Anwalt erwartet Prozesswelle wegen Virus

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Die Berner Fasnacht fiel wegen des Coronavirus ins Wasser. Standbetreiber und der Verein Berner Fasnacht zoffen sich nun um die Gebühren. Ein Anwalt erwartet zahlreiche Gerichtsfälle.

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Für Standbetreiber war die diesjährige Fasnacht nur eines: ein Verlustgeschäft.
Der Anlass wurde wegen des Coronavirus abgesagt.
Vom Verein Berner Fasnacht erhalten sie kein Geld zurück. «Ich bin sehr enttäuscht und werde mir sehr gut überlegen, ob ich nächstes Jahr noch einmal an die Fasnacht gehe», sagt ein Standbetreiber, der heuer Pizza verkaufen wollte.
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Für Standbetreiber war die diesjährige Fasnacht nur eines: ein Verlustgeschäft.

Keystone/Alessandro Della Valle

Die Absage der diesjährigen Berner Fasnacht wegen des Coronavirus kommt Marktfahrer teuer zu stehen. So auch Sandro Möri, der hier heuer zum ersten Mal Pizza verkaufen wollte: «Ich sitze auf einem Minus von 3500 Franken, was tragisch ist für mich», sagte er gegenüber dem SRF Regionaljournal. Die Summe setzt sich aus der Standmiete, Strom und der Miete des Pizzawagens zusammen.

Vom Verein Berner Fasnacht erhält er kein Geld zurück. «Ich bin sehr enttäuscht und werde mir sehr gut überlegen, ob ich nächstes Jahr noch einmal an die Fasnacht gehe.»

«Sonst müsste ich Konkurs anmelden»

Beim Verein Berner Fasnacht kann man Möris Enttäuschung zwar nachvollziehen. Den Standbetreibern die insgesamt 100'000 Franken, die man erhalten habe, zurückzuzahlen sei aber schlichtweg nicht möglich.«Sonst müsste ich Konkurs anmelden», sagt der Vizepräsident und Kassier des Vereins, Thomas Fritz.

Fritz verweist zudem auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vereins, in denen klar festgehalten sei, dass der Verein bei solchen Entscheiden der Behörden nicht haftbar gemacht werden könne. Auch der Verein Berner Fasnacht spüre die Folgen der Fasnachtsabsage: In der Kasse klaffe ein Loch von 40'000 Franken, so Fritz.

Frage der «höheren Gewalt»

Rechtsanwalt Tobias Herren macht den Standbetreibern keine grossen Hoffnungen: «Wenn der Verein Berner Fasnacht eine Haftung in seinen AGBs ausschliesst, dann gilt der Vertrag – auch wenn das im Ergebnis für die Standbetreiber natürlich höchst unerfreulich ist.» Diesen rät Herren, sich zusammenzutun, dem Verein gegenüber eine einheitliche Position geltend zu machen – und auf dessen Kulanz zu hoffen.

Im Hinblick auf die Rückerstattungen nach den zahlreichen Veranstaltungsabsagen stellt sich Herren zufolge auch die Frage, ob es sich beim Coronavirus um Höhere Gewalt handelt, d.h. ein unvorhersehbares, unvorhergesehenes, aussergewöhnliches Ereignis, das mit unabwendbarer Gewalt von aussen hereinbricht. Dazu zählen etwa Naturkatastrophen, Kriege, Terrorismus oder Streiks. In solchen Fällen sieht das Obligationenrecht vor, dass Forderungen erlöschen und bereits Geleistetes zurückbezahlt wird.

«Ich erwarte eine Prozesswelle»

«Bis vor Kurzem war man sich einig, dass es sich beim Coronavirus nicht um einen solchen Fall handelt, da Grippewellen in der Regel vorhersehbar sind», sagt Herren. Nachdem Covid-19 nun aber als Pandemie eingestuft wurde, sei das nicht mehr so klar.

Herren erwartet daher neben der Grippewelle auch eine Prozesswelle: «Viele Leute werden vor Gericht versuchen, eine Entschädigung einzufordern.» Für die geprellten Berner Standbetreiber sieht der Rechtsanwalt dennoch praktisch keine Chance, da die Pandemie-Erklärung der WHO erst zwei Wochen nach der Fasnacht erfolgt sei.

Immerhin: Der Verein Berner Fasnacht bietet den Standbetreibern an, dass sie im nächsten Jahr einen Rabatt auf die Standgebühren erhalten.

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