Apple zeigt seine «Suizid-Fabrik»

Aktualisiert

Zu Besuch bei FoxconnApple zeigt seine «Suizid-Fabrik»

Erstmals hat ein Reporter «unbeschränkten Zugang» zu den berüchtigten Foxconn-Werken in China erhalten. Seine Reportage wurde am Dienstagabend in den USA ausgestrahlt.

von
Daniel Schurter

Bill Weir hat eine grosse Klappe - und Millionen hören ihm zu. Der Star-Reporter des US-Senders ABC News liefert lockere Sprüche und Sensations-Storys am Laufmeter. Einst gewann er den Apple-Gründer mit einer frechen Video-Botschaft für ein Interview. Jetzt hat der erklärte Apple-Fan geschafft, was zu Lebzeiten von Steve Jobs undenkbar gewesen wäre. Weir konnte mit einem Kamerateam den wichtigsten Apple-Zulieferer im Süden Chinas besuchen. Auf Einladung von Apple.

Was er in den Foxconn-Fabriken gesehen hat, erfahren die amerikanischen Fernsehzuschauer am Dienstagabend (ab 23.35 Uhr, New Yorker Zeit). Seit Tagen wirbt ABC News für die exklusive Reportage der Nachrichten-Sendung Nighline, die von Weir co-moderiert wird. Auf der ABC-Website ist ein Teaser-Video veröffentlicht worden, das erste Einblicke bietet (siehe oben). In einer Bilder-Galerie werden die Tausenden von chinesischen Wanderarbeitern gezeigt, die im Schichtbetrieb rund um die Uhr iPhones und iPads zusammenbauen.

Auf internationalen Druck reagiert

Bill Weirs vorläufiges Fazit fällt - kaum überraschend - positiv aus. Bei seinem offiziellen Besuch in den sechs Foxconn-Fabriken in Chengdu und Shenzhen traf er zwar viele übermüdete und unterbezahlte Arbeiter, aber keine unhaltbaren Zustände an.

Im Vorschau-Video werden auch die Sicherheitsnetze gezeigt, die vor den Fenstern aufgespannt sind, um lebensmüde Arbeiter aufzufangen. Der US-Reporter sprach mit einem hochrangigen Foxconn-Manager über die Selbstmord-Serie unter den Angestellten. Louis Woo räumte ein, dass erst der internationale Druck zu Veränderungen geführt habe. Foxconn befinde sich im Wandel. «Dass Sie hier sind, ist ein Zeichen unserer Öffnung», sagte der Foxconn-Manager zum US-Reporter.

Protest und Boykotte

Tatsächlich hat der öffentliche Druck auf Apple in den vergangenen Monaten enorm zugenommen. Chinesische und internationale NGOs prangerten wiederholt das unzimperliche Verhalten des US-Konzerns an. Apple unternehme zuwenig gegen die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in den asiatischen Zuliefer-Betrieben, hiess es. Renommierte US-Medien wie die «New York Times» griffen das Thema auf und schrieben über miserable Löhne, minderjährige Angestellte und andere Missstände. Es kam weltweit zu Protesten und Boykott-Aufrufen.

Apple wird nicht müde zu betonen, dass die Arbeitsbedingungen in Asien stetig verbessert worden seien. Unter Steve Jobs hatte sich das Unternehmen noch hartnäckig gegen unabhängige Kontrolleure gewehrt. Doch unter dem neuen Apple-Chef Tim Cook hat offenbar ein Umdenken stattgefunden. Im Januar veröffentlichte Apple zum ersten Mal einen kritischen Bericht, in dem alle asiatischen Zuliefer-Firmen namentlich genannt sind. An einer Konferenz letzte Woche in San Francisco sagte der Apple-Chef, dass Kinderarbeit auf keinen Fall toleriert werde. Apple tue mehr als jedes andere Unternehmen, um die Bedingungen zu verbessern.

Unterwegs mit Kontrolleuren

Seit kurzem sind die Kontrolleure der Arbeitsrecht-Organisation FLA (Fair Labor Association) in Chengdu und Shenzhen unterwegs. Sie nehmen im Auftrag von Apple nicht nur die Fliessbänder und Massenunterkünfte unter die Lupe, sondern führen auch lange Gespräche mit den Angestellten. Über die Ergebnisse soll nächste Woche informiert werden.

Bill Weir konnte das FLA-Team begleiten. Er versichert zwar, dass er bei seinen Rundgängen nicht behindert worden sei, sondern überall hin durfte. Gleichzeitig äusserte er Bedenken. Er sehe die stoischen Mienen und die knappen Antworten der Arbeiter, die er seit seiner Ankunft bekomme und frage sich: «Wie ehrlich können die wirklich sein?»

Dass Weir die Foxconn-Reportage machen durfte, hängt wohl mit seinem Arbeitgeber zusammen. ABC News gehört zum Disney-Medienkonzern - der verstorbene Apple-Chef war einer der grössten privaten Aktionäre.

Foxconn, das seinen Hauptsitz in Taiwan hat, beschäftigt rund 1,2 Millionen Menschen in China. Der grösste Exporteur des Landes produziert für Apple und andere bekannte Elektronik-Konzerne wie Sony und Microsoft.

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