Panjshir - Auf diesem Tal ruhen Afghanistans Hoffnungen

Aktualisiert

PanjshirAuf diesem Tal ruhen Afghanistans Hoffnungen

Die Taliban haben mittlerweile fast ganz Afghanistan inklusive der Hauptstadt Kabul unter ihre Kontrolle gebracht. Nur eine Region hat sich dem Zugriff der Islamisten entziehen können. Nun formiert sich dort der nationale Widerstand.

Im Panjshir-Tal formiert sich der Widerstand gegen die Taliban.
Die Provinz ist die einzige, die noch nicht den Taliban zugefallen ist. Im Bild zu sehen ist ein afghanischer Militärhelikopter in Panjshir.
Der ehemalige Vizepräsident Amrullah Saleh ist nach Panjshir geflüchtet.
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Im Panjshir-Tal formiert sich der Widerstand gegen die Taliban.

AFP

Darum gehts

  • Die Taliban haben fast ganz Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht.

  • Nur eine einzige, bergig-abgelegene Region hat sich noch nicht von den Taliban unterwerfen lassen.

  • Von dort aus formiert sich nun der Widerstand.

Afghanistan ist im Würgegriff der Taliban. Innert weniger Tage nach dem grossflächigen Rückzug der amerikanischen Truppen haben die islamistischen Kämpfer fast ganz Afghanistan unter ihre Kontrolle gebracht.

Am Sonntag schliesslich marschierten sie in der Hauptstadt Kabul ein, wo ihnen die Regierungsgebäude praktisch ohne Widerstand überlassen wurden. Präsident Ashraf Ghani verliess fluchtartig das Land, mutmasslich nach Tadschikistan.

Die Hoffnungen der afghanischen Widerstandskämpfer gegen die Taliban ruhen nun auf einer einzigen Region, dem abgeschiedenen Panjshir-Tal etwa 100 Kilometer nordöstlich von Kabul. Es ist die einzige Region, die noch nicht in die Hände der Taliban gefallen ist. Darüber berichtet das britische Magazin «The Week» ausführlich.

«Niemals mit den Taliban ein Dach teilen»

Im Panjshir-Tal organisiert sich nun der nationale Widerstand gegen die Taliban. So soll der Vizepräsident Afghanistans, Amrullah Saleh, sich nach dem Fall Kabuls dorthin zurückgezogen haben. Saleh, der selbst aus dem Panjshir-Tal stammt, gehört seit Jahren zu den lautesten Kritikern der Taliban, wie «France 24» berichtet.

Kurz nach seiner Flucht aus Kabul meldete sich Amrullah Saleh über Twitter zu Wort. «Ich werde nicht die Millionen Menschen im Stich lassen, die auf mich gehört haben. Ich werde niemals mit den Taliban unter einem Dach leben. Niemals.», schrieb Saleh.

Am Sonntagabend dann machte, ebenfalls auf Twitter, ein Bild die Runde, das Saleh zusammen mit Ahmad Massoud zeigt und gemäss Informationen des britischen Reporters Yalda Hakim in Panjshir aufgenommen wurde.

Ahmad Massoud ist der Sohn von Ahmad Shah Massoud, der in Afghanistan Heldenstatus besitzt. Er widersetzte sich den Taliban während deren erster Herrschaft zwischen 1996 und 2001. Er wurde 2001 von Schergen des Al Qaida-Anführers Osama bin Laden ermordet, die sich ihm gegenüber als Journalisten ausgaben und eine als Videokamera getarnte Bombe zum Explodieren brachten.

Schon im April formierte sich im Panjshir-Tal der Widerstand gegen die Taliban. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Tals waren schon damals empört über den Deal, den die USA mit den Taliban schloss, der damals noch vorsah, dass sich die USA bis Mai aus Afghanistan zurückzieht. In der Region Panjshir, die schon während der ersten Taliban-Herrschaft ab 1996 als einzige afghanische Region nicht den Taliban zufiel, befürchtete man schon damals, die Taliban könnten die Macht an sich reissen, wie die «NZZ» berichtet.

«Abhängigkeit ist Schande»

Damals liess Ahmad Shah Massoud den Zugang zum Tal sprengen, wodurch es für die Taliban uneinnehmbar wurde. «Ich werde Widerstand leisten, bis das letzte noch gehaltene Gebiet so gross ist wie mein Hut», oder «Abhängigkeit ist eine Schande», sind Sätze, die Ahmad Shah Massoud zugeschrieben werden und bis heute auf Plakaten im Panjshir-Tal zu sehen sind.

Die Ablehnung der Taliban im Panjshir-Tal ist unter anderem auch ethnisch bedingt. Die rund 450’000 Einwohnerinnen und Einwohner der Provinz sind grösstenteils der ethnischen Gruppe der Tadschiken zugehörig, während die Taliban grösstenteils aus Angehörigen der ethnischen Gruppe der Paschtunen besteht. Auch in religiöser Hinsicht bestehen grundlegende Unterschiede.

Afghanen sind bereit zu kämpfen

Die Bewohner und Bewohnerinnen von Panjshir sind bereit, den Taliban die Stirn zu bieten. Bazgul Afsali, der das pompöse Grab von Ahmad Shah Massoud bewacht, sagt: «Panjshiri haben keine Freunde und keine Dienstherren. Wir verhandeln nicht. Wir können es mit jedem aufnehmen, auch mit den Amerikanern.» Und auch die Vizegouverneurin der Region, Rahela Ataee, deutete schon im April gegenüber der «NZZ» an, dass die Afghaninnen und Afghanen zum Widerstand bereit sind: «Wenn die USA weiter die Taliban unterstützen und Pakistan weiter den Terrorismus finanziert, werden die Afghanen natürlich für ihre Rechte kämpfen.» Vier Monate später ruhen die Hoffnungen von ganz Afghanistan auf den Freiheitskämpfern aus dem Panjshir-Tal.

Die Scharia

Die Bedeutung des Begriffs Scharia hängt von dessen Auslegung ab. Prinzipiell bedeutet der Begriff Weg oder Weg zur Quelle, also zur göttlichen Wahrheit, inklusive der Riten, Überzeugungen und Normen. Die Interpretation des Begriffs ändert sich je nach Zeit , Ort und Gesellschaft. Die üblicherweise transportierte Bedeutung einer gewalttätigen, diskriminierenden Scharia entspricht nicht der Realität der Schweizer Muslime, ebenso wenig tut dies die von den Taliban propagierte Sichtweise.

Einige Punkte, wie die Scharia bei den Taliban interpretiert wird:

  • Diebe werden öffentlich ausgepeitscht oder durch Amputationen bestraft.

  • Ohne Burka und ohne einen männlichen Blutsverwandten ist es Frauen untersagt vor die Tür zu gehen.

  • Frauen sollen in der Öffentlichkeit nicht sprechen. Kein Fremder soll die Stimme einer Frau hören.

  • Sollten Schwule beim Geschlechtsverkehr erwischt werden, werden sie gesteinigt oder von einer Mauer, die auf sie fallen gelassen wird, zerquetscht.

  • Frauen zu fotografieren oder zu filmen ist untersagt. Ebenso ist es verboten, weibliche Personen zur Schau zu stellen – wie etwa auf Magazinen oder Plakaten.

  • Frauen ist es nicht gestattet, sich auf der Terrasse oder dem Balkon ihrer Wohnungen oder Häuser aufzuhalten.

  • Unverheiratet Unzucht zu betreiben, wird mit Peitschenhieben bestraft.

  • Der Konsum von berauschenden Substanzen – zum Beispiel Alkohol – wird mit Schlägen geahndet.

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Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858

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Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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