Impfstoff gegen CoronavirusAuf diesem «Ausnahme»-Ehepaar ruhen jetzt alle Hoffnungen
In Kürze will die Firma Biontech einen Antrag zur Zulassung ihres Corona-Impfstoffs vorlegen. Wer steckt eigentlich hinter der Firma mit Hauptsitz in Mainz?
Darum gehts
Das Mainzer Unternehmen Biontech steht mit seinem potenziellen Corona-Impfstoff vor dem Durchbruch.
Hinter dem Impfstoff steht ein deutsches Ehepaar
Mehrere Investoren unterstützen die Firma.
Ein Corona-Impfstoff rückt immer näher. Am Montag haben das Mainzer Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer vielversprechende Ergebnisse einer Studie veröffentlicht. Ihr Impfstoff soll einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor dem Coronavirus haben – bislang ohne schwere Nebenwirkungen.
Hinter der deutschen Firma stehen Ugur Sahin und Özlem Türeci, Ärzte mit türkischen Wurzeln. Die britische «Daily Mail» nennt sie «das Paar, das die Welt retten könnte». Die Leidenschaft für die Medizin eint die beiden: Noch am Morgen vor der Hochzeit stehen sie im Labor und kehren dort auch nach dem Standesamt wieder zurück, wie die promovierte Ärztin Türeci in einem Interview erzählt hat.
Das Ehepaar gründete die Firma Biontech im Jahr 2008 zusammen mit einem Kollegen und Investoren. Mittlerweile beschäftigt das Ehepaar rund 1300 Personen. 400 davon arbeiten derzeit nur an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. In einem Interview sagte Sahin: Ihm sei sofort klar gewesen, dass sich das Virus pandemisch ausbreiten werde, als er Ende Januar eine wissenschaftliche Arbeit über den Corona-Ausbruch in der chinesischen Provinzhauptstadt Wuhan gelesen habe.
Biontech nicht die erste Firma
Ugur Sahin und Özlem Türeci sind beide in Deutschland aufgewachsen. Während Türeci, die im Jahr 1967 in Lastrum geboren wurde, als leitende Ärztin der Firma arbeitet, fungiert Sahin, der als Vierjähriger nach Deutschland kam, als CEO. Biontech ist nicht die erste Firma des Paares. Sie gründeten auch die Firma Ganymed und entwickelten Antikörper gegen Krebs. Letztes Jahr erhielt Sahin den deutschen Krebspreis. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, trennten sie sich 2016 von ihren Beteiligungen und erhielten dafür 422 Millionen Euro von der Firma Astellas.
«Menschheitsprojekt»
Geld spielt für das Ehepaar wohl eine eher kleinere Rolle. Matthias Theobald ist ein langjähriger Wegbegleiter von Sahin und stellvertretender Leiter des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen UCT Mainz. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagt er: «Er ist ein sehr bescheidener, demütiger Mensch. Alles Äussere ist ihm nicht wichtig. Aber er will die Strukturen schaffen, um seine Vision zu verwirklichen und da ist sein Anspruch dann nicht mehr bescheiden.»
Ins selbe Horn bläst Investor Thomas Strüngmann, der im Aufsichtsrat von Biontech sitzt. Das Ehepaar bezeichnet er als «Ausnahmeerscheinungen». Vergangenes Jahr sagte er gegenüber dem «Handelsblatt»: «Sahin hat nie die Monetarisierung in den Vordergrund gestellt. Sein Traum deckt sich mit dem unsrigen, etwas Nachhaltiges, Bleibendes aufzubauen und grundlegend neue, bessere Therapien zu entwickeln.»
Sahin selbst sieht die Suche nach einer Impfung als «Menschheitsprojekt»: «Je früher ein effektiver Impfstoff verfügbar ist, desto früher können wir alle in unser altes Leben zurückkehren.
100 reichste Deutsche
Nicht nur das US-Unternehmen Pfizer beteiligt sich an Biontech. Die Firmenadresse «An der Goldgrube 12» hat Symbolcharakter: Über mangelndes Interesse von Geldgebern kann sich Biontech nicht klagen. Im März stieg der chinesische Pharmakonzern Fosun mit weniger als einem Prozent bei Biontech ein. So konnten klinische Studien für den Corona-Impfstoff in China gemacht werden. Zu den Investoren zählen ausserdem die Stiftung von Bill und Melinda Gates und der staatliche Fonds Temasek aus Singapur.
Zum US-Börsengang im September 2019 wurden die Biontech-Papiere zu 15 Dollar ausgeben, inzwischen kosten sie mehr als 90 Dollar. Das katapultierte Sahin in die Liste der 100 reichsten Deutschen. «Die Welt am Sonntag» führt ihn zusammen mit Ehefrau Özlem Türeci auf Platz 93 mit einem Vermögen von 2,4 Milliarden Euro.
Impfstoff
Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff, der auf einem bislang völlig neuen Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiss herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.
Ein Vorteil von RNA-Impfstoffen ist, dass sie wesentlich schneller als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitzustellen, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen.