Kreuz-Retusche«Als Tourist werde ich irregeführt»
Auf einem Bild von Lugano Tourismus wurde ein Kreuz aus der Aussicht vom Monte San Salvatore wegretuschiert. Laut PR-Experte Ferris Bühler ein grober Fehler.
In einem Mediendossier veröffentlichte Lugano Tourismus ein Foto von der Plattform auf dem Monte San Salvatore. Als die Aufnahme in einem Artikel auf Blick.ch erschien, wurde Leser Alfred Ackermann stutzig: «Das Bild wurde manipuliert. Es fehlt das Kreuz der kleinen Kirche auf dem Berg!» Aufgefallen sei es ihm, weil er selbst auf dem Monte San Salvatore gewesen und auf eben dieser Terrasse gestanden sei. «Ich habe ein Erinnerungsfoto geschossen. Dabei schaffte ich es nicht, ein Bild ohne das Kreuz zu machen.»
Recherchen von 20 Minuten zeigen, dass das Bild tatsächlich manipuliert wurde. Im Original ist das Kreuz prominent zu sehen, dafür wurde ein Schweizerkreuz auf dem Rucksack der abgelichteten Wanderin angebracht (siehe Bildstrecke).
«Ein No-Go aus PR-Sicht»
«Der Rucksack wurde vermutlich aufgrund einer Branding-Korrektur rot gefärbt und mit einem Schweizerkreuz versehen. Es soll mehr Swissness ausstrahlen. Diese Art von Bearbeitung ist gebräuchlich», erklärt PR-Experte Ferris Bühler.
Anders sehe es beim wegretuschierten Kreuz der kleinen Kirche aus: «Diese Art von Bearbeitung ist aus PR-Sicht ein No-Go. Als Tourist werde ich irregeführt, was die Aussicht anbelangt. Das wird mir spätestens dann klar, wenn ich auf dem Monte San Salvatore bin.»
«Das Bild verliert an Authentizität»
Andersgläubige Touristen stören sich laut dem PR-Experten kaum an christlichen Symbolen in der Schweiz: «Viele informieren sich über das Land, bevor sie hierherreisen. Sie wissen, dass hier der christliche Glaube vorherrscht und mit solchen Symbolen zu rechnen ist. Versuche, dies zu verstecken, ist ein Fauxpas.»
Auch sei bekannt, dass der christliche Glaube im Tessin etwas präsenter als in anderen Regionen der Schweiz sei: «All die Kirchen, Kapellen und Kreuze zeugen davon. Das verstecken zu wollen, macht PR-technisch keinen Sinn. Ganz im Gegenteil: durch diese Retuschierung verliert das Bild an Authentizität. Solche Gegebenheiten sollte man aus PR-Sicht wertvoll nutzen.»
Schwerer Stand wegen Verhüllungsverbot
Bühler vermutet, dass das Bild bearbeitet wurde, weil das Tessin einen etwas schweren Stand wegen des Verhüllungsverbots habe. «Vermutlich hatte man Angst, dass das Bild bei Touristen aus dem Nahen Osten nicht so gut ankommt.»
Sowieso habe er in den letzten Jahren einen Trend im Schweizer Tourismus festgestellt: «Wir versuchen, es allen recht zu machen, so neutral wie möglich zu sein und gleich alle Touristen anzuziehen. Dabei Gegebenheiten in der Schweiz zu verleugnen, ist aber falsch. So verlieren wir nur an Swissness. Die Touristen kommen doch genau deshalb hierher.»
Laut Bühler sollte Lugano Tourismus das Bild aus dem Mediendossier werfen. «Falls sie es aber unbedingt zeigen wollen und das Kreuz in der Mitte des Bildes zu dominant für sie ist, sollten sie ein neues Bild aus einem anderen Winkel schiessen. Bloss nicht den wahren Ausblick retuschieren.»