
Redaktor Michael Lusk auf Testfahrt im 3,8 Millionen Euro teuren Bugatti Chiron Super Sport.
Hendryk MeyerBugatti für 3,8 MillionenAuf Testfahrt im schnellsten Auto der Welt
Redaktor Michael Lusk durfte Bugatti einen Tag lang besuchen und bei der «Molsheim Experience» erleben, was sonst Hollywoodstars oder Profifussballern vorbehalten ist – inklusive Fahrt im Bugatti Chiron Super Sport.
Ettore Bugatti war ein Visionär. Er bot seinen Kunden schon seit 1928 die Möglichkeit, den Spirit der Marke zu spüren und hautnah mitzuerleben, wie ein Bugatti entsteht – lange, bevor andere Marken die Möglichkeiten zur Werksbesichtigung oder Abholung überhaupt angeboten haben. Als Bugatti unter der Führung des VW-Konzerns im Jahr 1998 seine Wiedergeburt feierte, führte Ferdinand Piëch diese Tradition wieder ein. Damals wie heute bietet die sogenannte «Molsheim Experience» für Kunden – und in diesem Fall für Journalisten – einen Spannungsbogen, bei dem das Beste im wahrsten Sinn des Wortes ganz zum Schluss kommt.
Ein Blick ins Schloss
Los gehts deshalb nicht mit der Testfahrt selbst, sondern dem Besuch des berühmten Château St. Jean auf dem Firmengelände von Bugatti in Molsheim. Kein Geringerer als Pierre-Henry Raphanel, ehemaliger Renn- und heute offizieller Testfahrer, führt mich durch eine Ausstellung zur Geschichte der Marke, die wertvolle Artefakte und Erinnerungsstücke der Familie Bugatti umfasst. Anschliessend schauen wir in die Remise Nord, in welcher klassische Fahrzeuge und historische Modelle wie beispielsweise ein Type 35, ein Type 51 oder ein 6,40 Meter langer Type 41 Royale Coupé ausgestellt sind. In einem Durchgang durch das Atelier – so nennt Bugatti die Produktion respektive Manufaktur – darf ich den Mitarbeitern live über die Schulter schauen, wie sie unter anderem einen von auf nur zehn Stück limitierten Bugatti Centodieci zusammenbauen. Zu Mittag gegessen wird stilecht neben einem Bugatti Chiron Super Sport.
Im Guinnessbuch der Rekorde
Hier treffe ich auf Andy Wallace, der den Chiron wie kein Zweiter kennt und mich auf die Testfahrt begleiten wird. Der ehemalige Le-Mans-Sieger und heutige Cheftestfahrer von Bugatti hat schon Tausende Kilometer im Chiron absolviert und vor drei Jahren als erster Mensch in einem Serienauto die Marke von 300 mph (umgerechnet rund 483 km/h) durchbrochen. Unglaubliche 490,48 km/h erreichte er damit auf einer gesperrten Teststrecke in Norddeutschland.
Auch sonst besticht der Chiron durch Superlative: acht Liter Hubraum, 16 Zylinder, 1600 PS und eben so viel Newtonmeter sowie für die Strasse abgeregelte 440 km/h sind Zahlen wie aus einer anderen Welt. Damit auch die Kunden das Potenzial des Chiron nur ansatzweise erleben können, nutzt Bugatti verschiedene Strecken rund um Molsheim, die Andy Wallace wie aus dem Effeff kennt: Die kurvigen Bergstrassen der Vogesen gehören dazu, aber auch die deutsche Autobahn auf der anderen Seite des Rheins und sogar den Flugplatz von Colmar kann Bugatti nutzen, wenn gerade kein Privatjet startet oder landet.
Halbgas für 800 PS
Auf den ersten Metern fährt deshalb Andy. Und demonstriert, dass selbst Halbgas genügt, um 800 PS abzurufen – mehr, als andere Supersportwagen überhaupt leisten. Nach einigen Minuten haben die Reifen 25 Grad erreicht – jetzt darf ich ran, Fahrerwechsel! Erst vorsichtig drücke ich aufs Gaspedal, schliesslich kostet der Chiron Super Sport 3,8 Millionen Euro. Mit der Zeit fasse ich immer mehr Vertrauen, geniesse das Zischen der Turbolader bei jedem Zwischenspurt und wie es mich dabei förmlich in die Sitze presst. Viel zu schnell fliegt die Zeit vorbei. Weil aber das Beste bekanntlich am Schluss kommt, darf ich am Ende des Tages zwar nicht wie Cristiano Ronaldo oder Kylie Jenner im eigenen Chiron nach Hause fahren, aber auf dem letzten Zwischenspurt des Tages noch mal die vollen 1600 PS erleben.