Arme sollen laufen, wenn ihnen die Maske zu teuer ist

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Basler Sozialhilfe-Chef findetArme sollen laufen, wenn ihnen die Maske zu teuer ist

Sozialhilfebezüger sollen Geld für Masken erhalten, fordert ein Verband. Der Basler Sozialvorsteher findet, einigen Betroffenen sei der Fussweg zuzumuten – verteilt jetzt aber doch Gratismasken.

Vor allem für Menschen, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen, kann die seit Montag obligatorische Maskenpflicht im ÖV ein grosses Loch ins Portemonnaie reissen.
«Eine zusätzliche Belastung ohne Ausgleich wird sich zwangsläufig auf die Essenspauschale auswirken, was die Gesundheit gefährdet, statt diese stützt», schreibt Heidi Joos, Geschäftsführerin des Verbands.
In einem offenen Brief wünscht sich der Verband eine Regelung, die den Bezügern von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen die zusätzlichen Kosten der Masken mittels einer monatlichen Pauschale abgilt.
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Vor allem für Menschen, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen, kann die seit Montag obligatorische Maskenpflicht im ÖV ein grosses Loch ins Portemonnaie reissen.

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Darum gehts

  • Die Maskenpflicht im ÖV kann bei Sozialhilfebezügern ins Geld gehen.
  • Ein Verband will dies mit einer Pauschale verhindern.
  • In Basel werden demnächst kostenlose Masken verteilt. Das ist aber nicht selbstverständlich.

Einmal getragen, gehören Hygieneschutzmasken sofort in den Abfall. Eine Box mit 50 Stück kostet beim Grossverteiler rund 35 Franken. Vor allem für Menschen, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen, kann die seit Montag obligatorische Maskenpflicht im ÖV ein grosses Loch ins Portemonnaie reissen. Avenir 50 plus, der Verband für Menschen mit und ohne Arbeit, bittet das Bundesamt für Sozialversicherungen deshalb um ein möglichst rasches Handeln.

«Eine zusätzliche Belastung ohne Ausgleich wird sich zwangsläufig auf die Essenspauschale auswirken, was die Gesundheit gefährdet, statt diese stützt», schreibt Heidi Joos, Geschäftsführerin des Verbands. In einem offenen Brief wünscht sich der Verband eine Regelung, die den Bezügern von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen die zusätzlichen Kosten der Masken mittels einer monatlichen Pauschale abgilt. «Gerecht wäre, wenn die Kantone den Bezügern pro Monat 60 Franken für den Kauf von Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung stellen würden», sagt Joos zu 20 Minuten.

«Mehrkosten tragen oder auf ÖV verzichten»

Caroline Brunner, Mitglied der Geschäftsstelle Basel von Avenir 50 plus, wurde bereits beim Basler Sozialdepartement vorstellig. In einem E-Mail an Amtsleiter Ruedi Illes, das 20 Minuten vorliegt, bat sie das Sozialamt, «schnellstmöglich» eine Lösung zu erarbeiten. Sie schlug vor, der betroffenen Bevölkerung Masken kostenlos abzugeben oder Gutscheine dafür zu verteilen.

Ruedi Illes antwortete ihr, dass das Amt die Abgabe von Masken für Sozialhilfebeziehende aktuell bereits prüfe. Gleichzeitig wies er sie auf folgenden Punkt hin: «Für Personen, die keinen triftigen Grund für die Benutzung des ÖV haben, erscheint es im Rahmen der zumutbaren Selbsthilfe vertretbar, dass sie sich entscheiden, die Mehrkosten doch zu tragen oder auf den ÖV zu verzichten, wenn sie die Ausgaben für die Maske nicht aufbringen wollen. Die lokale Fortbewegung innerhalb der Stadt ist auch per Fahrrad oder zu Fuss möglich, was sogar die Gesundheitsgefährdung mindert.»

«Eine Frechheit»

Caroline Brunner empfand diese Antwort als Frechheit. «Seiner Meinung nach können diese Menschen zu Fuss gehen – egal, wie weit es ist», sagt sie. Auch Sozialhilfebezüger könnten jetzt nicht auf den ÖV verzichten. Zudem seien nicht alle Betroffenen gut zu Fuss. «Erhalten nur Bezüger mit triftigem Grund für die Benutzung des ÖV Zugang zu kostenlosen Masken, wird eine ganze Gruppe in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.» Dass ein Departement unter dem SP-Regierungsrat Christoph Brutschin solche Entscheidungen fälle, sei unerhört.

Das Departement hat auf die Kritik reagiert. Ruedi Illes sagt auf Anfrage von 20 Minuten, es sei ihnen durchaus bewusst, dass mit der Maskenpflicht im ÖV für viele in Armut lebende Personen Mehrkosten entstünden. Deshalb hätten sie sich auch entschieden, für Sozialhilfebeziehende ab dem 12. Altersjahr wiederverwertbare Schutzmasken abzugeben. «Wir haben 7000 Masken bestellt. Sobald sie bei uns eintreffen, können wir sie gestaffelt verteilen.» Zeige sich eine grosse Nachfrage nach den Masken, würden weitere bestellt.

Auf dem Markt kosten zwei wiederverwertbare Masken 20 Franken. Wie nicht kassenpflichtige Medikamente und Sanitätsmaterial könnten auch die Masken unter die Kategorie «Persönliche Pflege» fallen, sagt Illes. «Grundsätzlich erachten wir es daher als vertretbar, dass die Hygienemasken aus dem Grundbedarf finanziert werden.» Für die «Persönliche Pflege» berechnet der Warenkorb der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) einen Grundbedarf von 9,6 Prozent ein. In einem Single-Haushalt entspricht dies monatlich 95 Franken.

Prinzip der Angemessenheit gelte

Anders verhält es sich bei einem gesteigerten Bedarf an Hygienemasken. Dies ist laut dem Amtsleiter etwa der Fall, wenn Sozialhilfebeziehende regelmässig zwingend für den Arbeitsweg auf den ÖV angewiesen seien. «Dann kann im Rahmen der sogenannten situationsbedingten Leistungen geprüft werden, ob Mehrkosten entstehen, für welche wir im Rahmen aufkommen. Sollte dies der Fall sein, würden wir die Mehrkosten abgelten.»

Auch macht Illes darauf aufmerksam, dass das Prinzip der Angemessenheit der Hilfe gelte. «Von der Sozialhilfe unterstützte Personen sind materiell nicht besserzustellen als nicht unterstützte, die in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben.»

Spenden für Masken

Das Schweizer Hilfswerk Caritas kündigte letzte Woche an, in den Caritas-Märkten rund 10’000 Masken zu verteilen. Spenden sollen das Angebot aufstocken. Auch der Verein für Gassenarbeit, Schwarzer Peter, postete auf Facebook kürzlich einen Spendenaufruf für Masken. Die Gassenarbeiter des Vereins stellen für Menschen, deren Lebensmittelpunkt im öffentlichen Raum ist, in Basel Zugang zum Helfernetz wieder her. «Für unsere Klientel ist die Maskenpflicht eine hohe finanzielle Hürde», lautete die Begründung.

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