Am Horror-Airport ankern nun Kreuzfahrtschiffe

Aktualisiert

Hongkong Kai TakAm Horror-Airport ankern nun Kreuzfahrtschiffe

Selbst für erfahrene Piloten war die Landung auf dem Flughafen Kai Tak ein Abenteuer. 15 Jahre nach seiner Schliessung erhält er nun eine neue Bestimmung.

Peter Blunschi
Hongkong
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Peter Blunschi
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Wer hier landen wollte, brauchte starke Nerven: Die hügelige Topographie, die Lage mitten in der Stadt Hongkong, die oft schwierigen Wind- und Wetterverhältnisse und eine ins Meer hinaus gebaute Landebahn machten Kai Tak zu einem der schwierigsten und gefährlichsten Flughäfen der Welt. Nur die besten Piloten durften ihn anfliegen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb kam es nie zur befürchteten Katastrophe. Von schweren Unfällen blieb der nach seinen Gründern benannte Airport in seinen 73 Betriebsjahren verschont.

Vor 15 Jahren, in der Nacht zum 6. Juli 1998, wurde der letzte Flug abgefertigt und der ganze Betrieb auf den neuen, topmodernen Flughafen Chek Lap Kok ausserhalb der Stadt verlegt. Seither lag Kai Tak weitgehend brach, trotz der chronischen Platznot in der eng bebauten Wirtschaftsmetropole. Pläne für eine Umnutzung konkretisierten sich nicht – bis heute. Nun wird der ehemalige Flughafen erneut als Verkehrsumschlagplatz genutzt, wenn auch auf gemütlichere und weniger gefährliche Art: als Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe.

Platz für Ozeanriesen

Mitte Juni wurde am Ende der ehemaligen Flugpiste das neue Kreuzfahrtterminal in Betrieb genommen, erbaut vom Büro des Londoner Stararchitekten Norman Foster für rund eine Milliarde Franken. Als erstes ankerte die «Mariner of the Seas» an einem der beiden Anlegeplätze, ein der Kreuzfahrtschiff mit Platz für mehr als 3000 Passagiere. Solche Ozeanriesen konnten in Hongkong bislang nicht anlegen. Das bestehende Ocean Terminal liegt zwar sehr zentral, ist für sie aber zu klein.

Die fehlende Infrastruktur ist der Hauptgrund, warum Kreuzfahrten im Chinesischen Meer bislang keine grosse Rolle spielen. «Im Vergleich zum Mittelmeer und zur Karibik gibt es zu wenige Destinationen für Kreuzfahrtschiffe. Die Reedereien haben weniger Möglichkeiten, eine interessante Route zusammenzustellen», sagte Jeff Bent, Geschäftsführer der Betreiberfirma des neuen Hongkonger Terminals, der «New York Times».

Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. In Singapur wurde 2012 ein neues Terminal eröffnet, auch chinesische Städte wie Schanghai und Tianjin wollen aufrüsten. «Das Potenzial für Kreuzfahrten in Asien ist enorm, bis 2017 könnte die Zahl der Passagiere 3,7 Millionen erreichen und sich bis 2020 auf mehr als sieben Millionen verdoppeln», sagte Pier Luigi Foschi, Asienchef der US-Firma Carnival Cruise Lines, zur «New York Times». Der grösste Kreuzfahrtveranstalter der Welt hat kürzlich in Singapur eine Filiale eröffnet.

Der Checkerboard-Anflug

Die neue Nutzung von Kai Tak wird die Erinnerung an den Flughafen aber nicht verdrängen, besonders an den berüchtigten Checkerboard-Anflug. Piloten mussten mit ihrer Maschine direkt auf die Hügel der New Territories zufliegen, bis sie auf einer Anhöhe am Stadtrand ein grosses, rotweisses Schachbrettmuster erblickten. Dann flogen sie eine scharfe Rechtskurve und peilten über dem dicht besiedelten Stadtteil Kowloon die Landebahn an. Das Aufsetzen war eine Herausforderung für sich: Man dürfte nicht zu früh, aber auch nicht zu spät landen, schliesslich war die Piste auf drei Seiten von Wasser umgeben.

Einzelne Piloten denken gerne daran zurück, etwa Russel Davie, Einsatzleiter der Hongkonger Airline Cathay Pacific. «Der Anflug war absolut einmalig, aber auch eine Herausforderung, besonders bei starkem Wind», sagte er zu CNN. Als Pilot bei Cathay habe man viel Übung gehabt und den Anflug sehr gut beherrscht, doch für Piloten anderer Airlines sei es schwierig gewesen, «vor allem wenn sie nur einmal pro Jahr nach Kai Tak kamen». Die wenigsten waren deshalb traurig, als der überlastete Flughafen geschlossen wurde.

Auch die neue Nutzung als Kreuzfahrt-Ankerplatz stellt eine Herausforderung dar, denn das Terminal ist schlecht erschlossen. Zwar soll in den nächsten Jahren eine U-Bahn-Linie nach Kai Tak gebaut werden, doch bis dann dürfte es zu Engpässen kommen. Das mussten auch die 3000 Gäste der «Mariner of the Seas» erfahren. Weil es zu wenig Taxis und Busse hatte, um sie ins Zentrum zu befördern, bildeten sich vor dem Terminal laut CNN lange Schlangen.

Einige spektakuläre Anflüge auf Kai Tak:

Werbefilm der Swissair aus den 1970er Jahren:

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