AlabamaFür Tiere «inakzeptabel» – Häftlinge sollen durch Stickstoff sterben
Weil Vollstreckungen von Todesurteilen schiefgingen, will Alabama auf eine neue Methode setzen. Tierärzte setzen wegen der schweren Nebenerscheinungen schon lange nicht mehr auf Stickstoff.
Darum gehts
Alabama will zum Tode verurteilte Häftlinge künftig mit Stickstoff töten.
Die Methode ist am Menschen völlig unerprobt – in der Tierwelt wird sie seit Jahren nicht mehr eingesetzt.
Das Gas könnte sogar zur Gefahr für Gefängnispersonal werden.
Kenneth Eugene Smith soll der erste Häftling in den Vereinigten Staaten werden, der durch Stickstoff den Tod findet. Wegen eines Auftragsmordes im Jahr 1988 ist er im Bundesstaat Alabama zum Tode verurteilt worden. Zuletzt mussten aber mehrere Hinrichtungen wegen Problemen abgesagt werden – so konnte etwa in mehreren Fällen die tödliche Injektion, die das Ende der Häftlinge bedeuten sollte, nicht intravenös verabreicht werden. In anderen Fällen berichten Augenzeugen von langen, qualvollen Todeskämpfen.
Gesetzlich erlaubt, aber völlig unerprobt
In Zukunft will Alabama deshalb auf das auf der Erde am häufigsten vorkommende Gas setzen: Stickstoff. Die Hinrichtung durch Stickstoff ist auch in den Bundesstaaten Mississippi und Oklahoma gesetzlich anerkannt, wurde bisher aber noch nie von einer Behörde umgesetzt. Denn eine Erprobung ist ethisch so undenkbar, dass jegliche Referenzwerte dazu fehlen, wie sich Stickstoff auf Menschen auswirkt.
Erfahrung mit dem Gas als todbringendes Mittel haben derweil Tierärzte: Früher wurde fast immer Stickstoff eingesetzt, um Haustiere einzuschläfern. Doch mittlerweile rät die US-Vereinigung der Veterinäre von der Substanz ab, wie die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt.
Stickstoff kann Panik, Schmerzen und Stress auslösen
Denn laut Studien kann das Ersticken durch Stickstoff vor dem Tod Panik, Schmerzen und hohen Stress auslösen. Mittlerweile wird es nur noch bei Truthähnen und Hühnern eingesetzt, die Tierärzte bezeichneten Stickstoff zur Einschläferung von anderen Tieren in ihren Richtlinien gar als «inakzeptabel».
Laut den Befürwortern soll der Stickstoff schnell zur Bewusstlosigkeit und anschliessend zum Tod führen. Doch sowohl Menschenrechtler als auch Experten kritisieren, dass das Prozedere an vielen Stellen unklar sei: Bislang ist lediglich öffentlich bekannt, dass den Verurteilten das Gas mit einer Maske mit Schläuchen verabreicht werden soll.
So viel könnte laut Experten schiefgehen
Dabei kann laut Bernard E. Harcourt vieles schiefgehen. «Dringt Sauerstoff in die Maske, ringt die Person womöglich qualvoll nach Luft und könnte mit einem schweren Hirnschaden überleben. Wenn der Stickstoff falsch reguliert wird, könnten die Insassen zudem an einer Kohlenmonoxidvergiftung ersticken», schreibt der Rechtsprofessor der Uni Columbia in einem Gastbeitrag in der «New York Times». Schlimmstenfalls könnte auch das Personal einer Stickstoffvergiftung ausgesetzt sein, wenn etwas schiefgeht.
«Versuch am Menschen»
Auch Rechtsprofessorin Deborah Denno bezeichnet die Variante, die der Bundesstaat Alabama anpeilt, als «schlampig, gefährlich und ungerechtfertigt mangelhaft». Maya Foe von der internationalen Organisation Reprieve (Begnadigung) spricht gar von einem «Versuch am Menschen». «Die Beamten wissen offensichtlich nicht, was sie tun, und hoffen auf das Beste.»
Eigentlich sollte auch Kenneth Eugene Smith bereits tot sein, wäre die Hinrichtung durch die Giftspritze im vergangenen November nicht fehlgeschlagen. Danach wurden alle Hinrichtungen gestoppt und eine Untersuchung eingeleitet – trotzdem will die Gouverneurin Kay Ivey schon bald auf Stickstoff setzen. Ob diese Hinrichtungsmethode trotz massiven Warnungen aus Medizin- und Ethik-Kreisen tatsächlich zuverlässiger sein wird als die Giftspritze, bleibt abzuwarten.
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