GrenzgängerAls der Mindestkurs für den Franken wegfällt, explodiert sein Lohn
In Deutschland leben, in der Schweiz arbeiten – für 65’000 Deutsche ist das Alltag. Sie profitieren nicht nur finanziell extrem von diesem Modell.
Darum gehts
380’000 EU-Bürger sind sogenannte «Grenzgänger». Sie arbeiten in der Schweiz, leben aber nicht bei uns.
Finanziell lohnt sich dieses Modell extrem. Denn die Löhne sind deutlich höher als im Heimatland, gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten dort viel niedriger.
Aber nicht nur aus finanzieller Sicht schätzen viele Grenzgänger und Grenzgängerinnen die Schweiz.
In Deutschland werden schon lange einerseits die hohen Schweizer Gehälter bewundert, auf der anderen Seite die dementsprechend hohen Preise mit einer Mischung aus Angst und Ehrfurcht betrachtet. Kein Wunder also, dass sich das Grenzgänger-Modell bei vielen deutschen Bundesbürgern und -bürgerinnen grosser Beliebtheit erfreut: Denn damit kann man einerseits von den grosszügigen Schweizer Gehältern profitieren, andererseits durch die vergleichsweise niedrigen Preise in Deutschland in Saus und Braus leben. Im Schnitt sind die Preise dort nämlich 40 Prozent niedriger.
Rund 65’000 Deutsche überqueren unter der Woche täglich zweimal die Grenze zwischen der Schweiz und ihrem Heimatland, mehr als 380’000 EU-Bürger insgesamt aus Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich gehen dem gleichen Arbeits- und Lebensmodell nach. Das Nachrichtenmagazin «Spiegel» sprach mit mehreren von ihnen, so zum Beispiel mit Marc Milohnic, der Berufsbildner für Pflegekräfte am Universitätsspital Basel ist.
«Ich verdiene doppelt so viel wie meine Mutter»
Milohnic fährt unter der Woche mit dem Velo oder der Vespa über die Grenze, um in Basel zu arbeiten. In der Schweiz verdient er deutlich mehr als in Deutschland, 2015 stieg sein Lohn nochmals um 20 Prozent – ganz ohne Verhandlungen, Jobwechsel oder Beförderung. Der Grund war einfach nur wirtschaftspolitisch: Die Schweizerische Nationalbank hob den Mindestkurs für den Franken auf, die Folge waren explodierende Kurse. Auf einmal bekam man für einen Franken auch einen Euro, vorher waren es «nur» 80 Cent.
Auch für die 35-jährige Laura, die eigentlich anders heisst, ist das Grenzgänger-Modell mehr als lukrativ. Sie arbeitet in einer Psychiatrie in Basel, wohnen tut sie in der Nähe von Freiburg im Breisgau. «Finanziell ist es super, ich verdiene doppelt so viel wie meine Mutter, die ebenfalls als Pflegerin in einer Notaufnahme arbeitet», allerdings in Deutschland. Aber auch die Arbeitsbedingungen seien in der Schweiz deutlich besser. Mehr Wertschätzung, weniger Hierarchie-Gefälle, ein bisschen weniger Zeitdruck.
Bei der Steuererklärung wird es kompliziert
Kein Wunder also, dass sich die Zahl der Grenzgänger und Grenzgängerinnen in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat, allein in Basel fahren 18 Prozent der Beschäftigten dieses Modell. Die Schweizer Gehälter waren 2020 im Mittel 75 Prozent höher als in Deutschland. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen beiden Ländern macht es einfach zu arbeiten – bürokratische Hürden gibt es kaum. Emil, ebenfalls Grenzgänger, fasst es so zusammen: «Seit ich in der Schweiz arbeite, schwelge ich im Luxus und denke über keinen Euro nach, den ich ausgebe.»
Der einzige Nachteil: die Steuererklärung. Da wird es für die Grenzgänger nämlich richtig kompliziert. Denn Steuern zahlen die Pendler in dem Land, in dem sie wohnen. Laura ist dafür auf professionelle Hilfe angewiesen: «Ich kann meine Steuererklärung unmöglich selbst machen, das übersteigt mein Wissen.» In jedem Fall profitieren nicht nur die Grenzgänger, sondern auch die beiden Nachbarländer von dem Modell: In Deutschland darf man sich über höhere Steuereinnahmen freuen, in der Schweiz über Arbeitskräfte.
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