Ausserordentliche SessionNationalrat will Familiennachzüge im Asylwesen massiv einschränken
Einschränkung des Familiennachzugs oder die Schaffung von Transitzonen für Flüchtende: In einer ausserordentlichen Session debattierte der Nationalrat am Dienstag über mehrere Asyl-Vorstösse.
Darum gehts
Der Nationalrat diskutierte am Dienstag über zahlreiche Asyl-Vorstösse.
Die meisten stammten aus der SVP-Fraktion und forderten Verschärfungen im Asylwesen.
Trotz Warnungen von Justizminister Beat Jans beschloss der Nationalrat unter anderem, Familiennachzüge für vorläufig aufgenommene Flüchtende zu verbieten.
Am Dienstag debattierte der Nationalrat im Rahmen der von der SVP beantragten ausserordentlichen Session über verschiedene Vorstösse, die Verschärfungen im Asylwesen fordern – mehrere davon wurden angenommen.
Dabei ging es unter anderem darum, ob Personen, die ein sicheres Drittland durchquert haben, in der Schweiz das Recht auf Asyl haben sollen, ob der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene beschränkt werden soll und ob Transitzonen geschaffen werden sollen. Die Vorstösse stammen grösstenteils aus der SVP-Fraktion.
Die SVP-Parlamentarier trugen ihre jeweiligen Vorstösse vor. Sie sprachen von dramatischen Lagen, die sich durch die Verschärfungen lösen liessen. SVP-Nationalrat Andreas Glarner etwa war überzeugt, dass mit der Schaffung von Transitzonen «keine Asylsuchenden mehr kommen würden».
Nationalrat will Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene verbieten
Pünktlich zur Mittagszeit stimmte der Nationalrat wie folgt ab:
Personen, die einen sicheren Drittstaat durchquert haben, sollen kein Recht auf Asyl haben: abgelehnt mit 94 zu 89 Stimmen bei 2 Enthaltungen
Kein Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene: angenommen mit 105 zu 74 Stimmen bei 9 Enthaltungen
Schaffung von Transitzonen für Flüchtende: abgelehnt mit 97 zu 90 Stimmen bei 2 Enthaltungen
Datenaustausch bei «illegalen» Migranten systematisieren: angenommen mit 119 zu 71 Stimmen bei einer Enthaltung
Zudem standen noch andere Vorstösse aus der FDP, Mitte, GLP und SP zur Debatte. Dabei nahm der Nationalrat drei Vorstösse an, die erstens die Bildung einer Asyl-Taskforce, zweitens die Schaffung von Erwerbsanreizen und Perspektiven beim Schutzstatus S sowie drittens die Anpassung des Schutzstatus S forderten. Abgelehnt wurde hingegen die Einführung eines neuen Status für Ukrainerinnen und Ukrainer.
In den Gängen des Bundeshauses ist im Nachgang zur Debatte sowie der Annahme SVP-Motion zu den Familiennachzügen zu hören, dass bereits neuer Ärger mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte befürchtet wird. Schon am Mittwoch debattiert der Ständerat über einen gleichlautenden Vorstoss.
SP wendet sich per Appell an den Ständerat
Die SP wandte sich nach der Debatte per Appell an den Ständerat, der am Mittwoch über eine gleichlautende Vorlage zum Familiennachzug entscheidet. Man könne nicht zulassen, dass «fundamentale Menschenrechte mit Füssen getreten» würden, so die Sozialdemokraten. Nach zwei Stunden hatten bereits über 10'000 Unterstützende den Appell mitunterzeichnet.
Bundesrat Jans: Vorstösse seien verfassungswidrig
Vor der Abstimmung hatte sich Justizminister Beat Jans geäussert. Dabei sprach er zu Beginn über die ausserordentlich Session zum Thema Asyl an sich: «Es ist, seit ich dabei bin, die Dritte. Man kann sie wahrscheinlich nicht mehr wirklich ‹ausserordentlich› nennen», meinte er.
«Verfassungswidrige Hauruck-Übungen», wie er die Vorstösse der SVP zusammenfasste, seien unschweizerisch und brächten nur Chaos. «Die Kriegstreiber und Terroristen dieser Welt wollen doch genau, dass wir unsere Grundwerte über Bord werfen», mahnte der Bundesrat.

«Verfassungswidrige Hauruck-Übungen»: Justizminister Beat Jans fand während der Debatte klare Worte.
20min/Matthias Spicher«In dieser Session werden verschiedene Vorstösse debattiert, die offensichtlich mit völkerrechtlichen Verpflichtungen und mit unserer Bundesverfassung im Konflikt stehen», kritisierte Jans.
Ob die Befürworter der Vorstösse tatsächlich glauben würden, dass die Schweiz Asylsuchende in ihre Nachbarländer zurückschicken könne und Deutschland, Österreich und Italien diese mit offenen Armen empfangen würde, wollte der Bundesrat wissen. Auch die Transitzonen kritisierte der Justizminister scharf: Die Personen, die man dort internieren wolle, hätten keine Verbrechen begangen – das sei ein unverhältnismässiger Eingriff in die persönliche Freiheit.
Lange Schlange für Fragerunde mit Jans
Jans beantragte letztlich im Namen des Bundesrats die Ablehnung aller SVP-Vorstösse. Während der Justizminister sprach, bildete sich eine immer länger werdende Schlange an Parlamentsmitgliedern, die Jans eine Zwischenfrage stellen wollten.

Sie alle wollten Bundesrat Jans eine Frage stellen.
20min/Matthias SpicherFolgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
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