Als die Guillotine zum letzten Mal fiel

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Als die Guillotine zum letzten Mal fiel

Vor dreissig Jahren starb in Frankreich zum letzten Mal ein Mensch unter dem Fallbeil. Am 10. September 1977 wurde der Mörder Hamida Djandoubi guillotiniert.

Daniel Huber
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Daniel Huber

Der tunesische Immigrant wurde hingerichtet, weil er seine Freundin Elisabeth Bousquet brutal umgebracht hatte. Sie hatte der Polizei gemeldet, dass Djandoubi sie in die Prostituition zwingen wolle - dafür musste sie sterben.

Die Karriere einer Hinrichtungsmethode

Die Guillotine verdankt ihren Namen dem französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin, der 1789 aus humanitären Gründen die Einführung eines mechanischen Enthauptungsgeräts angeregt hatte, um andere grausame Hinrichtungsarten abzuschaffen. Guillotin litt später darunter, dass dieses Gerät nach ihm benannt wurde, obwohl er es gar nicht erfunden hatte.

Die Guillotine stammt trotz ihres französischen Namens gar nicht aus Frankreich. Vor der Revolution pflegte unser westliches Nachbarland seine Delinquenten vornehmlich mit dem Rad zu Tode zu bringen. Rädern war eine wahrhaft bestialische Prozedur, bei der dem Todeskandidaten Arme und Beine gebrochen wurden, damit ihn der Scharfrichter auf ein grosses Wagenrad flechten konnte.

Das Fallbeil gelangte hingegen in anderen europäischen Ländern schon sehr früh zum Einsatz. Bereits 1268 wurde Konradin, der letzte Hohenstaufer, in Italien mit einer guillotineähnlichen Maschine enthauptet. Weitere Vorläufer der Guillotine waren die «Schottische Jungfrau» (Scottish Maiden) oder das Fallbeil von Halifax.

Es war - Ironie der Geschichte - Ludwig XVI. selbst, der 1792 die Guillotine als humane Hinrichtungsart in Frankreich einführte. Bald darauf - im Januar 1793 - konnte er sich persönlich von der Humanität dieses Geräts überzeugen.

Die Guillotine blieb in Frankreich - in leicht modifizierter Form - das offizielle Exekutionsgerät bis zur Abschaffung der Todesstrafe 1981.

Die letzte Hinrichtung

Nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt worden war, bestieg Hamida Djandoubi um 4 Uhr 40 am 10. September 1977 das Schafott im Marseiller Gefängnis «Les Baumettes». Marcel Chevalier, der oberste französische Scharfrichter, liess das Beil fallen. Anwesend war auch sein Sohn Eric, der hier Erfahrungen für seinen späteren Beruf sammeln sollte - einen Beruf, den er wegen der Abschaffung der Todesstrafe nie ausüben würde.

Wann tritt der Tod ein?

Ein bei der Exekution anwesender Arzt bezeugte danach, dass Djandoubi - beziehungsweise dessen Kopf - noch etwa 30 Sekunden lang auf Zurufe reagiert habe.

Dies war nicht das erste Mal, dass Zeugen einer Hinrichtung darüber berichteten, der Geköpfte habe noch während einer quälend langen Zeitspanne Lebenszeichen gezeigt, bevor der Tod endgültig eingetreten sei.

Berühmt wurde der Fall von Henri Languille, der 1905 auf der Guillotine starb. Ein Dr. Beaurieux untersuchte den Enthaupteten und fertigte eine Studie an, in der er unter anderem schrieb: «Hier also ist, was ich unmittelbar nach der Enthauptung feststellen konnte: Die Augenlider und die Lippen des guillotinierten Mannes bewegten sich in irregulären, rhythmischen Kontraktionen während fünf oder sechs Sekunden.» Und weiter: «Ich wartete mehrere Sekunden. Die spasmodischen Bewegungen hörten auf. Das Gesicht entspannte sich, die Lider waren halb über den Augäpfeln geschlossen, sodass nur deren Weiss sichtbar war ... Ich rief nun in einer lauten, scharfen Stimme: 'Languille!' Ich sah, wie sich die Augenlider langsam hoben, ohne jede spasmodische Kontraktion - ich insistiere auf diese Eigenheit -, sondern mit einer gleichmässigen Bewegung, ganz normal, wie es im Alltagsleben geschieht bei Leuten, die aufwachen oder aus ihren Gedanken gezogen werden.»

Das sagt der Neurophysiologe

Solchen Berichten wie jenem von Beaurieux widersprechen moderne medizinische Erkenntnisse.

Unmittelbar nach der Enthauptung treten demnach folgende Ereignisse ein: Die Durchtrennung der Nervenfasern im Genick (Rückenmark) bewirkt innerhalb der Axone (ein Bestandteil der Nervenfasern) eine «im physiologischen Höchstmass ansteigende Frequenz von Aktionspotentialen, was gleichzeitig mit dem sofortigen Ausfall hemmender Funktionen verbunden ist.»

Innerhalb von 300 Millisekunden trete dadurch eine massive und unkontrollierte Ausbreitung der Erregungsmuster ins Gehirn auf, was zu sofortiger Bewusstlosigkeit führe. Sämtliche Hirnfunktionen werden tiefgreifend und irreversibel gestört.

«Bewusste oder höher verarbeitete Reaktionen eines abgetrennten Kopfes auf Zurufe sind nach Ablauf von 300 Millisekunden zuverlässig auszuschliessen.»

(Quelle: Wikipedia.org)

Die Guillotine in der Schweiz

Die Guillotine kam in verschiedenen Schweizer Kantonen seit 1835 zum Einsatz. Der letzte in der Schweiz nach einem zivilen Strafprozess zum Tode verurteilte und hingerichtete Straftäter ist Hans Vollenweider. Er wurde am Morgen des 18. Oktober 1940 in der Werkstatt der Strafanstalt in Sarnen mit der Guillotine hingerichtet.

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