Politologe Thomas Milic zu den eidgenössischen Abstimmungen: «Ältere gingen zur Urne – und verhalfen dem Netflix-Gesetz zum Erfolg» 

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Politologe Thomas Milic«Ältere gingen zur Urne – und verhalfen dem Netflix-Gesetz zum Erfolg»

Die Stimmberechtigten sagten am Sonntag Ja zu allen drei eidgenössischen Abstimmungsvorlagen. Politologe Thomas Milic ordnet die Resultate ein. 

Politologe Thomas Milic hat in der Grossen Schanze in Bern mit Politjournalist Stefan Lanz am Mittag die Abstimmungsresultate analysiert.

20 Minuten

Darum gehts

Herr Milic*, 58 Prozent der Stimmbevölkerung sprechen sich für das Filmgesetz aus. Wie erklären Sie sich das überraschend deutliche Resultat?
Die Vorlage genoss ein komfortables Ja. Mit Blick auf die Vorwahlumfragen ist die Zustimmung aber doch überraschend deutlich ausgefallen. Man rechnete mit einem etwas knapperen Ja. Die deutliche Zustimmung hängt mit der unterdurchschnittlichen Stimmbeteiligung zusammen. Es klingt zynisch, aber vor allem die älteren Stimmberechtigten gingen zur Urne – höchstwahrscheinlich hat das der Gegnerschaft von «Lex Netflix» geschadet. 

«Lex Netflix» tangiert die Jungen sehr direkt im Portemonnaie, da die Gegnerschaft mit höheren Abo-Preisen bei einer Annahme des Filmgesetzes rechnet. Warum lockte dies nicht mehr Junge an die Urne? 
Ich weiss nicht, wer das Netflix-Abo der Jungen bezahlt (lacht). Drohende höhere Abo-Preise müssten eigentlich ein Anreiz sein, um an der Abstimmung teilzunehmen. Ich denke aber, dass bei den Jungen nicht nur das Finanzielle eine Rolle spielte. Man will das Schweizer Filmschaffen unterstützen. Sicherlich gibt es auch einige Junge, die das wünschen. 

Mit 60 Prozent fällt auch das Ja für das Transplantationsgesetz deutlich aus. Warum?
Ich glaube, dass die Kampagne zum Thema, die über mehrere Jahre lief, einen Einfluss hatte. Die Stimmberechtigten wurden so auf den Entscheid vorbereitet. Vor ein paar Jahren war das Parlament noch dagegen und in der Zwischenzeit dafür. Das half der Vorlage.  Erstaunlich ist aber, dass der Wechsel vom Zustimmungsmodell zum Widerspruchsmodell nicht umstrittener war. Dabei handelt es sich ja doch um einen ziemlichen Unterschied. 

Woran könnte das gelegen haben?
Die Stimmbeteiligung ist auch bei dieser Vorlage recht tief. Über die Hälfte der Stimmberechtigten hat das Transplantationsgesetz nicht wirklich interessiert. Viele Stimmberechtigten wussten nicht, was auf dem Spiel stand oder sagten sich, dass es sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht interessiert. 

Am höchsten fiel die Zustimmung zur Frontex-Vorlage aus – über 70 Prozent der Stimmberechtigten sind dafür. Hat hier auch eine unheilige Allianz von Teilen der SP und SVP geholfen?
Ja, bei einem solch deutlichen Resultat müssen wir davon ausgehen, dass grosse Teile des linken Lagers auch zustimmten. Der Ja-Stimmen-Anteil war bei der SVP in etwa ähnlich hoch wie bei der SP. Es zeigt, dass weite Teile, zumindest eine erhebliche Zahl der Anhängerschaft der SP und der Grünen, auch zugestimmt haben.

Was hat das linke Lager zu einem Ja bewogen?
Bei Frontex stand die Zusammenarbeit mit der EU auf dem Spiel. Bei einem Nein hätte ein Ausschluss aus Schengen-Dublin gedroht. Das zieht immer noch. Zumindest Teile des linken Lagers sagten, sie seien nicht gegen Frontex als solches.   

Thomas Milic* ist promovierter Politologe des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Zürich.

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