Synthetischer Treibstoff8 Rappen mehr fürs Benzin sollen das Klima retten
Um den CO₂-Ausstoss auf null zu bringen, muss sich der Strassenverkehr massiv verändern. Herkömmliches Benzin soll teurer werden, synthetischer Treibstoff dafür günstiger. Auch ein massiver Ausbau der Solaranlagen soll helfen.
Darum gehts
- Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral werden.
- Dafür braucht es Änderungen im motorisierten Strassenverkehr.
- Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt etwa neue CO₂-Vorschriften und einen Ausbau der Solarenergie vor.
- Die Automobil-Expertin ist ebenfalls für den Ausbau der Solarenergie, sieht aber ein Problem in den neuen CO₂-Vorschriften.
Auf den Strassen wird es enger. Mittlerweile gibt es über 6 Millionen immatrikulierte Motorfahrzeuge in der Schweiz. Dennoch sollen die Treibhausgas-Emissionen gemäss Bundesrat bis 2050 auf null fallen.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich der motorisierte Strassenverkehr fundamental verändern, wie die Denkfabrik Avenir Suisse in einer Mitteilung schreibt. In Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) schlägt sie unter anderem folgende Lösungen vor:
- Antriebsvielfalt
Elektroautos stossen keine Abgase aus. Trotzdem will die Denkfabrik den Fokus nicht allein auf Tesla & Co. legen. Avenir Suisse sieht die Lösung auch in Hybridfahrzeugen und Autos mit Brennstoffzellen.
Selbst Autos mit Verbrennungsmotoren könnten ein Teil der CO₂-Lösung sein, wenn im Tank zunehmend synthetisches Benzin oder Diesel beigemischt ist. Dieser Treibstoff wird über mehrere Schritte mit nachhaltig produziertem Strom hergestellt. Der Vorteil: Es ist keine Umstellung der Verteilinfrastruktur wie Zapfsäulen nötig.
Auch Anja Schulze, Direktorin des Zentrums für Automobilforschung an der Universität Zürich, ist für eine Vielfalt der Antriebsarten: «Das synthetische Benzin ist eine gute Alternative, weil dafür wenig an der bestehenden Infrastruktur geändert werden muss und es trotzdem zur Erreichung der Klimaziele beiträgt.» Allerdings gelte es, darauf zu achten, dass die Basis des Kraftstoffs nicht etwa Palmöl sei, für das der Urwald gerodet werde.
Zudem sei es auch für die Schweizer Zulieferer wichtig, dass weiterhin auf Verbrennungsmotoren gesetzt werde, weil etwa die Hälfte von ihnen im Bereich Motor, Getriebe und Antriebsstrang tätig sei. «Wenn wir auf Batterie umstellen würden, gäbe es keinen Markt mehr für diese Firmen», so Schulze.
- Fossile Brennstoffe verteuern
Derzeit wäre synthetisches Benzin etwa dreimal so teuer wie herkömmliches. Den Autofahrern dürfte die Umstellung entsprechend schwerfallen. Deshalb fordert der stellvertretende Empa-Direktor Peter Richner eine Umlageverteilung von 30 Franken pro Tonne CO₂ auf fossile Treibstoffe, um den Preis des synthetischen Benzins zu senken.
Umgerechnet würde ein Liter herkömmliches Benzin dadurch 8 Rappen teurer. Damit können eine ausgeglichene Preisentwicklung und ein gleichmässiger Übergang zu synthetischen Treibstoffen sichergestellt werden.
Die Expertin zeigt Verständnis für die Forderung: «Klimaschutz ist nicht kostenlos», sagt Schulze. Der Literpreis für das umweltfreundlichere synthetische Benzin würde durch die Massnahme wohl relativ schnell auf etwa 2 Franken fallen, was für Autofahrer zumutbar sei, so Schulze.
Zwei Etappen
Klimaziel 2050
Das Parlament berät eine Totalrevision des CO₂-Gesetzes, die Ziele und Instrumente zur Verminderung des Treibhausgasausstosses für den Zeitraum bis 2030 vorsieht. Gleichzeitig gilt es, die längerfristige Entwicklung über 2030 hinaus vorzubereiten. Der Bundesrat hat deswegen am 28. August 2019 beschlossen, dass die Schweiz bis 2050 ihre Treibhausgasemissionen auf netto null absenken soll. Das bedeutet, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen soll, als durch natürliche und technische Speicher wiederaufgenommen werden können. Dazu müssen hauptsächlich die Emissionen im Gebäudebereich, im Verkehr und in der Industrie umfassend vermindert werden. Zur Konkretisierung dieses Ziels erarbeitet das Bafu aktuell eine langfristige Klimastrategie, die aufzeigen wird, wie die Schweiz dieses Ziel erreichen kann.
- CO₂-Vorschriften anpassen
Heute verkaufte Fahrzeuge dürfen nicht mehr als 95 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstossen, sonst drohen dem Importeur Strafzahlungen. Patrick Dümmler von Avenir Suisse hält das für den falschen Ansatz. «Ein kleines Auto verbraucht bei häufiger Nutzung mehr CO₂ als ein kaum gefahrenes grosses Auto.»
Dümmler empfiehlt der Politik unter anderem eine Anpassung der Vorschriften auf die ausgestossene CO₂-Menge eines Fahrzeugs pro Jahr. Es ist das Verursacherprinzip: Wer mehr fährt, soll auch mehr zahlen.
Die Expertin widerspricht: «Eine solche Anpassung würde es nahelegen, dass man viel weniger fährt. Das beschränkt die Mobilität und ist der Gesellschaft nicht dienlich», sagt Schulze. Die Mobilität solle mit möglichst wenig CO2-Ausstoss erhalten bleiben.
- Solarenergie ausbauen
Auch beim Strommix sieht Avenir Suisse Änderungsbedarf. Durch den Elektroauto-Trend steigt der Strombedarf. Deshalb fordert Peter Richner von der Empa vor allem einen massiven Ausbau der Solarenergie, deren Anteil am Strommix zusammen mit der Windkraft noch unter 4 Prozent liegt. «Wir haben die Dächer, die Fassaden und die technischen Installationen für Fotovoltaik», sagt Richner. Im Extremfall sei auch die Verwendung unverbauter Flächen für Solarzellen denkbar.
Auch Automobil-Expertin Schulze ist für die Förderung der Solarenergie. «Wir brauchen ohnehin mehr erneuerbare Energien, wenn wir Atomkraft und Kohle nicht mehr wollen.» Sie pocht aber auch darauf, dass Wind- und Wasserkraft ausgebaut werden.