Gewalt im Spital: Notaufnahmen als Spiegel der Gesellschaft

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Angriffe im SpitalImmer mehr Gewalt: «Notfall ist Spiegel der Gesellschaft»

Beleidigungen, Angriffe und Sachbeschädigungen
gehören für das Spitalpersonal mittlerweile zum Alltag. Vor allem betroffen sind die Notaufnahmen.

Das Spitalpersonal wird immer wieder Opfer von verbalen oder körperlichen Angriffen.
Notaufnahmen sind für Catherine Favre Kruit vom Kantonsspital Fribourg ein Abbild der Gesellschaft.
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Das Spitalpersonal wird immer wieder Opfer von verbalen oder körperlichen Angriffen.

imago/Manja Elsässer

Darum gehts

  • In vielen Schweizer Spitälern steigen die Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt gegen die Mitarbeiter.

  • Das Inselspital Bern verzeichnete 2024 fast doppelt so viele Sicherheitseinsätze in der Notaufnahme wie 2018.

  • Auch das Kantonsspital Fribourg berichtet von zunehmender Aggression gegenüber seinem Personal.

  • Massnahmen wie Sicherheitsdienste und Schulungen sollen die Mitarbeiter schützen.

  • Im Oberwallis scheint die Welt hingegen noch in Ordnung zu sein, im dortigen Spital ist keine Zunahme der Gewalt zu verzeichnen.

«Die Fälle von Gewalt gegen Mitarbeiter haben in den letzten Jahren stetig zugenommen», berichtet Daniel Saameli, Mediensprecher der Insel Gruppe, auf Anfrage von 20 Minuten. Es werden Vorfälle von körperlicher, verbaler und sexueller Gewalt gegen das Personal sowie Sachbeschädigung dokumentiert.

Im Jahr 2018 musste der Sicherheitsdienst in der Notfallstation vom Inselspital in Bern 1231 Mal eingreifen. 2024 waren es bereits 2300 Einsätze – fast doppelt so viele wie sechs Jahre zuvor, wie «Nau» berichtete. Auch im Kantonsspital Fribourg sei die Zahl der erfassten Aggressionen gegen Mitarbeiter stark gestiegen – von 44 Fällen im Jahr 2019 auf 117 im Jahr 2024, wie auf Anfrage von 20 Minuten mitgeteilt wird.

Weniger körperliche Angriffe, mehr Beschimpfungen

Die meisten dieser Übergriffe – rund 90 Prozent – kämen beim Berner Inselspital in der Notaufnahme vor. Ähnlich ist die Situation im Kantonsspital Fribourg, wo 80 bis 85 Prozent der Einsätze des Sicherheitspersonals in der Notaufnahme stattfänden, so Catherine Favre Kruit, Leiterin Kommunikation und Marketing des Kantonsspitals Fribourg, auf Anfrage zu 20 Minuten.

Zwar habe es zwischen 2023 und 2024 in Fribourg einen Rückgang körperlicher Angriffe gegeben, die Fälle, in denen das Personal verbal beschimpft worden sei, hätten in der gleichen Zeit jedoch deutlich zugenommen.

Notaufnahme als Spiegel der Gesellschaft

Am häufigsten seien Personen gewalttätig, die unter Drogen- oder Alkoholeinfluss stehen oder psychische Herausforderungen haben.
Manche würden auch die Nerven verlieren, wenn sie lange warten müssen.
Auch Unverständnis oder Frust über die Abläufe im Inselspital seien häufige Ursachen für übergriffiges Verhalten gegen das Personal, so Saameli.

Für Catherine Favre Kruit ist diese starke Zunahme von Gewaltfällen vor allem ein Zeichen tieferer Probleme in der Gesellschaft: In einem Spital werde sichtbar, wie sich soziale Not, Unsicherheit und psychische Belastungen – darunter auch Suchtprobleme – in der Bevölkerung zunehmend verschärfen.

In einem früheren Bericht von 20 Minuten wurden auch kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren als Problembereiche identifiziert.

Spitäler haben interne Sicherheitsdienste

«Diese Gewaltbereitschaft ist für die Mitarbeiter des Inselspitals sehr belastend», sagt Saameli. Deshalb gibt es verschiedene Massnahmen, um die Angestellten zu schützen: Unter anderem hat das Inselspital einen eigenen Sicherheitsdienst und bietet seinem Personal zusätzlich Schulungen zum Thema an.

Beim Inselspital gelte eine Nulltoleranz für Gewalthandlungen gegen das Personal. Um seine Mitarbeiter zu schützen, hat das Spital einen eigenen Sicherheitsdienst und bietet zudem Schulungen zum Thema an.(Symbolbild)

Beim Inselspital gelte eine Nulltoleranz für Gewalthandlungen gegen das Personal. Um seine Mitarbeiter zu schützen, hat das Spital einen eigenen Sicherheitsdienst und bietet zudem Schulungen zum Thema an.(Symbolbild)

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Der starke Anstieg von Gewalt habe auch das Kantonsspital Fribourg dazu veranlasst, die Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. So sei 2023 in der Notaufnahme ein zusätzlicher Mitarbeiter speziell für die Zeit zwischen 18 und zwei Uhr eingestellt worden. Weitere Massnahmen umfassen Schulungen für das Pflegepersonal im Umgang mit Gewalt und eine verstärkte Sensibilisierung für die Meldung von aggressivem Verhalten. Auch gäbe es Plakate, die Patienten und Besucher über die Verhaltensregeln im Spital aufklären.

Keine Zunahme von Gewalt im Spitalzentrum Oberwallis

Dieser Trend ist aber nicht bei allen Spitälern festzustellen:
Im Unterschied zur generellen Situation in der Schweiz habe die Gewaltbereitschaft auf der Notfallstation des Spitalzentrums Oberwallis in den letzten Jahren nicht zugenommen.

«Wir stellen zurzeit nur selten verbale Entgleisungen gegenüber den ärztlichen, pflegerischen und administrativen Mitarbeitern fest. Handgreiflichkeiten gab es zum Glück seit längerer Zeit keine mehr», antwortete Hugo Burgener, Mitglied der Generaldirektion Spitalzentrum Oberwallis, auf Anfrage von 20 Minuten.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Beratungsstellen für gewaltausübende Personen

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