«Anschläge wegen Corona-Tracing sind denkbar»

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Brandstiftung«Anschläge wegen Corona-Tracing sind denkbar»

Am Dienstag kam es in Berlin wegen Forschung zu Corona-Tracing zu einem mutmasslichen Brandanschlag. Wie sicher sind Schweizer Entwickler?

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Mit einer Contact-Tracing-App auf dem Smartphone könnte man vielleicht schon bald die Ansteckungskette des Coronavirus unterbrechen.
Das planen App-Entwickler aus ganz Europa. Sie haben sich dazu in einer Non-Profit-Organisation zusammengeschlossen.
Das Ziel ist, dass positive Getestete oder solche mit eindeutigen Anzeichen ihre Infektion der App melden, sodass diese automatisch Kontakt aufnehmen kann mit Personen, die dem Erkrankten zu nahe gekommen sind.
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Mit einer Contact-Tracing-App auf dem Smartphone könnte man vielleicht schon bald die Ansteckungskette des Coronavirus unterbrechen.

kay Nietfeld

Gute Hygiene und Abstandhalten sind im Kampf gegen das Coronavirus essenziell. Doch die Verbreitung des Virus kann auch digital bekämpft werden: Mittels Contact-Tracing-Apps sollen Nutzer gewarnt werden, die Kontakt zu infizierten Personen hatten.

In Berlin kam es am Dienstagmorgen gar zu einem mutmasslichen Brandanschlag auf eine Forschungsrichtung, die diese Technologie mitentwickelt – das Heinrich-Hertz-Institut. Kurze Zeit später veröffentlichten Unbekannte auf dem linksextremen Internetportal Indymedia ein Bekennerschreiben. Die Verfasser schreiben, dass durch Corona-Apps Massenüberwachung wie in China eingeführt werde. Man wolle dieser Aufweichung der Grundrechte entgegenwirken. Der Staatsschutz ermittelt.

«Transparenz ist wichtig»

Wäre ein Anschlag wie in Berlin auch in der Schweiz möglich? «Wir können solche Anschläge selbstverständlich nicht ausschliessen. Allerdings passt es nicht zur politischen Kultur in der Schweiz, zu gewalttätigen Mitteln zu greifen», sagt Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft. «Ausserdem bezweifle ich, dass man mit gewalttätigen Aktionen Einfluss nehmen kann.» Die Gefahr einer Massenüberwachung der Gesellschaft bestehe durchaus, jedoch liege es an uns, zu entscheiden, ob es so weit komme.

Laut Steiger ist für das Verhindern solcher Anschläge neben dem Eingreifen der Behörden wichtig, dass das Contact-Tracing datenschutzfreundlich und transparent erfolgt: «In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Datensparsamkeit versprochen, aber nicht eingehalten wurde, beispielsweise durch den Schweizer Geheimdienst. Ein solches Debakel muss beim Contact-Tracing vermieden werden.» Steiger geht davon aus, dass eine grundrechtskonforme Umsetzung möglich ist. Dazu gehöre etwa die wirksame Anonymisierung und Verschlüsselung der Daten.

«System muss freiwillig sein»

Die ETH Lausanne ist massgeblich an der gesamteuropäischen Forschungsinitiative PEPP-PT beteiligt, bei der auch das Heinrich-Hertz-Institut Mitglied ist. «Ich nehme die Stimmung in der Schweizer Bevölkerung als sehr konstruktiv wahr», sagt Marcel Salathé von der ETH Lausanne. In der Schweiz gibt es keine Anzeichen für einen Anschlag. «Wir sind transparent, alle können sich an der Diskussion beteiligen. Kritik aus der Bevölkerung ist wichtig», so Salathé Es gebe auch Leute, die die Nutzung einer Contact-Tracing-App ablehnen würden. Deshalb sei es zwingend, dass das System auf Freiwilligkeit basiere.

Ausserdem müssten bei einer Nutzung unter allen Umständen die Grundrechte garantiert werden, so Salathé: «Eine Technologie ist nicht grundsätzlich gut oder schlecht. Schlecht umgesetztes Contact-Tracing kann aber einen massiven Eingriff in die Privatsphäre darstellen. Aber wir wollen nur Technologie, die die Persönlichkeitsrechte schützt.»

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