Robert McNamara«Architekt» des Vietnamkrieges gestorben
Als US-Verteidigungsminister war Robert McNamara mitverantwortlich für den Vietnamkrieg. Später rechnete er mit seiner eigenen Politik schonungslos ab; er bezeichnete den amerikanischen Einsatz in Vietnam als «schrecklichen Irrtum». Sie seien alle ahnungslos nach Indochina marschiert, schrieb McNamara 1995. McNamara starb im Alter von 93 Jahren.
Obwohl McNamara der Republikanischen Partei angehörte, berief Kennedy den Absolventen der Eliteuniversitäten Berkeley und Harvard nach seiner Wahl zum Präsidenten im November 1960 zum Verteidigungsminister. Davor war der am 9. Juni 1916 in San Francisco geborene McNamara Präsident des Automobilkonzerns Ford gewesen - gerade 34 Tage lang bis zur Berufung in die Regierung. Allerdings hatte er bereits seit Ende des Zweiten Weltkriegs dem Ford-Management angehört.
Seine Führungsqualitäten bewies der gelernte Wirtschaftswissenschaftler auch in seinem neuen politischen Amt. McNamara machte dem Planungschaos im Pentagon ein Ende und brachte in zwei Jahren die rivalisierenden und politisch ambitionierten Generäle und Admirale unter die Kontrolle seines Ministeriums. Senator Barry Goldwater nannte ihn wegen seiner Vorliebe für Argumentationen mit Hilfe von Tabellen und Diagrammen einen «Computer mit Beinen».
Unter Verteidigungsminister McNamara entwickelten die USA 1962 die Atomstrategie der «flexiblen Antwort» (flexible response) - für den Fall des Versagens der nuklearen Abschreckung war jetzt der gezielte Einsatz von Atomwaffen vorgesehen. Dieses Konzept löste die Doktrin der massiven Vergeltung ab und wurde fünf Jahre später nach anfänglichem Widerstand der europäischen Verbündeten die offizielle NATO-Strategie.
In McNamaras Amtszeit fiel eine beschleunigte Raketen-Aufrüstung der Vereinigten Staaten. Es kam die Kuba-Raketenkrise, die im Oktober 1962 die Welt an den Rand eines Atomkriegs brachte. Und es begann die amerikanische Verstrickung in Vietnam, die unter Kennedys Nachfolger Lyndon Johnson noch weiter getrieben wurde.
Fürsprecher der Armen in der Welt
Wie erst Jahre später bekannt wurde, kamen McNamara bereits 1967 Zweifel an der Richtigkeit des US-Einsatzes in Vietnam. Sein langes Schweigen brach er erst 1995 in seinem Buch «In Retrospect: The Tragedy and Lessons of Vietnam» (Im Rückblick: Die Tragödie von Vietnam und die Lehren daraus). McNamara räumte ein, dass damals die von einem kommunistischen Vietnam ausgehenden Gefahren für den Westen übertrieben dargestellt worden seien. Nur aus Loyalität gegenüber Präsident Johnson habe er solange nichts gesagt.
1968 trat McNamara von der Pentagonspitze zurück und wurde kurz darauf Präsident der Weltbank. In diesem Amt, das er bis 1981 ausübte, wurde er immer mehr zum Rüstungskritiker und zu einem Fürsprecher der Armen in der Welt. Die Weltbank wurde unter McNamaras Führung zu einem Motor der Entwicklungspolitik. Immer wieder prangerte er beschränkte Hilfsleistungen der reichen Staaten im Westen an.
Nach dem Rücktritt als Weltbankpräsident wandte sich McNamara wieder der Verteidigungspolitik zu. Anfang der 80er Jahre übte er scharfe Kritik an der NATO-Strategie des atomaren Erstschlags. Er sprach sich für atomwaffenfreie Pufferzonen und den Verzicht auf die weitere Produktion von Atomwaffen aus. Mit Blick auf die Kubakrise sagte McNamara einmal: «Es ist unmöglich, mit hoher Sicherheit vorauszusagen, welche Auswirkungen der Einsatz militärischer Gewalt haben wird, weil man immer mit dem Zufall, mit Fehleinschätzungen, Missverständnissen und Versehen rechnen muss.»
(dapd)