«Ägypten wird explodieren»

Aktualisiert

Mohamed El Baradei«Ägypten wird explodieren»

Die Wut herrscht in Ägypten nach Mubaraks Rede. Demonstranten zogen vor die Fernsehstudios und den Präsidentenpalast. El Baradei befürchtet eine Gewalteruption.

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uwb/meg/rub

Ägypten stehen entscheidende Stunden bevor. Die Hoffnung ist Wut und Frustration gewichen. Hunderttausende Menschen warteten auf dem Tahrir-Platz auf den Rücktritt von Hosni Mubarak. Doch als klar wurde, dass sich der 82-Jährige weiterhin an die Macht klammern will, wurde es zunächst still. Dann brachen Demonstranten in Tränen aus und reagierten frustriert. Die aufgebrachte Menge zeigte Mubarak Schuhe als Zeichen ihrer Verachtung. Die Protestierer schrien «Mubarak weg, Suleiman weg».

Während die Demonstranten noch irritiert beieinanderstehen, ruft Vizepräsident Suleiman via Fernsehen sie auf, «nach Hause zu gehen». Danach sieht es nicht aus. «Diese Rede ist eine Provokation», erklärt Mohammed Abdul Rahman, ein junger Anwalt, der sich am Donnerstag zum ersten Mal den Demonstranten angeschlossen hat. «Das wird die Leute noch enger zusammenschmieden, und es werden noch mehr Menschen kommen.» Die Demonstranten rufen für den Freitag zu einem «Marsch der 20 Millionen» auf.

Mehrere Tausend Protestler marschierten in der Nacht vom Tahrir-Platz zum staatlichen Fernsehen. Auch in der Nähe des Präsidentenpalastes sollen sich mehrere hundert Demonstranten eingefunden haben. Beide Gebäude werden vom ägyptischen Militär geschützt.

Der ägyptische Oppositionspolitiker Mohamed El Baradei hat die Armee zum Eingreifen aufgefordert. «Ägypten wird explodieren», sagte der Friedensnobelpreisträger mit Blick auf die enttäuschten Demonstranten in Kairo. «Die Armee muss jetzt das Land retten», sagte El Baradei über Twitter. «Ich rufe die ägyptische Armee auf, sofort einzugreifen.»

«Auf einem anderen Planeten»

Der Demonstrant Hassan Chalifa, ein Chemiker, versichert, dass der Protest weitergeht. «Er hat schon früher versucht, die Menschen zu spalten», sagt er über Mubarak. «Aber jetzt durchschauen ihn die Leute und sie haben begriffen, wie er vorgeht.»

Der Blogger Philip Rizk berichtete aus der Menge der Demonstranten, keiner sei mit Mubaraks Rede einverstanden gewesen. «Es ist, als ob er auf einem anderen Planeten lebt», sagte er am Telefon dem Nachrichtensender N24. Seine Reden hätten nie irgendetwas mit der Realität zu tun gehabt, «als ob er über ein anderes Land redet». Auch Rizk ist überzeugt, dass die Demonstranten so lange auf dem Platz bleiben, bis Mubarak wirklich zurücktritt.

Zögerlicher internationaler Druck

Die internationalen Reaktionen blieben vorsichtig. US-Präsident Barack Obama kritisierte lediglich, die Führung des Landes sei noch nicht ausreichend auf die Forderungen des Volkes eingegangen. Er rief die Regierung in Kairo auf, zügig konkrete Angaben zu machen, welche Veränderungen sie bereits eingeleitet habe.

Nach Ansicht der EU ist die Zeit für einen Wandel in Ägypten nun angebrochen. Sie werde den Machthabern dort weiter übermitteln, dass «ein geordneter, aussagekräftiger und dauerhafter demokratischer Übergang» nötig sei, teilte die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel mit.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy bezeichnete einen Rücktritt des ägyptischen Staatschefs Hosni Mubarak als unumgänglich. Er hoffe, dass der Staat «den Weg der Demokratie findet und nicht den Weg einer anderen Diktatur, einer religiösen Diktatur», sagte Sarkozy im französischen Fernsehen.

Volksfeststimmung vor der Rede

Lange vor Mubaraks Rede versammelten sich Zehntausende Protestierende auf dem «Platz der Befreiung». Die Hoffnung auf einen sofortigen Rücktritt war gross. Viele der Menschen lagen sich in den Armen und hatten Tränen in den Augen. Dies, nachdem Gerüchte die Runde gemacht hatten, Mubarak werde in der TV-Ansprache seinen Rücktritt verkünden. Auch Wael Ghonim verkündete über Twitter er werde auf dem Platz dabei sein. Der Google-Mitarbeiter gilt als einer der Organisatoren der Proteste, die am 25. Januar begonnen haben. Er sass während zwölf Tagen in Haft. Erst am Dienstag ist er freigelassen worden. Erstmals zeigte gestern auch das ägyptische Staatsfernsehen Live-Bilder vom Tahrir-Platz. (uwb/meg/rub/sda/dapd)

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