KlimaerwärmungÄrzte warnen vor Malaria und Dengue in der Schweiz
Tropenkrankheiten können sich laut Gesundheitsvertretern auch in der Schweiz ausbreiten. Gegner sprechen von Klima-Propaganda.
Hitzewellen mit Temperaturen gegen 40 Grad machten die Schweiz zu einem Glutofen. Allein im Juli war es mindestens drei Grad heisser als im langjährigen Durchschnitt. Eine Allianz von Ärzten, Pflegefachpersonen, Hebammen und Physiotherapeuten schlägt nun Alarm: «Es ist unsere letzte Chance, bevor klimabedingt irreversible Schäden für Mensch und Natur eintreten», schreibt sie.
In einem «Notruf zum Handeln» verlangt die «Allianz Gesundheitsberufe fürs Klima Schweiz», die Klimakrise als akute Bedrohung für die Gesundheit anzuerkennen. Die Allianz warnt dabei nicht nur vor einer erhöhten Sterblichkeit von älteren und chronisch kranken Personen durch Hitzesommer: Werde es immer wärmer, würden sich gleichzeitig auch tropische und subtropische Erreger ausbreiten.
Schweiz als Biotop für infizierte Stechmücken
«Die Klimaerwärmung zeigt heute schon eine Ausbreitung der tropischen Mücken gegen Norden, zum Beispiel in der Karibik und Florida, aber auch in Italien. Reduzieren wir die Treibhausgase bis 2050 nicht auf netto null, besteht die Gefahr, dass man sich in Zukunft in der Schweiz mit Malaria, Denguefieber und weiteren Infektionen wie Chikungunya oder dem West-Nile-Virus anstecken kann», sagt Pietro Vernazza, Allianzmitglied, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital St. Gallen und GLP-Ständeratskandidat. Immer heissere Sommer und mildere Winter würden auch nördliche Länder wie die Schweiz zum Biotop für tropische Stechmücken machen. «So werden sich etwa die Anopholes- und die Tigermücke auch bei uns ausbreiten.»
Die Allianz fordert von der Politik und anderen Entscheidungsträgern, entsprechende Massnahmen zu treffen. Vernazza: «Die Politik muss etwas gegen Klimawandel unternehmen, will sie die Gesundheit der Schweizer nicht aufs Spiel setzen.»
«Wir haben immer noch saukalte Winter»
Immunologe Beda M. Stadler beschwichtigt. «Tropenkrankheiten sollten nicht zur Panikmache missbraucht werden», sagt er. Bis Tropenkrankheiten ein ernsthaftes Thema in der Schweiz würden, dauere es noch Jahrzehnte. «Wir haben immer noch saukalte Winter. Die Mücken können so nicht überleben.» Dennoch sei es nicht falsch, wenn sich die Schweizer Bevölkerung längerfristig auf Tropenkrankheiten gefasst mache. «Den Klimawandel kann man nicht ruckzuck aufhalten. Es wird auch ohne menschliche Einflüsse wärmer werden.»
Stadler geht davon aus, dass man künftig Vorkehrungen trifft, um Ansteckungen durch Erreger zu vermeiden. «Zum Beispiel, indem man offene Lebensmittel wie Früchte und Gemüse gründlicher wäscht und das Schlafzimmer mit Mückengittern schützt. «Wenn wir nach Mexiko in die Ferien gehen, sind wir im Alltag auch vorsichtiger. Auch in der Schweiz kann der Mensch lernen, mit den Gefahren von Tropenkrankheiten umzugehen.»
«Dann sterben weniger an der Grippe»
«Es darf nicht so weit kommen, dass man sich in der Schweiz mit Moskitonetzen und Medikamenten vor Tropenkrankheiten schützen muss», sagt Gesundheitspolitikerin Yvonne Feri. Die Argumente der Allianz bestätigen laut der SP-Nationalrätin den dringenden Handlungsbedarf der Politik gegen die Treibhausgasemissionen. «Es ist klar, dass der Klimawandel auch gesundheitliche Probleme für Menschen und Tiere bringt. Tropenkrankheiten sind nur ein Teil davon.» Durch die Hitze könnten Krankheitserreger einfacher ins Trinkwasser gelangen. «Auch entwickeln sich etwa durch das überhitzte Wasser Bakterien.»
Gesundheitspolitiker Sebastian Frehner winkt ab. «Die drohenden Tropenkrankheiten sind arg weit hergeholt und sind nichts mehr als eine unbedarfte Propagandaaktion der Klimaaktivisten», sagt der SVP-Nationalrat. Die Warnung sei etwa so absurd, wie wenn die Schweiz aus Angst vor Tropenkrankheiten keine Afrikaner mehr einreisen liesse. Das Klima habe sich schon immer verändert und die Gesundheit der Menschen beeinflusst. «Wird es wärmer, sterben vielleicht mehr Menschen an Tropenkrankheiten – dafür aber weniger an der Grippe.»