4 Studien, 4 ErgebnisseAntikörper bei Omikron weniger wirksam – doch wie viel weniger?
Erste Studien liefern Hinweise darauf, wie gut die Covid-19-Impfungen vor der Omikron-Variante schützen. Die Ergebnisse sind unterschiedlich, doch alle zeigen: Nicht nur Impfen, sondern auch Boostern ist wichtig.
Darum gehts
Rund zwei Wochen, nachdem die Welt erstmals von der Omikron-Variante gehört hat, sind noch viele Fragen offen. Die Forschung dazu läuft auf Hochtouren. Nun präsentieren die ersten Forschungsteams ihre Ergebnisse. Und auch Biontech/Pfizer hat neue Erkenntnisse. In allen Fällen handelt es sich um Vorabstudien, die Daten sind also als vorläufig zu betrachten.
Alle Gruppen haben untersucht, wie gut durch Krankheit oder Impfung erworbene Antikörper die Omikron-Variante erkennen und binden – kurz: neutralisieren – können. Und alle kommen zu dem Schluss, dass der Schutz vor einer Ansteckung stark abnimmt. Unterschiede gibt es allerdings bei der Beantwortung der Frage, in welchem Umfang die Immunität abnimmt.
41-facher Rückgang neutralisierender Antikörper
Einen «sehr starken» Rückgang beobachtete das Team um Axel Sigal vom Africa Health Research Institute in Südafrika. Die Forschenden hatten das Blut von zwölf doppelt mit Comirnaty (Biontech/Pfizer) Geimpften untersucht und dabei einen 41-fachen Rückgang neutralisierender Antikörper bei Omikron gegenüber dem Ursprungsvirus festgestellt. Allerdings zeigte sich ein deutlich positiveres Bild bei der Immunantwort von zuvor infizierten Personen mit doppelter Impfung. So oder so biete der Impfstoff nur einen teilweisen Schutz gegen die neue Mutante. Sigal sieht jedoch auch Positives, wie er auf Twitter schreibt: «Die Tatsache, dass Omikron immer noch den ACE2-Rezeptor als Eintrittspforte nutzt und den Schutz nicht vollständig umgeht, bedeutet, dass es sich um ein lösbares Problem handelt.»
37-fache Reduktion gegenüber Delta
Von einem deutlichen Abfall des Schutzes vor einer Ansteckung berichtet auch die Gruppe um die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek, bislang nur auf Twitter. Die Forschenden hatten untersucht, welche Kombination von Impfstoffen in der Lage ist, 50 Prozent der Omikron-Viren einer Probe zu neutralisieren. Dabei arbeiteten sie – wie auch das Team aus Südafrika – mit infektiösen Viren, nicht mit Pseudoviren.
Ergebnis: Die Impfungen mit zwei Mal Biontech/Pfizer, zwei Mal Moderna oder AstraZeneca plus Biontech/Pfizer-Booster boten nach sechs Monaten allesamt keinen ausreichenden Schutz. Die durch Antikörper ausgelöste Neutralisation des Virus gelang in null Prozent der Fälle. Auch drei Dosen Biontech/Pfizer wiesen drei Monate nach dem Booster nur 25 Prozent der Proben ausreichend Neutralisierung – gegenüber 95 Prozent bei der Delta-Variante. Eine doppelte Biontech-Impfung plus zurückliegende Infektion schützte ebenfalls zu 25 Prozent. Das entspreche einer bis zu 37-fachen Reduktion gegenüber Delta, so Ciesek.
Zu Cieseks Kurz-Information hat sich zwischenzeitlich auch Christian Drosten zu Wort gemeldet. Er weist – ebenfalls auf Twitter – darauf hin, dass das Analyseergebnis nicht bedeute, «dass die Impfung 40-mal weniger schützt.» Der reale Immunitätsverlust sei viel geringer.
7-facher Rückgang beobachtet
Bei der dritten Studie handelt es sich um eine Arbeit aus Schweden. Im Gegensatz zu den beiden anderen Forschungsteams wurde hier mit einem Pseudovirus gearbeitet. Dabei handelt es sich um ein gängiges, aber etwas weniger aussagekräftiges Verfahren in der Wissenschaft, mit dem «ein Grossteil der bisherigen Neutralisierungsdaten generiert wurde», wie die österreichische Forscherin und Wissenschaftkommunikatorin Sylvia Kerschbaum-Gruber auf Instagram erklärt.
Das Team des Karolinska-Instituts beobachtete ebenfalls einen Abfall der Neutralisation durch Antikörper. Allerdings war dieser mit einem siebenfachen Rückgang weniger dramatisch als in den anderen beiden Studien. Weiter stellten die Forschenden fest, dass die Auswirkungen von Omikron zwischen den Proben stark variierten: «Einige Proben wiesen überhaupt keinen, andere dafür einen rund 25-fachen Verlust auf.»
Geschützt vor schwerem Verlauf?
Impfstoff-Anpassung nötig oder nicht?
So unterschiedlich die Ergebnisse auch sind: Sie zeigen, dass es «deutlich mehr Antikörper braucht, um Omikron zu neutralisieren», so Carsten Watzl, Professor für Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, gegenüber Zdf.de. Entsprechend wichtig sei die dritte Impfdosis: «Nach Booster oder Impfung plus Infektion hat man deutlich mehr Antikörper und ist besser gegen Omikron geschützt. Die Impfungen sind weniger effektiv, aber nicht nutzlos!»
Während Virologin Ciesek und Watzl aufgrund des Rückgangs bei den Antikörpern eine Anpassung des Impfstoffs für sinnvoll halten, vermelden Biontech und Pfizer Positives über die Wirksamkeit ihres bisherigen Vakzins: «Unsere vorläufigen Daten deuten darauf hin, dass eine dritte Dosis immer noch einen ausreichenden Schutz vor Krankheiten jeglichen Schweregrades bieten könnte, die durch die Omikron-Variante verursacht werden», zitiert Nytimes.com Biontech-Chef Ugur Sahin.
Zwei Dosen scheinen dagegen nicht auszureichen: Bei Blutuntersuchungen von nur zweifach Geimpften habe man eine mehr als 25-fache Reduzierung der Antikörperspiegel gegen Omikron im Vergleich zu einer früheren Version des Virus festgestellt, teilen die Unternehmen mit. Die Blutproben von Personen, die einen Monat nach dem Booster entnommen wurden, zeigten jedoch neutralisierende Antikörper gegen die Omikron-Variante, die mit den Antikörperspiegeln gegen eine frühere Version des Virus nach zwei Dosen vergleichbar waren.
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