USA-Experte erklärt Ziele und Folgen von Trump-Abschiebungen

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Abschiebeaktionen«Die Leute sind nirgends mehr sicher»

Donald Trumps verschärfte Einwanderungspolitik sorgt für Angst unter Migranten – selbst Schulen, Krankenhäuser und Kirchen sind keine sicheren Orte mehr. Im Interview erklärt USA-Experte Andreas Etges die Ziele und Folgen der Massenabschiebungen.

In den gesamten USA finden massenhaft Abschiebe-Razzien statt.
Sogar an als sicher geltenden Orten wie Schulen, Kirchen und Spitälern sind neu Razzien erlaubt.
Der USA-Experte Andreas Etges erklärt im Interview, welche Ziele Trump damit verfolgt.
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In den gesamten USA finden massenhaft Abschiebe-Razzien statt.

The Washington Post via Getty Images

Darum gehts

  • In den USA finden landesweit Abschiebe-Razzien statt – neu sogar auch in Schulen, Kirchen und Spitälern.

  • Für den USA-Experten Andreas Etges ist das in erster Linie Symbolpolitik und ein Weg, schnelle Ergebnisse in seinem zentralen Wahlversprechen vorweisen zu können.

  • Die USA habe das Recht, illegale Migranten abzuschieben, Etges kritisiert aber die Härte der neuen Praktiken.

  • Weitere Verschärfungen der Einwanderungspolitik sind denkbar – auch wenn Trump an rechtliche und finanzielle Grenzen stossen wird.

Der US-Präsident Donald Trump erlaubt im Rahmen seiner verschärften Einwanderungspolitik Festnahmen von Migranten jetzt auch in Schulen, Spitälern und Kirchen. Viele Latinos sind in Panik: Tagelöhner gehen teils nicht mehr auf Arbeitssuche, Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr in die Schule. Der USA-Experte am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München schätzt die verschärfte Migrationspolitik im Interview ein.

Herr Etges, welche Ziele verfolgt Donald Trump mit diesen Abschiebeaktionen?

Momentan geht es sehr stark um Symbolpolitik. Er sendet mit den Verschärfungen Signale in verschiedene Richtungen. Seinen Wählerinnen und Wählern will er damit zeigen, dass er seine Wahlversprechen bereits am ersten Tag umsetzt. Den potenziellen illegalen Migranten sollen die Aktionen als Abschreckung dienen. Und den Herkunftsländern macht er damit klar, dass er rigoros Menschen zurückschickt.

Der Experte

Was grundsätzlich gesagt werden muss: Die amerikanische Regierung hat das Recht, illegale Einwanderer abzuschieben. Das ist auch unter Barack Obama und Joe Biden in hohen Zahlen passiert. Doch die Art und Weise wie auch die Rhetorik unter Trump sind erschreckend, die Leute sind nirgends mehr sicher und werden öffentlich an den Pranger gestellt. Das ist eine neue Härte, die bewusst inszeniert wird. Zu den ersten Abschiebungen wurden Fernsehteams eingeladen. Die Regierung wollte damit Bilder schaffen, die zeigen: Wir machen etwas.

Und was macht das mit den Einwanderinnen und Einwanderern?

In erster Linie wird unglaublich viel Unsicherheit geschaffen unter denen, die sich illegal im Land aufhalten und ihren Unterstützern. So wurde den sogenannten «Schutzstädten» wie Chicago, Los Angeles oder New York, die sich diesen Massenabschiebungen widersetzen, bereits angedroht, dass ihnen Bundesgelder verweigert werden.

Das Leben in Einwanderungsvierteln wird schwieriger werden, das Sozialleben und vielleicht sogar die Bildung der Kinder wird leiden, wenn sich viele Familien aus Angst wieder vermehrt verstecken. Sogar diejenigen, die die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, sind verunsichert, weil sie kritisch beäugt werden – schon alleine aus dem Grund, dass sie anderen helfen könnten.

Hat das auch wirtschaftliche Folgen?

Abschiebungen sind ressourcenintensiv: Das Personal, die Flüge – mittlerweile auch militärische – das alles hat seinen Preis. Experten schätzen die Gesamtkosten auf eine hohe zweistellige, wenn nicht dreistellige Milliardenzahl. Dazu kommt, dass die illegalen Einwanderer einen grossen Teil der Arbeitskräfte des informellen Sektors in den USA ausmachen – vor allem in der Landwirtschaft. Sie machen Jobs, die sonst niemand machen will. Alle Amerikanerinnen und Amerikaner profitieren wirtschaftlich von der illegalen Einwanderung. Die Massenabschiebungen kosten also doppelt.

Die Massenabschiebungen haben laut Etges nicht nur Folgen für die Einwanderungs-Community, sondern auch für die amerikanische Wirtschaft.

Die Massenabschiebungen haben laut Etges nicht nur Folgen für die Einwanderungs-Community, sondern auch für die amerikanische Wirtschaft.

Getty Images via AFP

Wie sieht es mit den Beliebtheitswerten von Trump aus?

Es ist sehr schwierig, abzuschätzen, wie sich die Verschärfungen auf die Popularität des Präsidenten auswirken. Trump unterzeichnet täglich neue Dekrete, sodass die Presse, die Bevölkerung und auch Beobachter wie ich kaum mehr hinterherkommen. Und auch wenn sich die Umfragewerte klar verändern sollten, kann wegen dieser Schwemme an Entscheidungen kaum gesagt werden, woran es genau liegt.

Gleichzeitig haben die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner schon eine gefestigte Meinung zu Trump. Wer ihn hasst, wird ihn weiter hassen. Wer ihn liebt, wird ihn weiter lieben. Dazu trägt auch die gespaltene Medienlandschaft in den USA bei. Auf Fox wird eine ganz andere Realität dargestellt als auf CNN. Die eigene Meinung wird so nur bestärkt statt auch einmal herausgefordert.

National schaden die Abschiebeaktionen also eher nicht, wie sieht es international aus?

Es gibt genügend politisch rechte Parteien, die solche Massnahmen wohlwollend betrachten dürften. Doch insgesamt nimmt das internationale Ansehen der USA massiv Schaden. Trumps Drohungen richten sich nicht nur gegen klassische Gegner, sondern auch gegen Partner wie Kanada, Kolumbien und Europa. Mit massivem Druck versucht er, seine Vorstellungen durchzudrücken. Dieses Grossmachtgehabe öffnet gefährliche Türen: Die USA, die in der Vergangenheit auch immer wieder als Korrektiv dienten, um internationales Recht durchzusetzen, verlieren diese Rolle zunehmend und werden gar zum schlechten Vorbild.

Ist zu erwarten, dass diese Politik noch weiter verschärft wird?

Trump würde das sehr gerne tun. Zum Beispiel will er, dass Kinder, die in den USA geboren werden, nicht mehr automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten. Das verstösst aber klar gegen die Verfassung. Auch mit anderen Ideen wird er an rechtliche sowie finanzielle Grenzen stossen. Oder er scheitert am gesellschaftlichen Widerstand. In seiner ersten Amtszeit musste er nach nur wenigen Wochen die Familientrennungen an der Grenze zu Mexiko wegen scharfer Kritik und massenhaften Protesten beenden. Trotzdem ist ein Ende der harten Abschiebepraktiken noch nicht in Sicht.

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