22’000 Asylgesuche: «Absolute Notlösung» – so eng leben Asylsuchende in Zivilschutzanlagen

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22’000 Asylgesuche«Absolute Notlösung» – so eng leben Asylsuchende in Zivilschutzanlagen

2022 dürften 22’000 Asylgesuche gestellt werden: 7000 mehr als im Vorjahr. In der Nordwestschweiz mussten nun die ersten Zivilschutzanlagen geöffnet werden. Die Bunker seien unmenschlich, so Aktivistinnen und Aktivisten. Der Vorwurf ist laut SEM haltlos. 

Diese Bilder wurden von Aktivistinnen und Aktivisten veröffentlicht.
Die Personen würden unter «unmenschlichen» Bedingungen untergebracht werden, heisst es.
50 Personen würden in einem Raum schlafen.
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Diese Bilder wurden von Aktivistinnen und Aktivisten veröffentlicht.

Fotos: Twitter/ 3 Rosen gegen Grenzen

Darum gehts

Im September 2022 haben 2681 Asylsuchende ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt. Dies ist der höchste Wert innerhalb eines Monats seit der Flüchtlingskrise 2015/2016, schreibt das Staatssekretariat für Migration (SEM) in einer Mitteilung. Hinzu kamen rund 2700 Personen aus der Ukraine. Das SEM rechnet damit, dass die Anzahl der Asylgesuche auch in den nächsten Monaten konstant hoch bleiben wird und geht davon aus, dass im laufenden Jahr rund 22’000 Asylgesuche gestellt werden dürften. Dies sind rund 7000 Gesuche mehr als im Vorjahr, so das SEM.

Nun veröffentlichten Aktivistinnen und Aktivisten am Montag ein Video und Bilder aus einer der Zivilschutzanlagen. Das SEM bestätigt gegenüber 20 Minuten, dass die Aufnahmen in der Zivilschutzanlage in Allschwil BL gedreht wurden. Mit den geleakten Bildern soll auf die «Missstände in den Bunkern» aufmerksam gemacht werden. Die Bedingungen seien «unmenschlich», so die Organisationen, die sich mit den Asylsuchenden solidarisieren und den Inhalt von verschiedenen Accounts auf Instagram und Twitter posten.

«Über 50 Migrantinnen und Migranten sind in einem einzigen Zimmer zum Schlafen untergebracht. Viele Menschen in diesem Bunker sind oder werden krank», so der Aufschrei. «Unmenschliche Bedingungen werden wir nie akzeptieren», schreiben die  Aktivistinnen und Aktivisten. Die Worte seien von «Menschen, die im Bunker leben müssen» verfasst worden, heisst es.

Das SEM widerspricht diesen Vorwürfen. «Es ist uns bewusst, es ist eng, hat kein Tageslicht, es ist nicht komfortabel. Aber unmenschlich sind sie nicht. Am wichtigsten ist, dass alle Asylsuchenden ein Dach über dem Kopf haben und versorgt werden und nicht in Zelten oder draussen schlafen müssen», so SEM-Sprecher Daniel Bach. Und: «In den Zivilschutzanlagen werden ausschliesslich Männer runtergebracht, keine Frauen, keine Familien und keine Kinder», so der SEM-Sprecher.

«Erste Priorität ist es, oberirdische Plätze zu schaffen»

Das SEM habe in den letzten Wochen die ersten vier Zivilschutzanlagen öffnen müssen, alle in der Nordwestschweiz, jede Anlage habe Platz für rund 100 Personen. «Es handelt sich dabei um eine absolute Notlösung. Wir suchen nonstop nach neuen Möglichkeiten, Leute unterzubringen. Unsere erste Priorität ist es, oberirdische Plätze zu finden», so Bach gegenüber 20 Minuten.

Zu den Zahlen: In der Schweiz gibt es insgesamt 9000 Plätze für Asylsuchende. In der Region Nordwestschweiz sind es gut 1400, davon 400 unterirdisch. Das SEM habe in den vergangenen Wochen bereits verschiedene Mehrzweckhallen vom Militär geöffnet. 4000 neue Plätze konnten geschaffen werden. 

Das SEM habe bereits zusätzliche Massnahmen ergriffen, um die Asylverfahren weiter zu beschleunigen und diese so rasch wie möglich abzuschliessen. «Dies gilt insbesondere für Gesuche von Personen aus Afghanistan, den Maghreb-Staaten sowie von Personen aus Heimat- und Herkunftsstaaten, in denen keine Verfolgungssituation droht», heisst es.

Politik fordert Verbesserung 

Nach der Veröffentlichung der Bilder aus der Zivilschutzanlage werden erste politische Forderungen laut. In den Jahren 2015 und 2016 hatte der Kanton Basel-Stadt mehrere Zivilschutzanlagen eröffnet. Schon damals führte dies zu Widerstand und Fragen in der Politik. «Darauf hielt die Regierung fest, dass der Kanton grundsätzlich eine oberirdische Unterbringung aller asylsuchenden Menschen anstrebt», schreibt die BastA in einer Mitteilung.

Der Kanton habe die Anlagen zur Verfügung gestellt, weil es im Bundesasyllager zu wenig Platz habe. «Das entbindet den Kanton jedoch nicht von seiner Verantwortung. Wenn das SEM auf mehr Platz angewiesen ist, soll der Kanton menschenwürdige Unterbringungen über Tag zur Verfügung stellen», so BastA-Grossrat Nicola Goepfert. Und SP-Grossrat Beda Baumgartner schreibt auf Twitter: «Alle verantwortlichen Stellen müssen alles dafür tun, dass niemand so schlafen muss. Egal wann, egal wo.»  

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