Expertin zur AfD-Reise«Abschiebungen nach Syrien sind völlig absurd»
Eine Gruppe aus AfD-Politikern reist durch Syrien. CDU und SPD sind empört. Eine Nahost-Expertin kritisiert die Motive der Reise.
Sieben Politiker der rechtsgerichteten Alternative für Deutschland (AfD) halten sich seit Montag im Bürgerkriegsland Syrien auf, um sich selbst ein Bild der Sicherheitslage zu machen und sich «ausführlich über die humanitäre Situation in Syrien und die Wiederaufbauarbeiten in den von den Terroristen befreiten Gebieten» zu informieren, wie es in einer Pressemitteilung heisst.
Einer der Teilnehmer, der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Christian Blex, berichtet auf Twitter über seine Eindrücke. «Moderne Geschäfte. Frauen mit und ohne Kopftuch. Kaum zu glauben, dass jetzt zigtausend syrische Männer in Deutschland sind und auch noch ihre Familien nachholen sollen» und «Alles total entspannt hier», schreibt der Politiker etwa nach einem Besuch auf dem Basar in Damaskus. In einem anderen Tweet führt er Frauen in Jeans als Beweis für die Normalität im Land an (weitere Tweets in der Bildstrecke).
Kritik von Union, SPD und Grünen
Dass die AfDler mit Anhängern des Assad-Regimes posieren, während nur wenige Kilometer entfernt Menschen bombardiert werden, stösst Politikern von CDU, SPD und der Grünen übel auf. Michael Brand, menschenrechtspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, bezeichnete die Reise in einer Mitteilung als «einfach widerlich». «Während Bomben und Giftgas von Diktator Assad eingesetzt werden», würden die AfD-Politiker «ohne Skrupel in die Kameras lächeln und sich mit der Täter-Clique treffen».
Der SPD-Aussenexperte Rolf Mützenich forderte Konsequenzen im Bundestag. «Das wird ein Thema in den Ausschüssen sein. Der Ältestenrat wird auch prüfen, wer die Reise finanziert hat», sagte er dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Die AfD-Politiker wollten das Assad-Regime mit ihrer Reise aufwerten, glaubt der Sozialdemokrat.
Von den Grünen kam ebenfalls harsche Kritik.
Expertin: «Abschiebungen sind absurd»
Auch die Syrien-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält die Reise für «keine gute Idee». Es sei nicht realistisch, dass sich die Delegation ein umfängliches Bild der Sicherheitslage in Syrien machen könne, sagt Asseburg zu 20 Minuten. «Die AfD-Politiker haben sich bisher nur mit Vertretern der Regime-loyalen Religionseinrichtungen und dem Minister für nationale Versöhnung getroffen. Sie halten sich in Gebieten auf, die unter Kontrolle des Regimes sind», so die Nahost-Expertin.
Zehn Kilometer östlich von Damaskus würden sie einen realistischeren Einblick in die humanitäre Situation und die Sicherheitslage bekommen, ist Asseburg überzeugt. Wenn man Aufpasser des Regimes an seiner Seite habe, sei es ausserdem schwierig, zu erfahren, wie es den Menschen wirklich geht. Ausserdem wäre es sinnvoll, so Asseburg, mit Vertretern der UN oder des Roten Halbmondes zu sprechen.
Die Reise verfolgt Asseburg zufolge mehrere Ziele: Sie soll zeigen, dass es in Syrien sicher und ruhig ist und dass Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren können. Das dritte Thema sei die Darstellung Russlands als Partner für die Befriedung in Syrien und darüber hinaus. «Abschiebungen nach Syrien halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für völlig absurd», stellt die Wissenschaftlerin klar. Die Delegation blende bei ihrer Rückkehr-Forderung vieles aus: «Dass viele Flüchtlinge nicht aus Regime-treuen Orten kommen und vor Assad geflohen sind, scheint keine Rolle zu spielen. Auch nicht, dass die Menschen ihr Hab und Gut und ihre Häuser verloren haben. Dass das Land an sich nicht befriedet ist und immer weiter Leute fliehen oder vertrieben werden, scheint ebenso unwichtig zu sein.»
Reise nur an «sichere Orte»
Ausser Damaskus wird die Delegation, die aus AfD-Bundestagsmitgliedern und aus Abgeordneten aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen besteht, noch Homs und Aleppo besichtigen. Diese Regionen werden grösstenteils vom Assad-Regime kontrolliert. Helmut Seifen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im nordrhein-westfälischen Landtag, sagte der Deutschen Welle, es handele sich um eine Privatreise. Die Männer würden vermutlich nur an «sichere Orte» reisen.
Dem «Spiegel» sagte AfD-Parteisprecher Christian Lüth, die Reise sei mit der Fraktionsspitze im Bundestag und den beiden Bundes-Co-Vorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen abgesprochen worden und solle bis zu sieben Tage dauern.
Meuthen wies die Kritik an seinen Parteifreunden zurück. «Die völlig überzogenen Reaktionen von CDU- und SPD-Abgeordneten belegen nur, dass diese Parteien jede aussenpolitische Kompetenz verloren haben und offenbar anders als wir gar nicht erst willens sind, sich vor Ort ein Bild von der Lage in Syrien zu machen», sagte Meuthen der «Bild»-Zeitung. Eine Anfrage von 20 Minuten zu den Hintergründen und Motiven der Reise liess die AfD bislang unbeantwortet.