Ärger für BP wegen «Chemie-Bombardement»

Aktualisiert

Kampf gegen ÖlpestÄrger für BP wegen «Chemie-Bombardement»

Trotz Verbot hat BP grosse Mengen giftiger Chemikalien zur Bekämpfung der Ölpest im Golf von Mexiko eingesetzt. Die Küstenwache liess es zu.

von
Peter Blunschi
Ein Flugzeug versprüht Chemikalien über dem Ölteppich im Golf von Mexiko.

Ein Flugzeug versprüht Chemikalien über dem Ölteppich im Golf von Mexiko.

Die neusten Enthüllungen stammen nicht von Umweltaktivisten, sondern vom Vorsitzenden des Unterausschusses für Energie und Umwelt im US-Repräsentantenhaus, dem Demokraten Edward Markey. Es geht um das hochgiftige Dispersionsmittel Corexit, das den Ölteppich in kleine Tröpfchen auflöst. Wegen unklaren Auswirkungen auf die Ökosysteme im Golf von Mexiko hat die US-Umweltbehörde EPA den Einsatz von Corexit am 26. Mai verboten, rund einen Monat nach der Explosion der Bohrinsel «Deepwater Horizon».

Obwohl das Verbot nur wenige Ausnahmen zulasse, habe die Küstenwache BP in 74 Fällen den Einsatz der umstrittenen Substanzen genehmigt, sagte Markey am Samstag: «BP hat mit diesen Chemikalien ein Flächenbombardement durchgeführt, und die Küstenwache liess es geschehen.» Entstanden sei ein toxisches Gemisch aus Chemikalien, Öl und Gas, «dessen Auswirkungen wir noch nicht kennen». BP gab zu, rund 6,8 Millionen Liter Corexit versprüht zu haben. «Die Aussagekraft dieser Zahlen ist nun in Frage gestellt», meinte Markey.

Gesuche sofort bewilligt

Gemäss den Unterlagen, die dem Abgeordneten vorliegen, wurde jedes von BP eingereichte Gesuch von der Küstenwache praktisch sofort bewilligt. Selbst die EPA beklagte sich demnach, dass «der Bewilligungsprozess irgendwie pro forma abläuft und nicht so rigoros, wie wir es wünschen». Man habe BP einige strikte Bedingungen auferlegt, nachdem der Ölkonzern die Chemikalie «offenbar in unbeschränkten Mengen einsetzen wollte», erklärte ein EPA-Sprecher am Sonntag gegenüber CNN. Er betonte aber auch, der Einsatz des Dispersionsmittels sei wichtig, «um grössere Schäden an den Küsten zu verhindern».

Auch US-Krisenkoordinator Thad Allen, ein pensionierter Admiral der Küstenwache, erklärte am Sonntag an einer Medienkonferenz, er sei «zufrieden mit der Anwendung der Chemikalien». Edward Markeys Anschuldigungen wies er zurück: Man habe den Einsatz von Corexit bewilligt, wenn ein Überwachungsflugzeug einen Ölteppich entdeckt und keine andere Möglichkeit zur Säuberung bestanden habe. «Wir akzeptieren gewisse Auswirkungen auf die Gewässer, damit das Öl die Strände nicht erreicht», sagte Allen.

BP will Auswirkungen beobachten

In einer Mitteilung betonte BP, man habe seit Beginn der Katastrophe eng mit EPA und Küstenwache zusammengearbeitet, was den Einsatz der Dispersionsmittel betreffe, und die Auflagen der Umweltbehörde befolgt. BP-Krisenmanager Doug Suttles erklärte, der Ölkonzern finanziere eine Langzeit-Studie zu den Folgen der Ölpest, inklusive den Einsatz der Chemikalien. «Bis jetzt haben wir nichts gesehen, was uns Sorge bereitet, aber wir halten die Augen offen», sagte Suttles am Sonntag.

Die grösste Ölpest aller Zeiten

Aus dem defekten Bohrloch im Golf von Mexiko sind seit Beginn der Ölpest am 20. April rund 780 Millionen Liter (4,9 Millionen Barrel) Rohöl geströmt. Es handelt sich somit um die grösste Ölpest aller Zeiten. Das bestätigte die US-Regierung am Montag (Ortszeit) mit der Veröffentlichung der bislang genauesten Schätzungen von Wissenschaftlern. (sda)

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