Architekt verteidigt das «hässlichste Haus»

Aktualisiert

«Zeuge der Architektur in jener Zeit»Architekt verteidigt das «hässlichste Haus»

Dass die 20-Minuten-Leser das Triemli-Hochaus zum hässlichsten Haus der Schweiz wählten, ist Rudolf Guyer egal. Er hat es 1955 entworfen. Seinen Kollegen gefällt es.

von
som
20-Minuten-Leser wählten das Triemli-Hochhaus zum hässlichsten der Schweiz.
Rudolf Guyer hat das Gebäude 1955 entworfen.
So sehen er und seine Frau Esther heute aus. Die beiden führten jahrelang ein Architekturbüro zusammen.
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20-Minuten-Leser wählten das Triemli-Hochhaus zum hässlichsten der Schweiz.

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Die Wahl zum «hässlichsten Haus» der Schweiz gibt unter Architekten zu reden. «Bessere Bildung im Bereich Baukultur für alle!», twitterte etwa der Architekt und Mitarbeiter vom Schweizer Heimatschutz Peter Egli, nachdem 20-Minuten-Leser das Triemli-Hochhaus zum Gewinner erkoren hatten.

Egli sagt auf Anfrage, dass er zwar persönlich das Gebäude nicht für eine Augenweide hält: «Aber in wenigen Jahrzehnten wird man wohl die heutigen Bauten ebenfalls kritisch beurteilen.» Das Triemli-Hochhaus sei ein typisches Beispiel der Stilrichtung des sogenannten Brutalismus aus den 60ern, so Egli.

«Bauten aus Sichtbeton galten als rein. Man wollte kurz nach dem 2. Weltkrieg ehrliche Architektur, die nichts verschönert.» Dieses Wissen über Architekturgeschichte sollten bereits Schulen vermitteln: «Dann würde man die Bauten vielleicht differenzierter betrachten, die überall stehen.»

Hochhaus wurde schon während seiner Entstehung kritisiert

Rudolf Guyer, der Architekt des Triemli-Hochhauses, braucht keine differenzierte Beurteilung: «Dass Laien das Gebäude hässlich finden, ist mir egal. Hauptsache, den anderen Architekten gefällt es.» Und da erhalte er viel Zustimmung.

Der heute 89-Jährige entwarf das Gebäude während seines ersten Jobs für ein Architekturbüro kurz nach seinem Studium. Bevor es aber fertig gebaut wurde, verstrichen zehn Jahre, Guyer hatte sich mit seiner Frau Esther längst selbstständig gemacht: «Zu jener Zeit gab es nicht viele Hochhäuser in der Stadt, und die Kritik war dementsprechend gross.» So befürchteten laut Guyer etwa die Kommentarschreiber in den Zeitungen, dass Zürich nun zu einem Manhattan werde.

«Gestalterisch ist das Gebäude reich»

Wurde es nicht – und Guyer ist auch über 50 Jahre nach der Fertigstellung noch immer stolz auf das Hochhaus: «Es gehört von unseren 170 Gebäuden, die wir entworfen haben, zu den fünf besten und ist ein Zeuge der Architektur in jener Zeit.» Gestalterisch sei es sehr reich: «Dass man mit reinem Beton baute, war neu.» Ebenfalls überzeugt es laut Guyer aus praktischen Aspekten: «Es ist so ausgerichtet, dass man in den Wohnungen den Verkehrslärm kaum hört.»

Den Bewohnern gefällt das, wie beim Besuch im Triemli-Hochhaus von 20 Minuten klar wurde. «Das Beste an den Wohnungen ist die Aussicht auf die ganze Stadt», sagt etwa Clarita Gerber, die im neunten Stock wohnt.

Das Video zeigt, wie es im Triemli-Hochhaus aussieht.

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