Achtung Chef: Explosionsgefahr

Aktualisiert

Ausraster am ArbeitsplatzAchtung Chef: Explosionsgefahr

Ein frustrierter Flugbegleiter haut per Notrutsche ab. Er ist kein Einzelfall: Immer wieder kommt es im Berufsleben zu Ausrastern.

von
Othmar Bamert
Wirkt erleichtert: Flugbegleiter Steven Slater nach seinem Ausraster.

Wirkt erleichtert: Flugbegleiter Steven Slater nach seinem Ausraster.

Viele träumen davon, einmal im Büro so richtig auf die Pauke zu hauen. Dem Chef, dem nervenden Kollegen, der arroganten Kundin die Meinung sagen. Einfach mal ein Zeichen setzen. Dass viele Arbeitnehmer solche Gedanken täglich wälzen, zeigt die Sympathiewelle, die Steven Slater entgegenschlägt. Der Flugbegleiter verliess nach einem Krach mit einer Passagierin die Maschine über die Notrutsche: «That's it», sagte Slater, nachdem er aus der Bordküche noch ein paar Bier mitgenommen hatte.

Für Angestellte weltweit ist Slater nun ein Held. Allein die Facebook-Seite «Free Slater» haben schon mehr als 37 000 Leute mit «gefällt mir» kommentiert. Die wenigsten Arbeitnehmer trauen sich allerdings im realen Leben, ihrem Frust freien Lauf zu lassen. Demütigungen werden geschluckt, zusätzlicher Druck wird mit noch mehr Einsatz wortlos gestemmt, aus Angst, den Job zu verlieren.

«Qualität beisst sich mit Effizienzwahn»

Diese Erfahrung macht auch Martin Ramseyer des Coaching-Unternehmens Fischer Ramseyer als langjähriger Berater und Trainer in Persönlichkeitsfragen. «Der Leistungsdruck hat klar zugenommen», so Ramseyer, immer mehr müsse in immer kürzerer Zeit erledigt werden. Gerade die qualitätsbewussten und sicherheitsbedürftigen Schweizer seien besonders gefährdet: «Der Mitarbeiter, der die Sache perfekt machen will, muss sie in einem schlankgesparten Unternehmen nun schneller machen. Da gerät er an seine Grenzen.» Die Folge: «Entweder er flippt aus oder er erträgt es still». Das stille Leiden könne zu Krankheit und Burnout führen, so Ramseyer.

Gelangt der Frust doch einmal an die Oberfläche, können sich dramatische Szenen abspielen. So sah ein Notarzt in Deutschland rot. Morgens um sechs wurde er wegen eines Bagatellfalls aus dem Bett geholt. Als er sich bei der Morgenvisite beim Oberarzt beschwerte, kam es zum Eklat. Der Oberarzt sagte später vor Gericht, der erzürnte Notarzt habe ihn gewürgt.

«Sich bewusst werden, wie man tickt»

Dabei könnten solche Ausbrüche vermieden werden. An Tipps mangelt es nicht. Etwa ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen. Konflikte ansprechen und mit Verstand lösen. Bei zu grossem Druck das Gespräch mit Kollegen suchen und gemeinsam eine Lösung finden. «Es hilft schon, zu wissen, wie man tickt», so Coach Ramseyer, «zum Beispiel, ob ich sicherheitsbedürftig bin».

Was gerade den risikobedürftigen Arbeitnehmern schwerfällt: Manchmal ist es einfach Zeit, zu gehen, den Job an den Nagel zu hängen. «Jeder Mensch spürt eigentlich, wenn es Zeit ist. Das Schwierige ist es, sich das einzugestehen», so Ramseyer. Es lohne sich aber, frühzeitig auf die eigenen Emotionen zu hören. Bevor man die Notrutsche nimmt.

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