Eskalation in LibyenAïn Zara: Im «Vorzeigeknast» von Gaddafi
Der in Libyen festgehaltene Schweizer Max Göldi hat seine viermonatige Haftstrafe angetreten. Diese muss er wahrscheinlich im Aïn-Zara-Knast in Tripolis absitzen. Amnesty International konnte einen Blick hinter die Gefängnismauern werfen.
Die Schweizer Libyen-Geisel Max Göldi hat sich am Montagmittag den libyschen Behörden gestellt und ist so einer möglichen Erstürmung der Schweizer Botschaft zuvorgekommen. Laut seinem Anwalt muss Göldi seine viermonatige Haftstrafe im Gefängnis «Aïn Zara» in Tripolis absitzen. Die Strafanstalt sei berüchtigt für die willkürliche Haft von politischen Gefangen, heisst es in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Theaterhalle für Häftlinge
Aïn Zara besteht aus zwei Abteilungen: Die eine werde vom Staatssicherheitsdienst kontrolliert, dort sei die Menschenrechtslage besorgniserregend. Der andere Trakt steht unter Aufsicht des libyschen Justizministeriums. Diesen Teil konnte eine Delegation von Amnesty International im Mai 2009 besuchen: «Für libysche Verhältnisse sind die Haftbedingungen relativ gut. Es gibt sogar eine Theaterhalle für die Häftlinge», sagt Denise Graf, Libyen-Expertin von Amnesty Schweiz. Da die Abteilung unter Aufsicht des Justizministeriums stehe, sei die Gefahr von Folter und Misshandlungen geringer. Aïn Zara sei kein Hochsicherheitsgefängnis. «Für die Behörden ist dieser Gefängnistrakt ein Vorzeigegefängnis.» Allerdings habe die Delegation die Gefängniszellen nicht besichtigen können.
Ob Göldi wirklich in diesem «Mustergefängnis» einsitzt, kann allerdings weder das EDA noch Amnesty bestätigen. Göldis Anwalt hat heute Morgen erklärt, sein Mandant dürfe im Gefängnis jederzeit Besuch empfangen. Zudem sei die medizinische Versorgung sichergestellt.
Al-Fellah, der Höllenknast
Aïn Zara ist bereits das zweite Gefängnis, in welchem Max Göldi einsitzen muss. Im Juli 2008 verbrachte er mehr als eine Woche in Al-Fellah, dem «Höllenknast von Gaddafi». Dort teilen sich laut Informationen von Amnesty International bis zu 20 Personen eine 15 Quadratmeter kleine Gemeinschaftszelle. Darin hat es zwar ein Lavabo und ein WC, aber nicht genug Betten für alle Häftlinge. Diese müssen teilweise am Boden schlafen.
Der Haftalltag im Al-Fellah ist ebenfalls äusserst hart: Um fünf Uhr morgens ertönt eine Sirene, worauf die Häftlinge im Hof zum Appell antreten müssen. Um acht Uhr gibt es Frühstück, welches aus einer Tasse Tee und einem Drittel Baguette besteht. Danach müssen die Gefangenen den ganzen Tag im kargen Gefängnishof verbringen. Im Sommer unter der glühenden Sonne, bei Temperaturen von über 30 Grad.
Insgesamt sind die Haftbedingungen in libyschen Gefängnissen äusserst schlecht. Deshalb kommt es immer wieder zu Revolten der Insassen, welche oftmals blutig niedergeschlagen werden. Auch sonst sind die Wärter nicht eben zimperlich: Sie schlagen immer wieder auf die Gefangenen ein, manchmal sogar mit Elektroschlagstöcken - und dies ohne je dafür belangt zu werden.
Wie lange Göldi diesmal im Gefängnis sitzen muss, weiss nach der erneuten Eskalation in der Libyen-Affäre niemand. Der Anwalt von Göldi will noch heute ein Begnadigungsgesuch einreichen. Für Denise Graf ist klar: «Wir fordern die sofortige Freilassung von Max Göldi.»