Weleda-CEO Tina Müller: «Die Marke war etwas stehen geblieben»

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Weleda-CEO Tina Müller«Einen so schnellen Erfolg hätte ich nicht erwartet»

Antifalten-Creme, entschlacktes Logo und Celebrities: Im Eilzugstempo modernisiert CEO Tina Müller das Schweizer Traditionsunternehmen Weleda – und liefert ab. Wie gut verträgt sich der neue Kurs mit dem anthroposophischen Erbe?

«Frau Müller, was ist für Sie Anthroposophie?» Die erfolgreiche Weleda-CEO Tina Müller glaubt an die «Einheit von Körper, Seele und Geist».

20 Minuten/ Michael Scherrer

Darum gehts

  • Weleda schrieb 2022 noch rote Zahlen. Nun hat das Schweizer Unternehmen einen Rekordumsatz erzielt und das operative Ergebnis verdoppelt.

  • Die deutsche CEO Tina Müller sagt: «Die Marke war etwas stehen geblieben.» Also hat sie neue Produkte eingeführt, den Markenauftritt erneuert und mit Celebrities die Aufmerksamkeit der Jungen gewonnen.

  • Müller will Weleda weiter modernisieren. Dabei sieht sie das anthroposophische Erbe der Firma nicht als Hindernis, sondern als Chance.

  • Sie sagt aber auch: «Es ist nicht ausschlaggebend, wie sehr ich mich mit Rudolf Steiner identifiziere. Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen erfolgreich zu führen.»

Frau Müller, stimmt es dass Sie morgens ein mit Energie versetztes Wasser trinken?

Ja. Ich habe eine Anlage bei mir zu Hause, die das Wasser reinigt und gleichzeitig energetisiert.

Der Nutzen solcher Anlagen ist wissenschaftlich umstritten. Glauben Sie trotzdem an die Wirkung?

Tatsächlich kann man mit einem Stab die Aktivität und die Reinheit des Wassers messen. Wenig Aktivität bedeutet eine dichte Molekülstruktur, was bedeutet, dass das Wasser nicht so sauber ist. Was das Energetische angeht – da muss man natürlich auch ein bisschen dran glauben.

Sind Sie auch deshalb zu Weleda gegangen, weil dort aufgrund der anthroposophischen Wurzeln auch das Spirituelle eine Rolle spielt?

Ich glaube an den Dreiklang von Körper, Seele und Geist. Wenn man mental stark ist, hat das einen positiven Effekt auf den Körper. Nehmen wir einen Marathonlauf. Der entscheidet sich im Kopf und nicht im Körper. Die letzten Kilometer schafft man nur mit dem Willen.

Laufen Sie auch Marathon?

Nein, ich jogge lieber kürzere Strecken oder spiele Tennis, wo man schnelle Erfolgserlebnisse hat.

Weleda-CEO Tina Müller hat eine steile Karriere hinter sich. 2017 bis 2022 war sie CEO der Parfümeriekette Douglas. Müller hat in Trier und Lyon Betriebs- und Volkswirtschafslehre studiert, bevor sie zu L'Oréal stiess und später zu Wella und Henkel wechselte. Ihr Antrieb: «Ich will Dinge gestalten und verändern. Marken sind für mich wie Menschen, Persönlichkeiten, die man prägen kann. Jedenfalls habe ich mich manchmal geärgert, wenn mein Chef meine Ideen nicht gut fand. Das war für mich der Anreiz, die nächste Stufe zu erklimmen. Als CEO hat man hohe Verantwortung und viel Gestaltungsspielraum.»

Weleda-CEO Tina Müller hat eine steile Karriere hinter sich. 2017 bis 2022 war sie CEO der Parfümeriekette Douglas. Müller hat in Trier und Lyon Betriebs- und Volkswirtschafslehre studiert, bevor sie zu L'Oréal stiess und später zu Wella und Henkel wechselte. Ihr Antrieb: «Ich will Dinge gestalten und verändern. Marken sind für mich wie Menschen, Persönlichkeiten, die man prägen kann. Jedenfalls habe ich mich manchmal geärgert, wenn mein Chef meine Ideen nicht gut fand. Das war für mich der Anreiz, die nächste Stufe zu erklimmen. Als CEO hat man hohe Verantwortung und viel Gestaltungsspielraum.»

20min/Michael Scherrer

Stichwort schnelles Erfolgserlebnis: Noch vor drei Jahren war Weleda in den roten Zahlen. Im Oktober 2023 haben Sie als CEO gestartet. Nun haben sie das Jahresresultat präsentiert: Weleda hat 2024 den höchsten Umatz in der Geschichte des Unternehmens erzielt und die Profitabilität deutlich verbessert. Wie haben Sie das geschafft?

Dass der Erfolg sich so schnell einstellt, hätte ich nicht erwartet, freut mich aber umso mehr. Als ich im Oktober 2023 bei Weleda angefangen habe, traf ich auf eine Marke mit einer hundertjährigen Geschichte und einem Produkt von starker Substanz. Die Produktqualität war hoch, die Marke bekannt und vertrauenswürdig. Aber die Marke war auch etwas stehen geblieben. Gerade der Kosmetikmarkt hat sich in den letzten zehn Jahren enorm entwickelt. Wir müssen jetzt mit der Zeit gehen.

Das heisst?

Die Gesichtspflege ist das Boom-Segment. Wir haben neue Pflegeserien eingeführt. Ein Volltreffer war die Verjüngungslinie Blauer Enzian und Edelweiss. Das Produkt geht weg – wie sagt man auf Schweizerdeutsch? – wie warme Weggli. Zudem haben wir mit dem Claim «Swiss Natural Science» den wissenschaftlichen Ansatz und die Herkunft der Heilpflanzen in den Vordergrund gerückt.

Wie wollen Sie mit Weleda weiter wachsen?

Weleda ist in Deutschland hauptsächlich in der Drogerie und in der Schweiz im Lebensmitteleinzelhandel und Apotheke. Das wollen wir ändern. Wir wollen mit einer neuen Linie in das Premiumsegment in der Parfümerie, einem Marktsegment, das auch in Zukunft überproportional wachsen wird. Und wir setzen weiter auf die Gesichtspflege und das grosse Trendthema Longevity. Wie kann ich länger gesund und vital leben?

«Das Problem ist, dass die jungen Mädchen zu Hause in den Cremetopf der Mutter greifen.»

Tina Müller, Weleda-CEO

Heutzutage beschäftigen sich Mädchen zwischen acht und zwölf Jahren bereits intensiv mit Kosmetik und Hautpflege. Die sogenannten «Sephora Kids» kaufen teure Produkte wie Anti-Falten-Cremes und Seren. Setzt auch Weleda auf diese Zielgruppe?

In der jungen Zielgruppe punkten wir vor allem mit der Skin-Food-Linie. Um die Gen Z und Alpha besser zu adressieren, haben wir uns organisatorisch neu aufgestellt mit einem neuen Digital-Team, das derzeit gerade den Tiktok-Shop in Deutschland lanciert. In den USA, UK und in Spanien verkaufen wir wir bereits über Tiktok und machen erste Erfahrungen.

Stars wie Rihanna, Julia Roberts, Victoria Beckham, Priyanka Chopra und zahlreiche weitere Celebritys schwören auf Social Media auf die Pflegelinie «Skin Food» von Weleda, die in Hollywood als Geheimtipp gilt. Bezahlt werden sie dafür nicht.

Auch Hailey Bieber, eine der einflussreichsten Fashionistas, zeigte in einem Tiktok-Video, wie sie damit ihre Haut pflegt. Bezahlt wurde sie dafür nicht.

Auch Hailey Bieber, eine der einflussreichsten Fashionistas, zeigte in einem Tiktok-Video, wie sie damit ihre Haut pflegt. Bezahlt wurde sie dafür nicht.

HAILEYBIEBER/TIKTOK

Brauchen Kinder denn wirklich Gesichtscremes? Kritiker reden von Abzocke.

Da muss ich widersprechen. Die Haut zu pflegen ist nie falsch, die Frage ist, womit. Das Problem ist, dass die jungen Mädchen zu Hause in den Cremetopf der Mutter greifen und Peelings, Anti-Aging-Produkte oder Fruchtsäuren auf die Haut schmieren, die überhaupt nicht dafür geeignet sind. Mit Retinol oder Säuren zerstören sie die natürliche Hautbarriere. Darum bringen wir im September eine Alternative auf den Markt, die 100 Prozent natürlich und Natrue-zertifiziert ist. Und zwar eine Mehrgenerationenpflege-Marke namens minLen in Kollaboration mit Prinzessin Madeleine von Schweden.

Benutzt du Weleda-Produkte?

Und dann ist es keine Abzocke?

Nein. Pflege macht Freude und hat etwas mit Selfcare zu tun. Wenn wir Menschen uns im Spiegel anschauen und zufrieden sind, dann hat das einen positiven Einfluss auf unser Selbstbewusstsein. Das war schon immer so – nur war das Interesse an Pflege- und Beautythemen wohl noch nie so gross wie heute. Kritisch sehe ich darum den Einfluss gewisser Influencer auf Social Media.

«Es ist nicht ausschlaggebend, wie sehr ich mich mit Rudolf Steiner identifiziere. Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen erfolgreich zu führen.»

Weleda-CEO Tina Müller

Inwiefern?

Wenn ich Teenager mit aufgespritzten Lippen sehe, dann hoffe ich, dass es bald einen Gegentrend gibt.

Die Hauptaktionäre von Weleda sind die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft und die Klinik Arlesheim AG. Wäre die Modernisierung des Unternehmens nicht einfacher ohne das Erbe Rudolf Steiners?

Nein. Andere Unternehmen wären dankbar, hätten sie die Substanz und die Wurzeln, wie es Weleda hat.

Und doch gab es Widerstand, als sie UV-Schutz in eine Gesichtscreme einführen wollten. Der Grund dafür war, dass die Sonnenenergie in der Anthroposophie als etwas Positives wahrgenommen wird, der man keine Schranken setzen sollte.

Ich halte es für unsere Verantwortung, unsere Haut vor Alterung, Sonnenbrand oder Hautkrebs mittels UV-Schutz zu schützen. Die kritischen Stimmen habe ich mir angehört. Dann habe ich unsere Verwaltungsratsmitglieder gefragt, wie sie darüber denken. Erfahren habe ich: Das ist ein Mythos. Jetzt sind wir mitten in der Entwicklung eines innovativen UV-Filters für unsere Kosmetikprodukte. Wobei wir natürlich auf einen natürlichen UV-Filter setzen, und nicht auf eine Chemiekeule, die dem Planeten schadet.

Weleda modernisieren – das wollen Sie auch mit einem neuen, geradlinigen Logo. Dieses wirkt, als wollte man die anthroposophische Herkunft verstecken wollen.

Die ganze Marke Weleda wird modernisiert. Da ist es nur logisch, das Logo – das sich in den über Hundert Jahren nur leicht verändert hat – als Speerspitze der Marke ebenfalls zu modernisieren. Ohne aber die Wurzeln zu ignorieren. Das Logo ist zwar edler, weiblicher und moderner geworden, aber die anthroposophische Schriftart ist nach wie vor erhalten.

Seit hundert Jahren das gleiche Logo: Das Weleda-Markenzeichen wurde 1921 von Rudolf Steiner entworfen. Die geschwungenen Buchstaben sind anthroposophisch inspiriert.
Nun hat Weleda das Logo, Corporate Design und Markenauftritt modernisiert. Mit dem Claim «Swiss Natural Science» rückt die Wissenschaft in den Vordergrund – und die anthroposophischen Wurzeln in den Hintergrund.
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Seit hundert Jahren das gleiche Logo: Das Weleda-Markenzeichen wurde 1921 von Rudolf Steiner entworfen. Die geschwungenen Buchstaben sind anthroposophisch inspiriert.

Quelle: Weleda
Die Anthroposophie werde von einigen als stehen geblieben empfunden. Tina Müller aber glaubt: «Dieses Konzept – die Einheit von Körper, Seele und Geist – also der holistische Blick auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, ist topmodern.»

Die Anthroposophie werde von einigen als stehen geblieben empfunden. Tina Müller aber glaubt: «Dieses Konzept – die Einheit von Körper, Seele und Geist – also der holistische Blick auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, ist topmodern.»

20min/Michael Scherrer

Ein dezenteres Logo, Cremes mit UV-Schutz, der neue Science-Claim – wollen Sie Weleda für den Erfolg ein Stück weit ent-anthroposophieren?

Nein, im Gegenteil. Ich will den Menschen näherbringen, dass die Anthroposophie etwas Wertvolles ist. Von einigen wird sie als stehen geblieben empfunden. Ich glaube aber, dass dieses Konzept – die Einheit von Körper, Seele und Geist – also der holistische Blick auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, topmodern ist. Das müssen wir auch entsprechend kommunizieren.

«Es ist nicht ausschlaggebend, wie sehr ich mich mit Rudolf Steiner identifiziere. Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen erfolgreich zu führen.»

Weleda-CEO Tina Müller

Der Religionsphilosophe Ansgar Martins beschreibt Anthroposophie kritisch als eine Form der Esoterik, die behaupte, dass im All und in den Menschen übersinnliche Kräfte, Geister und Engel wirksam seien. Wenn man diese Kräfte erkenne, könne man sich an ihnen ausrichten und sie sinnvoll für Menschen und Erde anwenden. Wie stark identifizieren Sie sich mit der Lehre Rudolf Steiners auf einer Skala von 1 bis 10?

Es ist nicht ausschlaggebend, wie sehr ich mich mit Rudolf Steiner identifiziere. Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen erfolgreich zu führen. Es hat mich auch niemand mit der Prämisse eingestellt, dass ich mich auf einer Skala von 1 bis 10 mit einer 10 mit Rudolf Steiner identifiziere.

War das vielleicht auch der Not der Eigentümer, also der anthroposophischen Gesellschaft geschuldet, dass sie einfach dringend eine fähige Managerin brauchten, die das Unternehmen endlich wieder auf Vordermann bringt?

Das glaube ich nicht. Es ist ein klares Statement der Eigentümer, dass Weleda von der Anthroposophie inspiriert ist und nicht die Anthroposophie selbst ist.

Und doch ist Anthroposophie in der Produktion ein fester Bestandteil. Ist es immer noch so, dass im Weleda-Heilpflanzengarten nach Steiners Anleitung ein Kuhhorn mit Mist gefüllt und «drei Viertel bis eineinhalb Meter tief» vergraben wird, weil nach dem Winter «eine ungeheure Kraft darinnen an Astralischem und an Ätherischem» drinstecke, bevor der Horninhalt dann homöopathisch verdünnt und dann auf den Feldern ausgebracht wird?

Ja, diese Anbauart, die aus der biodynamischen Landwirtschaft kommt, wird in unseren weltweit sechs Heilpflanzengärten nach wie vor praktiziert. Ich bin überzeugt, dass unsere Böden die besten Böden sind, die man weltweit finden kann. Gesundheit fängt im Boden an. Wir wissen, dass es besser ist, Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, die in gesunden Böden gewachsen sind und nicht in Böden, die künstlich zugedüngt sind und keine Nährstoffe mehr haben. Dasselbe gilt für die Heilpflanzen, die wir für unsere Produkte in Kosmetik und Pharma verarbeiten. An diesen Naturkreislauf glaube ich.

Der biodynamische Anbau spielt bei Weleda eine wichtige Rolle. Kompost, Pflanzenjauchen und Präparate sollen für einen fruchtbaren Boden sorgen. Das Ziel ist es, den Boden nicht auszulaugen, sondern ihn anzureichern und zu lockern. Unter anderem auch mit dem sogenannten Hornkiesel.

Der biodynamische Anbau spielt bei Weleda eine wichtige Rolle. Kompost, Pflanzenjauchen und Präparate sollen für einen fruchtbaren Boden sorgen. Das Ziel ist es, den Boden nicht auszulaugen, sondern ihn anzureichern und zu lockern. Unter anderem auch mit dem sogenannten Hornkiesel.

Screenshot Weleda.ch

Ein anderes Beispiel ist das Potenzieren von Stoffen. Dabei werden «Verdünnungen […] per Hand rhythmisiert, um eine Verdünnungsstufe, also eine Potenz, fertigzustellen», heisst es auf der Weleda-Webseite. Glauben Sie an die Wirksamkeit solcher Praktiken?

Wir investieren heute und in Zukunft deutlich mehr in präklinische und klinische Studien. Die Ergebnisse sind wichtig, damit wir medizinischem Fachpersonal entsprechend aufzeigen können, welche Wirksamkeit festgestellt wurde. Bisher hören wir von Apothekerinnen und Apothekern, Ärztinnen und Ärzten regelmässig, dass sie gute Erfahrungen machen mit unseren Produkten. Studien und gute Erfahrungen sind die richtige Kombination.

Warum lassen sie nicht alle Präparate wissenschaftlich testen?

Diese Studien sind enorm teuer. Wir sind ein KMU und kein Pharma-Konzern, und können es uns entsprechend nicht leisten, für 25 Präparate gleichzeitig eine klinische Studie zu machen. Deswegen fokussieren wir. Zum Beispiel laufen gerade präklinische Studien zu Amara-Tropfen für die Verdauung.

Das Unternehmen Weleda

Weleda AG ist ein Schweizer Unternehmen mit Hauptsitz in Arlesheim BL. Es wurde 1921 von Rudolf Steiner, Ita Wegman und Oskar Schmiedel gegründet. Steiner, ein österreichischer Philosoph, und Wegmann, eine niederländische Ärztin, prägten die anthroposophische Ausrichtung des Unternehmens.

Weleda ist weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung von zertifizierter Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln. Die Pflanzen dafür wachsen in eigenen biodynamischen Gärten. Das Unternehmen beschäftigt etwa 2300 Mitarbeiter und hat Niederlassungen in 22 Ländern. Weleda-Produkte sind in über 50 Ländern erhältlich.

Was, wenn die Ergebnisse nicht zu ihren Gunsten ausfallen?

Wir bekommen bereits positives Feedback von Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten. Darum bin ich zuversichtlich, dass die Ergebnisse positiv ausfallen werden und wir die ganze anthroposophische Medizin auf ein höheres Glaubwürdigkeitsniveau bringen können.

«Meine Mutter hat mir vorgelegt, dass man auch als Frau Karriere machen kann.»

Weleda-CEO Tina Müller

Zum Schluss noch eine persönliche Frage. Wie sind Sie so erfolgreich geworden, wie Sie es heute sind?

Meine Mutter, die jetzt 91 Jahre alt ist, hat eine entscheidende Rolle gespielt. Sie war Dolmetscherin, war viel unterwegs und hat im Ausland gelebt. Sie hat mir vorgelebt, dass man auch als Frau Karriere machen kann. Sie hat mir auch in einem entscheidenden Moment den Rücken gestärkt.

In welchem?

Nach dem Abitur hat mein Vater gesagt: «Tina, mach doch eine Banklehre.» Darauf hatte ich aber keine Lust. Meine Mutter hat dann gleich gesagt: «Nein, Tina möchte jetzt direkt studieren. Das machen wir jetzt so.» Also bin ich nach dem Abitur aus meiner Kleinstadt direkt nach Frankreich und habe dort mit dem BWL- und VWL-Studium begonnen, wo ich schnell in ein internationales Umfeld gekommen bin. Meine Diplomarbeit habe ich bei L’Oréal und bin so in die Kosmetik-Industrie gekommen.

Sie hatten also eine Tiger Mum?

Ja, so würde man das heute wahrscheinlich nennen. Eine Pionier-Tigerin. Sie hat mich auch immer darin bestärkt, Karriere zu machen. Ich war häufig in meiner Karriere die einzige Frau auf meiner Ebene: Ob bei Henkel oder Opel und schliesslich eine der wenigen weiblichen CEOs im deutschsprachigen Europa. Da schliesst sich der Kreis: Bei Weleda bin ich übrigens nach der Mitgründerin Dr. Ita Wegman die erste Frau, die das Unternehmen leitet.

«Ich habe mich manchmal geärgert, wenn mein Chef meine Ideen nicht gut fand. Das war für mich der Anreiz, die nächste Stufe zu erklimmen.»

Weleda-CEO Tina Müller

Was war Ihr Antrieb? Wollten Sie die erste Frau sein?

Nein, das war nie das Ziel. Ich wollte Dinge gestalten und verändern. Als Marketingchefin hatte ich immer Lust Marken zu gestalten, ein Gesicht zu geben und sie erfolgreich zu machen. Marken sind für mich wie Menschen, Persönlichkeiten, die man prägen kann. Jedenfalls habe ich mich manchmal geärgert, wenn mein Chef meine Ideen nicht gut fand. Das war für mich der Anreiz, die nächste Stufe zu erklimmen. Als CEO hat man hohe Verantwortung und viel Gestaltungsspielraum.

Warum glauben Sie, gibt es wenige Frauen in Spitzenpositionen?

Es gibt sie überall, man muss sie nur finden wollen. Ich glaube, dass Verwaltungsräte und Personalberater zu wenig intensiv nach der richtigen Frau suchen. Es fehlt häufig der letzte Wille, es auch wirklich zu tun.

Inwiefern sind Frauen auch selbst in der Verantwortung?

Sie müssen es natürlich auch wollen. Ich bin, zusammen mit meinem Netzwerk, auch gerne Inspiratorin für weibliche Karrieren. Dafür engagiere ich mich sehr gern.

Wollen Sie denn genug?

Manchmal sicherlich nicht und das muss man auch respektieren. Aber ich ermutige jede Frau, in den Beruf zurückzukehren und Kinder und Karriere zu vereinbaren. Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit beides geht. Und als Chefin oder Chef muss man auch einfach mal Verständnis dafür haben, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter ausfällt, weil das Kind krank ist. Das ist eine Haltung, die man nicht mit Gesetzen auffangen kann. Und auf der anderen Seite muss die Mitarbeiterin mit Leitungsfunktion offen dafür sein, auch mal auf dem Spielplatz erreichbar zu sein. Das ist eben auch eine Frage des Mindsets.

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