Dramatische Situationen – Auf Schweizer Covid-Stationen liegen ungewöhnlich viele Schwangere

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Dramatische SituationenAuf Schweizer Covid-Stationen liegen ungewöhnlich viele Schwangere

Im Vergleich zu den Wellen davor müssen auffällig viele Covid-positive Schwangere behandelt werden. Dies kann gravierende Folgen für Mutter und Kind haben.

In der aktuellen vierten Welle müssen in Schweizer Spitälern vermehrt schwangere Frauen behandelt werden, die an Covid erkrankt sind.
«Wir haben immer wieder Schwangere oder Patientinnen nach frühzeitiger Entbindung aufgrund einer Covid-Infektion auf der Intensivstation», sagt Petra Ming, Sprecherin des Inselspitals.
Foto: 20min/Matthias Spicher
«Auf der Intensivstation haben wir bisher zwischen 15 und 20 Schwangere betreut», so Romana Brun, Oberärztin in der Klinik für Geburtshilfe des Unispitals Zürich.
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In der aktuellen vierten Welle müssen in Schweizer Spitälern vermehrt schwangere Frauen behandelt werden, die an Covid erkrankt sind.

Fabian Strauch/dpa

Darum gehts

  • In der aktuellen Welle erkranken vermehrt auch Schwangere an Covid-19.

  • Während die Infektion bei einigen harmlos verläuft, bedingt sie bei anderen gravierende Massnahmen.

  • Der Bund hat Schwangeren erst vor zwei Wochen die Impfung empfohlen. Zu spät?

  • Nein, sagt die Vorsteherin der Schweizer Hebammen.

Aline* erblickte im September in einem Berner Spital das Licht der Welt. Das kleine Geschöpf kam gesund zur Welt – während seine Mutter schwer krank war. Im neunten Monat erkrankt die Frau an Covid und litt seither an Atemnot. Trotzdem wollte sie das Kind auf natürliche Weise auf die Welt bringen: «Ich hatte eine Sauerstoffmaske, geriet jedoch bei jeder Wehe in Atemnot und Panik», sagt die Bernerin. Nur mit viel Willenskraft gelang es schliesslich, das Kind ohne Kaiserschnitt auf die Welt zu holen: «Die Geburt war ein Horror-Erlebnis, umso glücklicher war ich, als ich mein Kind in den Armen halten konnte.» Andrea Weber, Geschäftsführerin des Schweizer Hebammenverbands SHV nennt eine solche Situation einen «Supergau»: «Das Kind bekommt den Zustand der Mutter wegen der hohen Stresshormone mit.» Eine solche Geburt sei für alle Beteiligten traumatisch. Es handelt sich hierbei um keinen Einzelfall.

In Schweizer Spitälern müssen derzeit häufiger Covid-positive Schwangere behandelt werden – auch auf Intensivstationen. «In der aktuellen vierten Welle haben wir immer wieder Schwangere oder Patientinnen nach frühzeitiger Entbindung aufgrund einer Covid-Infektion auf der Intensivstation», sagt Petra Ming, Sprecherin des Inselspitals. Eine bis drei Frauen würden jeweils auf der Station liegen: «Diese Zahl ist stabil, da diese Patientinnen üblicherweise mehrere Wochen bleiben müssen.»

Schwanger und an der Herz-Lungenmaschine

Auch im Unispital Zürich USZ wird eine Zunahme solcher Fälle beobachtet: «In der vierten Welle haben wir tendenziell vermehrt schwere Fälle von Covid-positiven Schwangeren erlebt. Auf der Intensivstation haben wir bisher zwischen 15 und 20 Schwangere betreut», so Romana Brun, Oberärztin in der Klinik für Geburtshilfe des USZ. Eine schwangere Frau habe etwa auf der Intensivstation an die Herz-Lungenmaschine angeschlossen werden müssen, so etwas hätte das Team zuvor noch nie gesehen. Für Mutter und Kind kann so eine Massnahme gravierende Folgen haben: Es kann nötig sein, dass die Entbindung vor dem Geburtstermin erfolgen muss, damit die Beatmungssituation verbessert werden kann. Brun: «Eine schwangere Frau kann nicht in Bauchlage gelegt werden.»

Gemäss Daniel Surbek, Chefarzt und Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Frauenklinik des Inselspitals, braucht es solche Massnahmen nur bei schweren Verläufen. Die Infektion würde auch harmlos verlaufen: «Es kommt im Vergleich zu gesunden Schwangeren jedoch dreimal häufiger zu einer Frühgeburt.» Kämen die Kinder nach der 35. Woche, also rund fünf Wochen vor dem Termin, auf die Welt, müssten sie einige Wochen im «Brutkasten» behandelt werden. In der 25. Woche etwa komme es oft zu schweren Folgen, das Sterblichkeitsrisiko sei hoch.

Impfempfehlung für Schwangere brauchte Zeit

Auch Aline kam zu früh zur Welt – rund einen Monat vor dem Geburtstermin. Die Mutter ist heute in psychischer Behandlung, um das Trauma der Geburt aufzuarbeiten. Dass dies notwendig ist, sei auch die Schuld des Bundesamts für Gesundheit. Dieses hat die Impfempfehlung für Schwangere erst am 14. September veröffentlicht. Viel zu spät, findet die Bernerin, die absichtlich auf die Empfehlung gewartet hat: «Wie ich im Nachhinein erfahren habe, wurde dies in anderen Ländern viel früher empfohlen. Ich habe den Preis dieses Versäumnisses bezahlt.»

Gemäss Andrea Weber vom SHV ist «Versäumnis» der falsche Ausdruck. Damit würde man den Behörden unrecht tun: «Es ist wichtig, dass Entscheide fundiert und evidenzbasiert geschehen und das ist in der Schweiz passiert.» Die Eidgenössische Impfkommission EKIF und das BAG hätten auf die Daten aus dem Ausland gewartet und diese ausgewertet. Solche Abläufe hätten einen gewissen Zeitablauf: «Dieser deckt sich leider nicht immer mit dem Voranschreiten einer Pandemie.» Es sei jedoch verständlich, dass dies aus Sicht der Betroffenen alles zu lange dauerte.

*Name geändert

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Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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