OrganspendeArzt kritisiert Organspende-Kampagne des Bundes – «einseitig und unvollständig»
Der Bund appelliert an die Bevölkerung, ihren Willen zur Organspende festzuhalten. Doch die Infokampagne sei unvollständig, sagt Organspende-Kritiker Alex Frei.
Darum gehts
Der Bund und Swisstransplant haben Anfang Jahr eine Kampagne zur Organspende lanciert.
Das Ziel ist, dass möglichst viele Personen in der Schweiz schriftlich festhalten, ob sie ihre Organe spenden wollen würden.
Organspende-Kritiker Alex Frei sagt, die Kampagne des Bundes sei unvollständig. Es fehlen darin wichtige Informationen.
Ärztepräsidentin Yvonne Gilli widerspricht. Doch auch sie sagt, Informationen von unabhängigen Absendern wären vertrauenswürdiger.
«Nicht vergessen: Organspende regeln!» Seit Ende Jahr läuft im Fernsehen, online und auf Social Media eine Kampagne, welche die Leute dazu animieren soll, ihren Willen schriftlich festzuhalten und gegenüber Angehörigen zu äussern. Absender der Kampagne sind das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Organisation Swisstransplant.
Die Bevölkerung hat im Mai 2022 dem neuen Transplantationsgesetz zugestimmt (Box). Doch noch ist das neue Gesetz nicht in Kraft, und das bisherige Spender-Register von Swisstransplant gibt es nicht mehr, es wurde wegen Hacker-Anfälligkeit eingestellt. Das neue geplante Register vom Bund wird frühestens 2025 in Betrieb sein.
«Einseitig und unvollständig»
Doch an der Kampagne gibt es Kritik: «Die Informationen sind einseitig und unvollständig», kritisiert der Arzt Alex Frei, der das Referendum gegen das neue Transplantationsgesetz ergriffen hatte, gegenüber 20 Minuten.
Er verlangt, dass der Hirntod erklärt werden müsse. «Bei Spendern ist nur das Hirn tot, der restliche Körper lebt und das Herz schlägt, bis es vor dem Herausschneiden mit Medikamenten zum Stillstand gebracht wird», sagt Frei. «Biologisch gesehen werden die Spender durch die Organentnahme getötet.»
Auch wüssten die Leute nicht, dass es zur Organentnahme eine Narkose braucht, weil es sonst zu Herzrasen, Blutdruckanstieg, kaltem Schwitzen, tränenden Augen oder Bewegungen von Armen und Beinen kommen könne. Das seien Schmerzreaktionen, und es lasse sich nicht wissenschaftlich beweisen, dass die Spender davon nichts mitbekommen.
Bei der zweiten Art von Organspende, nach dem Abstellen der lebenserhaltenden Massnahmen, werde schon fünf Minuten nach dem Herzstillstand der Körper aufgeschnitten und mit der Organentnahme begonnen. Auch dies gehöre zu einer vollständigen Information. Ebenso müssten die Auswirkungen auf die Angehörigen erwähnt werden, verlangt Frei. «Sie müssen sich auf der Intensivstation von einem Familienmitglied verabschieden, das aussieht, als würde es schlafen, und sie erhalten Stunden später einen kalten Leichnam zurück».
Überhaupt seien das BAG und Swisstransplant als Befürworter der Organspende nicht die richtigen Absender einer solchen Kampagne. Es brauche eine unabhängige Informationsstelle, die neutral und ergebnisoffen aufklärt.
Widerspruchslösung
Eine etwas andere Haltung hat Yvonne Gilli, Präsidentin der Ärzteverbindung FMH. «Es ist unbestritten, dass das religiös-philosophische Verständnis von Sterben und Tod nicht identisch sein muss mit der ärztlichen Todesbestätigung nach anerkannten medizinischen Kriterien», sagt sie. Und es sei der Professionalität der beteiligten Gesundheitsfachpersonen geschuldet, die Betroffenen medizin-ethisch korrekt zu begleiten und die Würde der Sterbenden oder Verstorbenen so weit wie möglich zu gewährleisten.
Im Sinne einer Versachlichung der Diskussion lehne sie es jedoch ab, den Zustand eines hirntoten Menschen mit jenem eines schlafenden Menschen zu vergleichen. Mit dem Hirntod bestätigt der Arzt den Tod des Menschen, damit ist der unumkehrbare biologische Prozess des Sterbens vorgegeben. Jedoch könne es tatsächlich noch Körperreaktionen geben, solange der Kreislauf und die Beatmung aufrechterhalten werden. Dass Organspender dabei Schmerzen empfinden, sei unmöglich – dass jedoch lebende wache Menschen diese Reaktionen als Lebenszeichen und Schmerzreaktion interpretieren und dies Gefühle in ihnen auslöst, sei normal.
Auch Gilli sagt, dass Informationen von unabhängigen Absendern, welche nicht in den Transplantationsprozess mit eingebunden sind, in dieser Frage vertrauenswürdiger wären, etwa von Hausarztpraxen.
Das Bundesamt für Gesundheit äussert sich nicht spezifisch zur Kritik der Befangenheit und Einseitigkeit. Es sagt lediglich, dass die Kampagne die Bevölkerung bis zur Einführung der Widerspruchslösung zum Thema sensibilisieren und motivieren wolle, einen Entscheid zur Spende zu treffen. Das BAG gebe die Spendekarte nur zusammen mit einer Broschüre ab, damit sich die Personen ausreichend informieren könnten.
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