Hyaluron PenÄrzte warnen vor Stift, der Lippen vergrössert
Vollere Lippen ohne Nadeln? Der Hyaluron Pen macht es möglich. Doch nun warnen Ärzte: Das Beauty-Gadget kann fatale Folgen haben.
Viele Schweizer Kosmetikstudios werben derzeit mit einer neuen Erfindung in der Schönheitsmedizin: dem Hyaluron Pen. Die stiftähnliche Apparatur schiesst Hyaluronsäure mit 800 km/h in die obersten Hautschichten der Lippen und sorgt so für eine sofort sichtbare Vergrösserung. Durch den enormen Druck, mit dem die Hyaluronsäure in die Haut geschossen wird, entfällt die Nadel.
Im Internet kann der Pen bereits für unter 100 Franken bestellt und so auch für die Selbstanwendung zu Hause genutzt werden. Wie einfach das geht, zeigen diverse Youtuber.
«Der Pen kann die Haut absterben lassen»
Doch der Pen ist alles andere als harmlos. Die Ärztin Bettina Kerbler warnt vor den Risiken des Pens. Durch den hohen Druck entstünden Mikroverletzungen an der Lippe, die eine Eintrittspforte für Keime bieten würden. «Arbeitet man nicht mit sterilen Handschuhen, kann man seine Keime so in die Lippen einschleusen und das kann zu Entzündungen führen. Zudem können Lippengefässe verstopfen und die Haut absterben.»
Ähnlich sieht es auch Hans-Martin Zoppelt, Inhaber von Bellevue Esthetics. Der Facharzt für Dermatologie hält nichts von dem neuartigen Beauty-Gadget: «Es kann zu den gleichen Komplikationen wie beim Hyaluronspritzen kommen.» Zudem sei ein punktuelles Spritzen so gut wie unmöglich, was zu einem aufgequollenen und unsauberen Ergebnis führen könne.
«Ausbildung» dauert einen Tag
In Deutschland wurde unlängst ein Gesetz erlassen, das Kosmetikern den Einsatz des Pens untersagt. Hyaluron darf nur noch durch ausgebildete Ärzte oder Heilpraktiker verabreicht werden, da dabei ernsthafte gesundheitliche Schäden entstehen könnten
In der Schweiz sieht die Rechtslage jedoch anders aus. Beauty-Salons sind dazu bemächtigt, auch ohne ärztliches Fachpersonal Hyaluron zu verabreichen, egal ob per Spritze oder Pen. Da die Anwendung nur eine Wirksamkeit von 30 Tagen hat, braucht es kaum spezielle Auflagen. Dies ist im Reglement der Swissmedic festgehalten. Auch die «Ausbildungsdauer» ist vergleichsweise sehr kurz. Nur einen Tag dauert ein solcher Kurs, um zertifiziert zu sein. Dieser kann sogar via «Fernstudium» stattfinden.
Politikerin fordert Spritzverbot
Der Schweizer Fachverband für Kosmetik beruft sich auf Anfrage auf die geltenden Regeln von Swissmedic. Auch betreffend der Ausbildungsdauer gibt sich der Verband wortkarg: «Wir bieten keine solchen Weiterbildungen an.» Mehrere Ärzte fordern eine Verlängerung der «Ausbildung». «Wir verbringen Monate im Seziersaal, um die Anatomie genau zu erlernen, haben grosse Prüfungen und bilden uns in Fillerkursen fort. Dafür reicht ein Tag einfach nicht aus», sagt etwa Dermatologin Kerbler.
Auf die generelle Gefahr vom Einsatz von Hyaluron wies kürzlich auch CVP-Nationalrätin Ruth Humbel hin. «Die Eingriffe müssen qualitativ gut gemacht sein. Es darf nicht sein, dass sich Kosmetikstudios mit Pfusch ein gutes Geschäft sichern und die Folgekosten zu Lasten der Allgemeinheit gehen», sagte Humbel zu 20 Minuten. In der Herbstsession 2019 reichte sie einen Vorstoss ein, der den Bundesrat beauftragt, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, damit ausschliesslich Ärzte Hyaluronsäure und Botox spritzen dürfen. Da der Pen aber ohne Spritzen funktioniert, wäre er von Humbels Motion nicht betroffen.