Alopecia areataVor zehn Jahren machte Romina Schluss mit dem Versteckspiel
Romina Rausch musste sich durch ihre Krankheit neu definieren. Die Unternehmerin lebt seit 22 Jahren mit Alopecia areata, auch bekannt als kreisrunder Haarausfall. Heute berät sie andere Betroffene.
Darum gehts
Mit 14 Jahren fielen Romina Rausch stellenweise die Haare aus. Seit 22 Jahren lebt sie mit Alopecia areata.
Zehn Jahre versteckte sie ihre Autoimmunkrankheit. Heute trägt sie ihre Glatze mit Stolz.
Um anderen Betroffenen zu helfen und sie zu unterstützen, gründete sie das Unternehmen «Kopfrausch».
«Den Tag vergisst man nie. Man hat das Gefühl, das Frausein abzulegen.» So beschreibt Romina Rausch den Moment, als sie sich das erste Mal die letzten Haare abrasierte. Mit 14 Jahren bemerkte sie, dass ihr büschelweise die Haare ausfallen. Heute weiss sie: «Das ist ein falsches Gefühl.» Die 36-Jährige trägt ihre Glatze mit Stolz. Aber auch ihre Perücken und ihre selbst designten Kopfbedeckungen. Romina Rausch lebt seit 22 Jahren mit Alopecia areata. Mit ihrem Unternehmen «Kopfrausch», das sie gemeinsam mit ihrem Partner führt, gibt sie anderen, die unter Haarverlust leiden, Mut und steht ihnen beratend zur Seite.
Romina Rausch, was macht es mit Betroffenen, wenn sie ihre Haare verlieren?
Man ist traurig und hat ein starkes Gefühl von Nacktheit und Scham. Eine Frau definiert sich so stark über ihre Haare. Vor allem, wenn man Augenbrauen und Wimpern verliert, hat man keine Gesichtszeichnung mehr. Ich wurde Meisterin im Versteckspiel. Zehn Jahre lang wusste niemand, dass ich eine Glatze habe, ausser meinem engsten Umfeld.
Wann hat sich das für Sie geändert?
Ich ging an ein Treffen vom Verein «Kreisrunder Haarausfall». Da waren 800 Teilnehmende und mir wurde schlagartig klar, dass ich nicht allein bin. Das hat mein ganzes Leben verändert. Einerseits hat mir das Mut gemacht, andererseits habe ich erkannt, wie schwierig sich andere Betroffene tun, sich in der Situation modisch und stilvoll zu stylen. Mangels guter Angebote für haarlose Menschen ist die Firma «Kopfrausch» entstanden.
Was macht Ihre Firma?
Ich designe und produziere eigene Kopfbedeckungen. Des Weiteren führen wir Pflegeprodukte, beraten Betroffene und leisten Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit. Denn viele Betroffene, insbesondere Frauen, müssen einen Prozess durchmachen, sich wieder schön zu fühlen. Mir war es wichtig, eine Anlaufstelle zu schaffen sowie Produkte zu entwickeln, welche modisch sind und nicht den «Krankheits-Stempel» tragen. Darin habe ich meine Erfüllung gefunden.
Welche Bedeutung hat die Perücke für Sie heute?
Heute ist die Perücke für mich wie ein Kleidungsstück. Je nachdem, worauf ich Lust habe oder was gerade gewaschen ist, ziehe ich das an. Einen Tag trage ich schwarze Haare, am nächsten dann rote, oder eine schöne bequeme Kopfbedeckung. Wenn man so weit ist, das nur wie ein Kleidungsstück anzuschauen, fühlt man sich freier.
Ist das Ziel, dass alle Betroffen die Perücke oder Kopfbedeckung wie ein Kleidungsstil zu betrachten?
Nein. Es gibt kein Richtig oder Falsch im Umgang mit Haarverlust. Man hat es nicht «geschafft», wenn man mit Glatze rumlaufen kann. Es zu akzeptieren, heisst nicht, es allen zu erzählen. Bei Krebspatienten zum Beispiel ist es noch mal ein anderer Umgang, weil da nicht alle wollen, dass es das Umfeld weiss. Man muss das machen, was in der eigenen Komfortzone ist.
Würden Sie Ihre Haare wieder zurück wollen?
Oh, nein danke! Ich spiele so sehr mit meinen Kopfbedeckungen und ich bin im Alltag so schnell, wenn ich mich für den Tag richte. Bad-Hair-Days gibt es bei mir nie! Ich bin nicht mehr die Frau mit den Locken, die ich mal war. Ich habe mich durch die Autoimmunkrankheit weiterentwickelt.
Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft im Umgang mit Menschen mit Haarausfall?
Mein Wunsch wäre es, dass es in der Gesellschaft enttabuisiert wird. Ich wünsche mir, dass eine Frau gleichwertig erotisch und schön angesehen wird, ob mit oder ohne Haare. Dasselbe gilt auch für einen Mann. Der Mensch soll schlussendlich nicht nur auf seine Haare reduziert werden. Denn es sind nur Haare. Heutzutage sollte eine Glatze normal sein!
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