«Auch Akademiker können volksnah sein»

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Studierte Politiker«Auch Akademiker können volksnah sein»

Generationenkonflikt in der SVP: Während SVP-Urgesteine den Trend zu mehr Akademisierung in ihren Reihen beklagen, geht die Jungpartei an Universitäten auf Mitgliederfang.

Romana Kayser
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Romana Kayser

Juristen und Ökonomen anstelle von Bauern und Gewerblern. Der Strukturwandel seiner Partei ist SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi ein Dorn im Auge. Jüngst polterte der ehemalige Schreinermeister gegen studierte Politiker - insbesondere gegen weibliche Akademikerinnen. Es sässen zu viele Juristen und viel zu wenig Unternehmer und Handwerker für die SVP im Parlament.

Auch alt Bundesrat Adolf Ogi beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Gegenüber Radio SRF kritisiert Ogi, der selbst auch keinen Uni-Abschluss hat, dass die SVP sich zu sehr auf Akademiker ausrichte und dafür das Gewerbe, die Landwirtschaft und das Bürgertum vernachlässige. Er fordert seine Partei auf, mehr Nachwuchsförderung im Gewerbe zu betreiben.

Auf Mitgliederfang bei den Studenten

Gerade dort geht der Trend aber in die andere Richtung. Seit Anfang Jahr versucht die Junge SVP, an Schweizer Hochschulen eigene Sektionen zu gründen, um sich in der akademischen Welt besser zu verankern. «Wenn wir mehr Studenten haben, können wir unsere intellektuelle Basis ausbauen und in universitären Kreisen der linken Vorherrschaft Gegensteuer geben», sagt Anian Liebrand, Präsident der Jungen SVP.

Im Gegensatz zu seinen älteren Parteikollegen wertet Liebrand die zunehmende Akademisierung innerhalb seiner Partei als positiv: «Ich sehe das überhaupt nicht als Nachteil. Wir brauchen die besten Leute und müssen in allen Fachbereichen stark vertreten sein.» Zudem ist er überzeugt, dass Studierende voll ins Konzept der Volkspartei passen. «Auch Akademiker können sehr volksnah und praxisorientiert denken.»

Bauern sollen in der Mehrheit bleiben

Der Generationenkonflikt manifestiert sich insbesondere bei der Zürcher SVP. Wo einst Schreiner Toni Bortoluzzi oder Bauer Max Binder im Zentrum standen, prägen heute studierte Politiker wie Jurist Gregor Rutz das Parteibild. Werden in der SVP die Büezer bald vollständig von den Studierten verdrängt? Liebrand winkt ab: «Wir wollen zwar mehr Studenten in der SVP, aber mit dem richtigen Mass. Die Akademiker dürfen nicht überhandnehmen. Das wäre für eine Partei mit unserer Tradition nachteilhaft. Das Gleichgewicht muss stimmen.»

100 Millionen für Berufsbildung

Die zunehmende Akademisierung bereitet auch der Wirtschaft Sorgen. Sie braucht dringend Lehrlinge. Wie die «Schweiz am Sonntag» schreibt, hat heute bereits jeder fünfte 19-Jährige einen Maturitätsabschluss. Das Gymnasium liegt im Trend, für eine Lehre entschieden sich nur noch wenige. Um die Lehrlingsausbildung für Jugendliche wieder attraktiver zu machen, will Wirtschaftsminister Johann Schneider-Amman die höhere Berufsbildung ab 2017 mit 100 Millionen Franken pro Jahr unterstützen.

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