel-Landschaft den Behörden als möglicherweise belastet gemeldet.
Bisher ein Gebäude saniert
Bereits 22 Gebäude sind auf Radiumspuren untersucht worden. Nur in einem zeigten Messinstrumente eine Dosis von über einem Millisievert pro Jahr an - der Wert, ab dem ein Gebäude saniert wird. In diesem Gebäude in Biel hat das Bundesamt für Gesundheit für rund 50'000 Franken den Boden ausgewechselt und im Garten ein Erdschicht abgetragen.
Auch bei einer Dosis von einem Millisievert pro Jahr sei das gesundheitliche Risiko für die Bewohner der Gebäude sehr klein, sagte Christoph Murith, Teamleiter Bereich Physik der Suva, vor den Medien in Biel. Die zulässige Dosis für Personen, welche beruflich mit Radium zu tun haben, liege bei 20 Millisievert pro Jahr.
Zuerst Biel, dann La Chaux-de-Fonds
Die Gefahr, die von Radium ausgeht, wurde der Öffentlichkeit im Juni dieses Jahres bewusst. Damals stiessen Arbeiter beim Bau der Autobahnumfahrung von Biel auf Fläschchen mit Leuchtfarbe. Diese befanden sich in einer ehemaligen Deponie. Die Bevölkerung informierten die Behörden erst nach Medienberichten.
«Mit dem Aktionsplan wollen wir die Unsicherheiten in der Bevölkerung beseitigen und die Probleme lösen», sagte nun Sébastien Baechler, Leiter der Abteilung Strahlenschutz beim BAG.
Radium wurde bedenkenlos verwendet
Der Aktionsplan sieht vor, dass BAG und Suva ein Inventar der Gebäude mit möglicher Radium-Belastung erarbeiten und dass in diesen Gebäuden die Belastung gemessen und wo nötig saniert wird. Auch sollen Gesetze angepasst werden.
Biel als Uhrenstadt ist besonders betroffen und ist vom BAG und der Suva als Pilotgemeinde bestimmt worden. Ab Anfang 2015 beginnen Messungen in La Chaux-de-Fonds NE und ab zirka Mitte 2015 in den übrigen Gebieten.
In den ehemaligen Uhren-Ateliers verwendete die Uhrenindustrie bis zum Beginn der 1960er Jahre bedenkenlos Radium in Leuchtfarben für Zifferblätter. Erst 1963 wurde der Gebrauch verboten. Viele dieser ehemaligen Uhren-Ateliers sind heute Wohngebäude.
Tiefer Millionenbetrag
Das BAG geht davon aus, dass etwa fünf bis zehn Prozent der 500 Gebäude saniert werden müssen. Bei Kosten von 50'000 Franken für das erwähnte Bieler Haus könne man sich die Totalkosten selber ausrechnen, sagte Baechler - es sind 1,25 bis 2,5 Mio. Franken.
Das BAG will nun dem Bundesrat einen entsprechenden Finanzierungsantrag stellen. Zudem hat es ein rechtliches Gutachten in Auftrag gegeben, das aufzeigen soll, ob der Bund gemäss dem Verursacherprinzip jemanden zur Kasse bitten kann.
Die Eidgenössische Strahlenschutzkommission habe diskutiert, ob die Uhrenindustrie zur Kasse geben werden sollte, sagte Baechler. Momentan stehe das BAG aber nicht in Kontakt zur Vereinigung der Schweizerischen Uhrenindustrie. Es sei auch möglich, dass das Gutachten keine Verantwortlichen nenne. (sda)