«No Empty Chairs»An Heiligabend sind noch Plätze frei
Wer am 24. Dezember nicht allein sein will, kann sich jetzt im Internet eine Gastfamilie aussuchen. Das Projekt hat ein grosses Möbelhaus ins Leben gerufen.

Die Familie geniesst das Weihnachtsessen während einer privaten Weihnachtsfeier in Flanthey VS an Weihnachten 2011. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Wer keinen Kontakt mehr zu seiner Familie hat und kaum Freunde, verbringt Heiligabend nicht selten ganz allein – mit einer Pizza vor dem Fernseher. Auch der alleinerziehende Vater Flavio wäre an Weihnachten eigentlich alleine, denn sein Kind ist dann bei seiner Mutter. Doch dieses Jahr verbringt Flavio Weihnachten bei einer Familie, die er eigentlich gar nicht kennt.
Gefunden hat er sie über das Projekt «No Empty Chairs» («Keine leeren Stühle»), die das Möbelhaus Ikea ins Leben gerufen hat. Dort kann sich jeder eine Familie aussuchen, mit der er Weihnachten feiern will, oder sich auch selber als Gastgeber registrieren lassen. Selbst spezielle Menüwünsche oder ein bestimmtes Abendprogramm werden angegeben. Flavio bietet seinen unbekannten Gastebern seine Kochkünste an und will auch ein Geschenk mitbringen.
«Nicht auf der Sonnenseite des Lebens»
Eine der Gastgeberinnen heisst Bettina: «Ich dachte schon immer, dass man etwas machen müsse für die vielen Leute, die an Weihnachten allein sind.» Man dürfe all jene nicht vergessen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stünden, schliesslich wisse man nie, was einem das Leben bringe.
Deshalb sucht sie eine Person, die wirklich allein ist: «Ich möchte niemanden, der nur zu uns kommt, weil Mama gerade nicht zu Hause ist.» Der Gast müsse auch nichts mitnehmen: «Er muss nur freundlich und anständig sein.»
Ziel des Projekts ist es laut Ikea-Sprecherin Virginia Calisi, dass es den Menschen einfach besser gehe. Mit dem Projekt verfolge man keine kommerzielle Ziele. Doch was, wenn plötzlich ein gefährlicher Straftäter oder ein gewalttätiger Alkoholiker am Tisch der Gastgeber sitze? Die Angst vor schwarzen Schafen, die das Angebot missbrauchen könnten, sei unberechtigt, sagt Calisi: «Das Portal wird von ganz gewöhnlichen Menschen benutzt, die aus irgendeinem Grund allein sind.»
Durch die vielen verschiedenen Familienmodelle betreffe dies immer mehr Leute: «Nehmen wir als Beispiel eine geschiedene Frau: Die Kinder verbringen Weihnachten vielleicht mit ihrem Vater, der neue Partner muss arbeiten und schon ist sie allein». Bisher sei das Projekt ein Riesenerfolg. Ein Ziel sei es, damit auch ins Ausland zu expandieren.
«Alle sind willkommen»
An Leuten, die einen Platz an ihrem Weihnachtstisch anbieten, mangelt es nicht, das Problem liegt anderswo. So hat sich bei Userin Sandra letztes Jahr niemand gemeldet: «Bei uns zu Hause sind alle willkommen!»
Selbstversuch
Der Autor dieses Artikels hat sich selber auf «noemptychairs.ch» angemeldet. Innerhalb weniger Stunden wurde er gleich mehrmals von verschiedenen Familien zu ihrem Weihnachtsessen eingeladen – sogar ein Bett wurde ihm angeboten. Er hat zwar alle Angebote abgelehnt. Doch der Autor dankt für die Grosszügigkeit und Hilfsbereitschaft!